Jungarchitekt Lukas Mering aus Koblenz zeigt in einer Konzeptstudie im Rahmen seiner Masterarbeit, wie ein mögliches, neues Stadion für Hertha BSC aussehen könnte. Wir haben uns mit ihm dazu ausführlich unterhalten.
© Visualisierungen: Lukas Mering
In der Diskussion darum, wo ein neues Stadion für Hertha BSC entstehen könnte, waren bisher vor allem der Olympiapark und das vom Büro BLR Projektplan ins Spiel gebrachte Gelände an der Avus Nordkurve, welches auch vom Charlottenburg-Wilmersdorfer Bezirksstadtrat Oliver Schruoffeneger (Die Grünen) unterstützt wurde, genannt worden. Außerdem im Gespräch war ein Grundstück in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Flughafens Tegel auf dem heutigen Zentralen Festplatz.
Den letztgenannten Standort hielt der Jungarchitekt Lukas Mering nach eigener Recherche zu Beginn seiner Arbeit im Sommer 2020 für geeignet und konzipierte im Rahmen seiner Master-Thesis ein Stadion-Projekt, das in jedem Fall sehr gut und plastisch zeigt, wie ein solcher Stadion-Neubau aussehen könnte – und wie groß die Unterschiede zur heutigen, oft mühsamen Mieter-Situation für Hertha BSC wohl wären.
Wir konnten mit Lukas Mering zu diesem Thema etwas ausführlicher sprechen.
ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN: Lieber Lukas, vielen Dank, dass du dir die Zeit für ein kurzes Interview nimmst. Zu Beginn würden wir gern wissen, was du derzeit machst und woran du aktuell arbeitest.
Lukas Mering: Ich komme ja noch recht frisch aus dem Studium und arbeite derzeit zweigeteilt. An der Hochschule Koblenz arbeite ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich der Digitalen Prozesse in der Architektur unter der Leitung von Prof. Immel. Derzeit beschäftigen wir uns intensiv mit dem Thema E-Learning. Fast schon visionär versuchen wir, ein Projekt voranzubringen, das auf spielerische Art und Weise zunächst Basiswissen, im weiteren Verlauf dann aber auch komplexe Zusammenhänge im Bereich der Baukonstruktion vermittelt und die etablierte Lehre so ergänzen soll.
Darüber hinaus arbeite ich im krisengebeutelten Bad Neuenahr im Architekturbüro Mertens. Schon vor der Flutkatastrophe hatten wir reichlich zu tun, seit vergangenen Sommer hat sich die Lage dort aber natürlich ins Dramatische gekehrt. Wir versuchen mit unserer Arbeit, dem Leiden der Menschen und ihrer Not entgegenzuwirken. Man erkennt auch schon den ein oder anderen Hoffnungsschimmer, aber es wird sich natürlich noch Jahre hinziehen, bis hier wieder Normalzustände herrschen.
Dann habe ich noch ein weiteres Projekt in meiner Freizeit: Zusammen mit einigen Freunden aus dem Studium bin ich dabei, einen gemeinnützigen Verein zu gründen, der es sich zur Aufgabe macht, die Architektur, ihre Ansätze und Möglichkeiten, der Bevölkerung näher zu bringen. Angeleitet in Workshops und inspiriert durch Vorträge sollen die Menschen ein besseres und bewussteres Gespür für Architektur entwickeln. Außerdem wollen wir im Rahmen unserer Tätigkeit mit dem Verein auch das ein oder andere Herzensprojekt, insbesondere im Bereich der Freiraumplanung, angehen.
Die Konzeptstudie, die wir vor einigen Tagen veröffentlichen durften, behandelt das Thema „Stadion-Neubau“ für Hertha BSC. Du selbst kommst ja gar nicht aus Berlin und hast, soweit wir wissen, auch keinen persönlichen Bezug zur Hauptstadt. Wie bist du darauf gekommen, das Thema für deine Masterarbeit zu verwenden?
Ich hatte zwar keinen direkten Bezug zu Berlin, bin allerdings seit Kindesbeinen Bundesliga-Fan im Allgemeinen und interessiere mich natürlich auch für die internationalen Ligen. Bei der Wahl des Thesis-Themas war für mich besonders wichtig, dass ich im Laufe der Bearbeitung mein volles Potenzial an Leidenschaft ausschöpfen kann, weil erfahrungsgemäß dies erst zu den Ergebnissen führt, auf die man später stolz zurückblickt. Das Thema Fußball war und ist für mich darauf zugeschnitten, sodass ich mir nicht mehr über das allgemeine Thema, sondern nur noch über das konkrete Projekt Gedanken machen musste. Neben der Begeisterung am Fußball faszinieren mich auch Großveranstaltungen und Mega-Events und die komplexe Logistik, die im Vorfeld und im Hintergrund jeweils notwendig ist. Der letzte Funke für die Wahl genau dieses Themas war dann noch die Realitätsnähe, da es immer schöner ist, zumindest auf dem Papier auf konkrete, echte Bedürfnisse von Menschen einzugehen und zu antworten, als ein fiktives, selbst erdachtes Thema zu konzipieren und zu bearbeiten. Auch wenn ich eingefleischter Dortmund-Fan bin, verfolge ich Hertha BSC seit meiner Thesis-Bearbeitung mit großem Interesse und kann und will aufflammende Emotionen nicht mehr unterdrücken.
“Ein Stadion ist ein sehr kraftvoller Bau und braucht eine entsprechende Bühne.”
Den Standort des potenziellen, zukünftigen Stadions hast du auf den heutigen Zentralen Festplatz am Flughafen Tegel gesetzt, weil er in der bisherigen Diskussion als möglicher Standort gehandelt wurde. Was hat dich an diesem Standort besonders gereizt?
Intensiv hatte ich auch über das damals gehandelte Maifeld auf dem Olympiagelände als mögliches Baufeld nachgedacht. Aus meiner Sicht sollte dem Maifeld aufgrund seiner Historie dringend eine neue Nutzung zugeführt werden und sein Erscheinungsbild behutsam, aber entschlossen verändert werden, um ihn als Festplatz der Nationalsozialisten unkenntlich zu machen. Eine weltoffene Nutzung wie die als Fußballstadion wäre eigentlich prädestiniert dafür, allerdings konnte ich mich nicht damit anfreunden, in direkter Konkurrenz zum Olympiastadion zu planen, da ich dieses nach wie vor sehr schätze, auch wenn es als Wirkungsstätte für Hertha aus mehreren Gründen ungeeignet ist.
Ein Stadion ist ein sehr kraftvoller Bau und braucht eine entsprechende Bühne. Außerdem habe ich nach einem Grundstück gesucht, auf dem Hertha sich vollumfänglich niederlassen kann, um dem Verein eine einheitliche Adresse zu geben. Die Lage auf dem „Zentralen Festplatz“ an der Autobahn und am Ufer des Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanals machen das Stadion schon früh für sich nähernde Menschen sichtbar, sodass der Drang der Masse zum Stadion hin an Spieltagen für die Menschen ein noch intensiveres Erlebnis wird. Dazu kommt das Potenzial der Zusammenwirkung mit dem benachbarten Mega-Bauvorhaben auf dem ehemaligen Flughafen Tegel. Einen Anknüpfungspunkt an das dort geplante Industrie -und Forschungszentrum und die Wohnviertel möchte ich mit meiner angedachten Fuß- und Radweg-Magistrale über das Stadiongrundstück hinweg schaffen. Da beide Vorhaben eine Menge Parkplätze brauchen, die Nutzungszeiten in aller Regel aber unterschiedlich sind, könnte auch hier eine Symbiose stattfinden.
Wie war deine Herangehensweise an die Arbeit? Wie ist es zum jetzt fertigen Konzept gekommen? Was sollte unbedingt Teil des Entwurfs sein, was wolltest du in jedem Fall vermeiden?
Wichtig war mir, das Areal des Stadions möglichst vom motorisierten Verkehr frei zu halten. Bei meinen Grundstücksbesichtigungen empfand ich dazu den Uferweg als Naherholungsmöglichkeit sehr geeignet, da es hier für einen Ort mitten in Berlin extrem ruhig und idyllisch ist. Diese Qualität wollte ich mit meiner Planung auf keinen Fall durchbrechen. Aus diesen Überlegungen und Ansprüchen heraus wuchs in mir die Idee, das Grundstück in weiten Teilen anzuheben, um so den Uferweg freizuhalten bzw. sogar zu erweitern, den Verkehr in das Plateau zu verlagern und das Stadion mit voller Breitseite zur Autobahn hin repräsentativ auf einen Sockel zu stellen.
Was mich häufig an Sportstätten stört, ist, dass sich diese fast ausschließlich über die Spielzeiten definieren und diese gigantischen Areale und Bauwerke zu allen anderen Zeiten fast ungenutzt sind. Daher wollte ich unbedingt ein Areal schaffen, das insbesondere für sportbegeisterte Menschen täglich ein Ort der Begegnung sein kann, das unterschiedliche Freizeitaktivitäten beherbergt und für die Fans wie ein zweites Zuhause sein kann.
“Ich wollte unbedingt ein Areal schaffen, das insbesondere für sportbegeisterte Menschen täglich ein Ort der Begegnung sein kann, das unterschiedliche Freizeitaktivitäten beherbergt und für die Fans wie ein zweites Zuhause sein kann.”
Zum Schluss noch ein kleiner Ausblick: Woran würdest du gern in der Zukunft – unabhängig vom Thema Sportstättenbau – arbeiten? Hast du gewisse, thematische Präferenzen?
Wie ich bereits beschrieben habe, ist es mir wichtig, dass ich für die Projekte, die ich bearbeite, volle Leidenschaft entwickeln kann. Das gelingt neben der Faszination am Projekt selbst am besten über den Austausch mit den Menschen, für die man plant und Empathie hat. Dazu kommt natürlich die theoretische Auseinandersetzung mit guter, zeitgenössischer Architektur und das Analysieren von Referenzbeispielen für jedes Projekt. Nach meinem Empfinden kommt es im alltäglichen Geschäft daher vor allem auf die Herangehensweise an und den Willen, jedem Projekt etwas Besonderes verleihen zu wollen. Eine große Herausforderung ist es, finanzielle, zeitliche und baurechtliche Hürden bei Projekten zu überwinden. Damit umzugehen lerne ich derzeit selbst. Ich wünsche mir, dass es mir gelingt, den Idealismus, den ich mir im Studium angeeignet habe, zu bewahren und möglichst oft umsetzen zu können. Generell lässt sich aber sagen, dass mich öffentlich zugängliche Bauten wie Museen, Bibliotheken, oder eben Sportstätten besonders reizen.
Lieber Lukas, wir danken dir für das Gespräch.
Darf ich noch eine kleine Sache loswerden?
Na klar, schieß los!
Die Zeit der Bearbeitung meiner Thesis war für mich eine extreme, psychische Belastung und keinesfalls so gradlinig wie es vielleicht rüberkommen mag. Ich möchte gerne meiner Familie und Freunden danken, die mir über viele Monate hinweg sensationell den Rücken freigehalten haben und meinen betreuenden Professoren Marc Immel und Manfred Feyerabend, die neben ihren geäußerten, hervorragenden, fachlichen Expertisen zum Projekt, mir Mut zugesprochen haben, als ich zeitweise an meine Grenzen und ins Straucheln geraten bin. Dafür bin ich überaus dankbar!
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