Mehrere, ambitionierte Stadionprojekte im gesamten Berliner Stadtgebiet werden derzeit diskutiert. Ein möglicher Stadion-Neubau von Hertha BSC ist nur eines von mehreren Vorhaben. Was die Projekte eint, ist die ausgesprochen schwierige Umsetzung. 

Eines von mehreren Stadionprojekten, die in der Umsetzung äußerst mühsam sind: Der Plan von Hertha BSC, ein eigenes, reines Fußballstadion zu errichten. / © Visualisierung: HH Vision & Hertha BSC

© Visualisierung Titelbild: BLR Projektplan

 

Man kann nicht wirklich behaupten, dass der Berliner Senat ein ausgesprochener Freund von Sportstättenprojekten wäre. Im aktuellen, 149 Seiten starken Koalitionsvertrag werden dem Thema Sport immerhin vier Seiten gewidmet. Sehr konkret sind die dort enthaltenen Ausführungen jedoch nicht.

Betont wird die große Bedeutung des Vereins- und Schulsports und die Förderung dessen, genauso wie der Neubau und die Sanierung von Sportanalagen. Dass dies keine reinen Lippenbekenntnisse sind, zeigen Entwicklungsprojekte wie die Modernisierung des Sportforums Berlin in Hohenschönhausen, welches allerdings ein Projekt der Vorgängerregierung ist.

Sportprojekte sind im Koalitionsvertrag wenig konkret ausgeführt

Auch die Durchführung von Großveranstaltungen, namentlich werden die Special Olympics 2023 genannt, ist der Koalition einen Absatz wert. Einige der wichtigsten Aushängeschilder Berlins, die Bundesligisten im Profisport, werden allerdings lediglich mit drei Zeilen erwähnt.

Es ist diese halbherzige Haltung zur Förderung der infrastrukturellen Anforderungen des Berliner Spitzensports, die nicht nur seitens der Initiative Blau-Weißes Stadion kritisch gesehen wird. Diese hatte sich gewünscht, dass das intensiv mit der Politik diskutierte Thema “Stadion-Neubau für Hertha BSC” Teil des Koalitionsvertrages werden würde.

Dies ist nicht erfolgt. Und das Thema steht damit nicht allein, denn es gibt in der Stadt noch weitere, ähnliche Projekte, die ebenso zäh und mühsam vonstatten gehen. Dabei spielt auch der zweite Fußball-Bundesligist, der 1. FC Union – sportlich derzeit deutlich erfolgreicher als Hertha BSC – eine Rolle.

Wir geben einen Überblick über die derzeit laufenden Stadionprojekte in Berlin: 

Stadion-Neubau Hertha BSC

Die Vision von Hertha BSC: Ein eigenes Stadion im Olympiapark.
/ © Visualisierung: HH Vision & Hertha BSC

Vorschlag des Berliner Büros BLR Projektplan: Neubau des Stadions am Dreieck Funkturm. / © Visualisierung: BLR Projektplan

Es ist das vermutlich am intensivsten diskutierte Stadionprojekt der letzten Jahre und eines der zähesten Themen, die in Sachen Stadtentwicklung derzeit in Berlin behandelt werden – neben den Sanierungsprojekten ICC und Flughafen Tempelhof.

Dass Hertha BSC ein neues, privat finanziertes, reines Fußballstadion errichten möchte, ist längst bekannt. Der Verein würde das Stadion gern unweit der bisherigen Spielstätte, dem Olympiastadion, errichten.

Hertha favorisiert weiter den Standort Olympiapark

Bei der kürzlich durchgeführten Mitgliederversammlung präsentierte der Verein neue Visualisierungen eines möglichen Stadions an der Rominter Allee und bekräftigte dabei seinen Wunsch, den Olympiapark Berlin durch eine neue, moderne Sportarena sinnvoll zu ergänzen.

Im Zuge der bereits mehrere Jahre andauernden Diskussion wurden auch alternative Standorte gehandelt, wie der zwischenzeitlich vom Berliner Senat selbst vorgeschlagene Zentrale Festplatz unweit des ehemaligen Flughafens Tegel in Reinickendorf.

Kern der Diskussion ist die Standortfindung

Ein weiterer Vorschlag, der vom Berliner Büro BLR Projektplan eingereicht wurde, sah die Errichtung des Stadions unweit des Dreiecks Funkturm, auf der Fläche der ehemaligen Avus Nordkurve vor, auf der sich heute ein LKW-Parkplatz befindet.

Obwohl Hertha BSC weiter den Standort Olympiapark bevorzugt, ist es erstaunlich, dass der Vorschlag von BLR Projektplan in der Stadiondebatte verhältnismäßig geringe Beachtung fand. Denn die infrastrukturelle Anbindung an ein mögliches Stadion ist an dieser Stelle fast unschlagbar. Zudem gibt es durch die naheliegende Messe Berlin ausreichend Parkflächen. Auch  Anwohner würden durch den Neubau nicht gestört. Bernd Richter, Geschäftsführer des Büros, sieht in dem Ansatz ein Stadionkonzept, welches dem ebenfalls innerstädtischen Pariser Prinzenparkstadion ähneln würde.

Immerhin scheinen dem Vernehmen nach konstruktive Gespräche zwischen den Projektbeteiligten zu laufen, ohne regelmäßig ein öffentliches Statement zum Thema abzugeben. Die Initiative “Blau-Weißes Stadion” jedenfalls zeigt sich optimistisch, dass noch in 2022 ein geeigneter Standort gefunden werden kann. Man wird sehen.

Erweiterung des Stadions an der Alten Försterei

Stimmungsvoll, aber für die Ambitionen des 1. FC Union deutlich zu klein: Das Stadion an der Alten Försterei. Es verfügt über ein Fassungsvermögen von rund 22.000 Zuschauern.

Die sportliche Nummer eins der Stadt ist derzeit – bezogen auf die fußballerischen Leistungen – der Köpenicker Bundesligist 1. FC Union, der dem Stadtrivalen am vergangenen Mittwoch eine schmerzhafte Niederlage im Pokal-Achtelfinale zufügen konnte.

Rein sportlich gesehen geht es für den auch bundesweit sehr beliebten Verein aus dem Südosten der Hauptstadt seit rund zehn Jahren fast nur bergauf, und auch die wirtschaftliche Situation des Vereins hat sich – im Vergleich zu den schwierigen Zeiten in den 90er und 2000er Jahren – merklich stabilisiert.

Die “Alte Försterei” soll erweitert werden

Dass ein Stadion wie Die Alte Försterei mit einem derzeitigen Fassungsvermögen von 22.012 Zuschauern natürlich deutlich zu klein ist für einen so erfolgreichen und populären Verein, liegt auf der Hand. Daher hat der 1. FC Union bereits vor mehreren Jahren sein klares Interesse bekundet, die Kapazität des Stadions deutlich zu erweitern.

Drei der vier Tribünen sollen nach dem Wunsch des Clubs baulich erweitert werden, um die Kapazität auf 37.000 Plätze zu steigern. Das bereits vor mehreren Jahren kommunizierte Vorhaben ist jedoch stark ins Stocken geraten.

problematisch ist die Infrastruktur rund um das Stadion

Das Problem ist vor allem die Infrastruktur rund um das Stadion, die bereits heute bei Heimspielen des 1. FC Union stark überlastet ist. Union selbst hatte schon im Oktober 2018 einen ersten Verkehrskonzept-Entwurf vorgelegt, musste diesen aber bereits mehrfach überarbeiten. Er sieht den Bau einer neuen Straßenbahn-Wendeschleife vor, um den Besucherandrang abdämpfen zu können.

Die Gespräche mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und dem Bezirk Treptow-Köpenick laufen unvermindert weiter. Die Fertigstellung des anliegenden S-Bahnhofs Köpenick ist hierbei eines der zentralen Themen. Bei der Deutschen Bahn geht man nicht davon aus, dieses Projekt vor 2026 abschließen zu können.

Rund um das Stadion ist es schlicht und ergreifend zu eng, bereits heute. Rund 15.000 Zuschauer mehr pro Heimspiel sind aktuell schwer vorstellbar. Der Verein hatte bereits zum Sommer 2019 auf die Erteilung des Baurechts gehofft, dies ist jedoch bislang nicht erfolgt. Nun hofft der Verein auf den Abschluss des Bebauungsplanverfahrens zum Sommer 2022. Eine Tendenz ist derzeit schwer auszumachen.

Sport- und Inklusionspark Jahnsportpark

Sanierungsbedürftig oder abrissreif? Das Anfang der 50er Jahre errichtete Leichtathletik-Stadion im Jahnsportpark, die derzeitige Heimspielstätte von Viktoria Berlin.

Das Konzept für den Umbau des Areals Friedrich-Ludwig-Jahnsportpark stand eigentlich seit mehreren Jahren fest. Geplant war eine umfassende Neukonzeption des gesamten Areals, welches schon heute mehrere Fußball-, Tennis- und Basketballplätze sowie Lauf- und Freizeitflächen bietet.

Weitere, moderne und zudem barrierefreie Angebote sollten hinzukommen, die vor allem dem Vereins-, Schul- und Breitensport zugute gekommen wären. Teil des Konzepts war auch ein Abriss des sanierungsbedürftigen Jahnstadions. An seiner Stelle sollte ein Neubau mit gleicher Kapazität, rund 20.000 Plätze, entstehen.

Abriss und Neubau des Jahnstadions war bereits beschlossen

Ursprünglich war geplant, im neu errichteten Stadion die auch im Koalitionsvertrag erwähnten Special Olympic Games auszutragen, die 2023 in Berlin stattfinden werden. Dies hat sich längst zerschlagen, denn Anwohnerinnen und Anwohner kritisierten vor allem ein fehlendes Verkehrskonzept für das neue Stadion.

Das heute bestehende Jahnstadion, direkt angrenzend an den populären Mauerpark im Prenzlauer Berg, wurde Anfang der 50er Jahre errichtet und 1987 um eine vierstöckige Haupttribüne ergänzt. Mittlerweile ist das Stadion völlig überaltert, der Neubau war fertig  konzipiert.

Das Projekt wurde im März 2021 überraschend gestoppt

Aufgrund der massiven Widerstände wurde das Projekt im März 2021 dann überraschend gestoppt. Das Planungsverfahren wurde noch einmal neu justiert, mit völlig offenem Ausgang. Vor allem das Thema Stadion-Neubau wurde noch einmal gänzlich neu bewertet.

Drei mögliche Szenarien wurden dabei untersucht. Das erste Szenario ist das bisher geplante: Abriss des alten Stadions und Neubau an gleicher Stelle. Das zweite Szenario ist ein Umbau und eine Teilsanierung des bestehenden Stadions. Szenario drei mutet auf den ersten Blick besonders ungewöhnlich an. Dieses sieht den Neubau eines Stadions und die Sanierung und den Weiterbetrieb des bisherigen Stadions vor. Das neue Stadion wäre dann deutlich kleiner als das bisherige Stadion, welches 20.000 Zuschauer fasst.

Variante drei wurde mittlerweile ausgeschlossen. Eine Entscheidung, ob Variante eins oder zwei realisiert wird, sollte eigentlich noch vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im September 2021 fallen, was kurz vorher wiederum verschoben wurde auf die Zeit nach der Wahl.

Neue Prioritäten, neuer Zeitplan

Nach besagter Wahl gibt es einen neuen Senator für Stadtentwicklung – Andreas Geisel – und offensichtlich neue Prioritäten. Und demzufolge auch einen vollkommen neuen Zeitplan für das Projekt. Noch immer ist dabei nicht klar, ob das baufällige Leichtathletik-Stadion abgerissen und durch einen Neubau ersetzt oder doch noch saniert werden soll. Dies soll nun erst im Herbst 2022 – ein Jahr später als zuletzt kommuniziert – feststehen.

Immerhin soll der Stadion-Neubau respektive die Sanierung des Stadions innerhalb der laufenden Legislaturperiode – also bis 2026 – umgesetzt werden. Der Umbau des bestehenden Areals in einen „Inklusions-Sportpark“ wird bis 2026 hingegen überhaupt nicht umgesetzt, sondern – so lässt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung verlauten – erst anschließend. Die Gründe dafür wurden jedoch nicht näher erläutert.

Umbau des Areals in einen “Inklusions-Sportpark” wird vorerst nicht umgesetzt

Für die Befürworterinnen und Befürworter des Projekts ist dieser neuerliche Zeitplan ein herber Rückschlag. Denn die Erweiterung und Modernisierung des Areals um moderne und neue Sportanlagen hätte den Bewohnerinnen und Bewohnern rund um den Jahnsportpark zahlreiche neue, attraktive Sportmöglichkeiten geboten. Darauf muss nach jetzigem Wissensstand wohl bis zum Ende der 20er Jahre gewartet werden.

Der Berliner Senat sieht Berlin laut Koalitionsvertrag als eine “der weltweit führenden Sportmetropolen”. Das Konzept “Sportmetropole 2024” soll demzufolge weiterentwickelt und der Sportstandort Berlin gestärkt werden. Es wäre daher tatsächlich wünschenswert, die Umsetzung wichtiger und innovativer Sportprojekte schneller voranzutreiben, als das bislang der Fall gewesen ist. Andernfalls ist die Aussage im Koalitionsvertrag nicht mehr als eine hohle Phrase.

“Sport findet Stadt”: Umbau des Sportforums Hohenschönhausen
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Trabrennbahn Karlshorst: Bebauung des historischen Areals oder nicht?
Im Interview: Thomas Härtel im Interview zur Zukunft des Olympiaparks

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6 Comments

  1. Sven Baumbart 29. Januar 2022 at 10:11 - Reply

    “dass der Vorschlag von BLR Projektplan in der Stadiondebatte verhältnismäßig geringe Beachtung fand. Denn die infrastrukturelle Anbindung an ein mögliches Stadion ist an dieser Stelle fast unschlagbar.”

    Der Vorschlag war schon immer eine Luftnummer. Das Kreuz wird durch die neue Autobahn AG umgebaut, für ein Stadion ist da kein Platz und der Bund hätte dem auch nie zugestimmt.

    Es wäre grundsätzlich also wichtig, solche Luftnummern vorab mal zu hinterfragen, statt gewissen Planungsbüros in die Öffentlichkeit zu verhelfen.

    Zum Olympiapark, Hertha hat in der neuen Grafik schlichtweg die Genossenschaftsbauten weggelassen. Auch das hat mit der Realität nichts zutun. Und hier sieht man weiterhin Herthas Problemwelt und Ignoranz.

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