Die neue Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) lässt die Fußgängerzone in der Friedrichstraße in Berlin-Mitte zum 1. Juli räumen und öffnet die Straße erneut für den Autoverkehr. Die eilig durchgeführte Maßnahme soll bis zum Abschluss des im Herbst beginnenden Planungsverfahrens Bestand haben. Dieses Verfahren könnte jedoch auch etwas länger dauern, wie die Senatorin bereits jetzt ankündigt. Bis mindestens 2024 werden also wieder Autos durch die Friedrichstraße rollen.
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Text und Foto Titelbild: Björn Leffler
Das Hin und Her in der Friedrichstraße in Berlin-Mitte geht fröhlich weiter. Nachdem die mittlerweile aus dem Amt geschiedene, ehemalige Verkehrssenatorin Bettina Jarasch gemeinsam mit dem Bezirk Mitte die Friedrichstraße im Januar 2023 – kurz vor der Berliner Wiederholungswahl – erneut zur Fußgängerzone deklarieren ließ, dreht ihre Nachfolgerin den Spieß nun wieder um.
Manja Schreiner (CDU) hatte kürzlich angekündigt, die Friedrichstraße ab dem 1. Juli 2023 wieder für den Autoverkehr zu öffnen. Gleichzeitig verwies sie auf ein Planungs- und Beteiligungsverfahren, welches Klarheit über die zukünftige Gestaltung der Geschäftsstraße im Zentrum Berlins bringen soll.
Friedrichstraße: Ab dem 1. Juli 2023 wieder für Autos freigegeben
Wer die derzeit als temporäre Fußgängerzone gestaltete Friedrichstraße durchkreuzt, erlebt einen lebendigen und von vielen Fußgängern, Fahrradfahrern und Touristen genutzten Stadtraum, der trotz der rudimentären Mobiliargestaltung ausgesprochen belebt ist. Viele Restaurants und Cafés haben zusätzlich Tische und Stühle in den Außenbereichen aufgestellt.
Bettina Jarasch wollte aus der temporären eine dauerhafte Fußgängerzone machen und die Friedrichstraße im Zuge des Projekts womöglich auch mit dem fußgängerdominierten Areal rund um den benachbarten Gendarmenmarkt kombinieren, der derzeit modernisiert und umgebaut wird.
Manja Schreiner (CDU) kündigt ein ergebnisoffenes Planungsverfahren an
Manja Schreiner möchte sich da bislang überhaupt nicht festlegen und folgt damit der Linie ihrer Partei, der autofreundlichen CDU. Das Ergebnis des Beteiligungsverfahrens sollte aus ihrer Sicht offen sein und keine bestimmte Gruppe von Verkehrsteilnehmern bevorzugen.
Welche Verkehrsteilnehmer ihr aber offensichtlich etwas mehr am Herzen liegen als andere zeigt ihre Entscheidung, die erst kürzlich wieder mit Mobiliar ausgestattete Friedrichstraße noch vor Beginn der Sommerferien in eine vom Autoverkehr dominierte Straße zu verwandeln – obwohl die jetzige Friedrichstraße vor allem in den Sommermonaten zum Flanieren und Verweilen einladen würde, was vor allem die Gastronomen in der Straße freuen dürfte.
Schreiner: Planungsverfahren könnte länger andauern als vorgesehen
Aber Schreiner macht klar, welche Linie zukünftig in der Friedrichstraße gilt und macht deutlich, dass die Öffnung für den Autoverkehr keine kurzfristige sein wird. “Wenn wir im Herbst starten, können wir nächstes Jahr fertig sein. Aber es muss auch länger dauern dürfen“, betonte die Senatorin in einem Interview mit der Berliner Morgenpost.
Nicht der zeitliche Rahmen, den die Politik setze, sei entscheidend, sondern das, was die Diskussion ergebe. Indirekt schwört sie die Stadtbevölkerung somit schon einmal darauf ein, dass in den kommenden Jahren keine Fußgängerzone in der Friedrichstraße zu erwarten sein wird.
Der Bezirk Mitte muss sich den Vorgaben der Verkehrsverwaltung beugen
Der Bezirk Mitte hat auch öffentlich betont, dass die neuerliche Öffnung für den Autoverkehr nicht begrüßt wird – aber natürlich wird die Forderung der Senatsverkehrsverwaltung umgesetzt. Wie lange die Friedrichstraße wieder für den Autoverkehr freigegeben wird, ist nicht absehbar. Aber da der Diskussionsprozess erst im Herbst diesen Jahres beginnen wird, werden die Autos bis mindestens 2024 wieder durch die Friedrichstraße rollen dürfen.
Schreiner hatte die neuerliche Umwidmung der Friedrichstraße damit erklärt, für die sofortige Teileinziehung der Straße durch die zuvor grün geführte Verkehrsverwaltung keine Dringlichkeit gesehen zu haben. In dem künftigen Verfahren sollen neben der Verkehrsverwaltung auch die Stadtentwicklungsverwaltung, Anwohnerinnen und Anwohner sowie Gewerbetreibende beteiligt werden.
Schreiners Aktionismus erinnert bedauerlicherweise an Bettina Jarasch
Schreiner ist, zumindest öffentlich, um einen deeskalierenden Ansatz für ihre Verkehrspolitik bemüht. So betont sie gegenüber der Berliner Morgenpost: “Der Straßenraum ist begrenzt, so wie insgesamt der Stadtraum begrenzt ist. Das wird dazu führen, dass mal der eine Verkehrsteilnehmer von Entscheidungen und Gestaltung des Verkehrsraums profitiert, mal der andere.”
Warum die nun als Fußgängerzone derzeit offenbar funktionierende Friedrichstraße wieder leergeräumt und hektisch umgewidmet werden soll, anstatt sie bis zum Ende des Beteiligungsverfahrens so zu belassen, wie sie ist, wirkt wenig plausibel. In ihrem Aktionismus führt Schreiner damit leider den zuvor bei Amtsvorgängerin Jarasch so kritisierten Aktionismus fort, anstatt sich tatsächlich auf das Planungsverfahren zu konzentrieren.
Wie ergebnisoffen wird das Planungsverfahren tatsächlich geführt?
Mit der neuerlichen Öffnung für den Autoverkehr entsteht vielmehr der Eindruck, dass den autoaffinen Wählern der CDU ein Schmankerl präsentiert werden soll. Das Planungsverfahren hingegen, wie Schreiner selbst sagt, könne dann eben auch länger dauern als geplant. Da scheint der Termindruck merkwürdigerweise nicht ganz so hoch zu sein wie bei der Räumung der derzeitigen Fußgängerzone.
Es wird also bald wieder gebrummt in der Friedrichstraße, und – sobald die Sommerferien vorbei sind – aller Voraussicht nach bald wieder ordentlich im Stau gestanden. Denn die sehr enge Friedrichstraße mit ihrem begrenzten Verkehrsraum war für Autofahrer häufig mehr Staufalle als effiziente Straße für den Durchgangsverkehr.
Die CDU kassiert viele Projekte der Vorgängerregierung ein
Man sollte im Übrigen wenig überrascht sein, wenn am Ende des im Herbst startenden Beteiligungsverfahrens eine für Autos weiterhin offene Friedrichstraße steht, die in ihrer Gestalt in etwa so einfallslos aussehen wird vor der Umwidmung zur Fußgängerzone. Manja Schreiner hat in hohem Tempo klargemacht, wo ihre Prioritäten liegen.
Wie sich die Linie der CDU mit der geplanten Verkehrsberuhigung rund um den Checkpoint Charlie, der nur wenige hundert Meter nördlich in linearer Verlängerung der bald wieder geräumten Fußgängerzone in der Friedrichstraße liegt, bleibt abzuwarten. Aber vielleicht wird die CDU auch hier durchsetzen, dass sich der motorisierte Verkehr auch weiterhin durch die dichten Touristenströme quälen darf. Das wäre immerhin konsequent.
Wie bindend sind bisherige Beteiligungsverfahren?
Ob die CDU-geführte Senatsverkehrsverwaltung auch weitere Verkehrsprojekte im Bezirk Mitte – die Fahrradstraße in der Charlottenstraße oder die geplante Fußgängerzone am Hackeschen Markt – einkassieren wird, sollte nicht automatisch erwartet werden. Es wäre aber auch keine allzu große Überraschung.
Die CDU hatte, während sie noch in der Opposition saß, vor allem ein fehlendes Beteiligungsverfahren zur Friedrichstraße bemängelt. Dies soll es nun geben. Dass sich die derzeitige Regierung aber über die Ergebnisse anderer, aufwendiger und langjähriger Bürgerbeteiligungen wenig kümmert, zeigt das Vorgehen zur Neuplanung des Rathausforum-Areals.
Denn hier gibt es einen gesellschaftlichen Konsens, der ab dem kommenden Jahr umgesetzt werden sollte. Stattdessen werden CDU und SPD das Areal nun noch einmal komplett neu planen und ihre Vorstellungen durchsetzen. Sowohl am Rathausforum als auch in der Friedrichstraße bedeuten die zu erwartenden Neuplanungen vorerst weiteren, jahrelangen Stillstand und eine mögliche Rückbesinnung auf eine antiquierte, wenig nachhaltige Stadtentwicklungspolitik.
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Quellen: Berliner Morgenpost, Bezirksamt Mitte, Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, CKSA | Christoph Kohl Stadtplaner Architekten
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