Die anhaltende Krise der Bauwirtschaft ist auf dem Berliner Immobilienmarkt immer deutlicher zu spüren. Die hohen Bau- und Finanzierungskosten haben viele Baufirmen in finanzielle Schieflage geraten lassen. In der Hauptstadt sind mehrere Großprojekte davon betroffen.
© Fotos: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN
Text: Björn Leffler
Zu Beginn der Woche ließ der Wohnungsbaukonzern Vonovia wissen, dass er aufgrund der aktuellen Baukrise auf den Bau von deutschlandweit insgesamt 60.000 geplanten Wohnungen verzichte. Der Chef des größten privaten Wohnungsbauunternehmens Europas, Rolf Buch, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: “Bei uns liegen Planungen für insgesamt 60.000 Wohnungen in der Schublade.”
Laut Buch würde Vonovia “alles fertig bis zum Baurecht” vorbereiten und darauf “hoffen, dass sich Bauen bald wieder lohnt und rechnet“. Dann würde Vonovia “sofort wieder bauen“. Der Grund für die gestoppten Baupläne sind laut Vonovia die gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten.
Vonovia stoppt den Bau von deutschlandweit 60.000 Wohnungen
Zielmarke des Unternehmens seien zehn bis zwölf Euro Quadratmetermiete. Die Mieten für neue Wohnungen müssten nach Worten einer Unternehmenssprecherin aber wegen der hohen Kosten bei 20 Euro pro Quadratmeter liegen.
Ende September ist ein Wohnungsbaugipfel im Berliner Kanzleramt geplant. Die Bauindustrie fordert bereits im Vorfeld ein großes und historisch einmaliges Baupaket, um die drohende und bereits mehrere Jahre anhaltende Dauerkrise auf dem Baumarkt abzuwenden.
Auch Berlin ist von der Vonovia-Entscheidung betroffen
Auf den zahlreichen Berliner Baustellen wirkt sich diese Baukrise längst spürbar aus. Natürlich ist auch die Hauptstadt von der Vonovia-Entscheidung betroffen. Insgesamt handelt es sich in der Hauptstadtregion um ein Projektvolumen von rund 1.500 Wohnungen.
Der Bau dieser Wohnungen sollte in 2023 eigentlich beginnen und wurde nun nach hinten verschoben, auf unbestimmte Zeit. Gleichzeitig sind mehrere bereits laufende Bauprojekte – sowohl Wohn- als auch Gewerbevorhaben – ins Straucheln geraten.
Wohnprojekt “Upside Berlin” in Friedrichshain: Bau kommt kaum voran
Eines der prominentesten Wohnungsbauprojekte ist das Hochhausprojekt “Upside Berlin” im Mercedes-Benz-Quartier in Berlin-Friedrichshain. Bei den im Rohbau längst fertiggestellten Türmen, deren Sockelbauten bereits bezogen sind, geht es kaum oder nur äußerst langsam voran.
Bauarbeiter sind auf dem Gelände nur selten zu sehen. Dem Vernehmen nach hat das verantwortliche Bauunternehmen im August einen Insolvenzantrag gestellt. Was das für das Wohnungsbauprojekt bedeutet, bei dem ausschließlich Eigentumswohnungen entstehen, ist noch offen.
Steglitz: Bauprojekt “Überlin” ist längst zur Farce verkommen
Noch viel zäher gestaltet sich das seit Jahren in die Schieflage geratene Bauvorhaben “Überlin” an der Steglitzer Schloßstraße. Auch hier sollen Eigentumswohnungen in einem Hochhaus entstehen, allerdings soll dabei ein bereits bestehendes Gebäude umgewandelt werden.
Der geplante, 120 Meter hohe Wohnturm sollte eigentlich bis Ende 2024 rund 330 Wohnungen und verschiedene Läden im Sockelgebäude beherbergen. Doch fehlende Baugenehmigungen, Rücktritte von Kaufverträgen über Eigentumswohnungen und gerichtliche Auseinandersetzungen haben diesen Zeitplan längst in weite Ferne rücken lassen.
Steglitzer Kreisel: Ab Herbst 2023 sollen Arbeiten am Gebäudekern beginnen
Mit der ursprünglichen Planung hätte der neue Wohnturm wohl ein Wahrzeichen des Bezirks Steglitz-Zehlendorf werden können. Nun steht das Projekt vielmehr als Symbol für ein mittlerweile enorm ins Straucheln geratenes Bauvorhaben und einen Bauherrn – die Adler Group – der offenkundig mit großen finanziellen Problemen zu kämpfen hat.
Aber immerhin, das Projekt im Südwesten Berlins läuft noch, wenn auch langsam. Ab Herbst 2023 sollen nun die Maurer- und Stahlbetonarbeiten am Gebäudekern beginnen. Wie lange diese andauern sollen und wann mit einer vollständigen Fertigstellung des Projekts zu rechnen ist, war bislang jedoch nicht zu erfahren.
Projekt “FÜRST” am Kurfürstendamm: Seit Monaten ruht der Bau
Nichts tut sich derzeit hingegen auf einer der größten Baustellen der City West am Kurfürstendamm. Seit 2018 läuft der Umbau des ehemaligen Kudamm Karrees in Berlin-Charlottenburg, zukünftig soll das Areal den Namen “FÜRST” tragen.
Doch das Projekt scheint ins Stocken geraten zu sein, auf der Baustelle gibt es kaum noch Aktivitäten. Spekulationen über finanzielle Engpässe des Eigentümers haben seit Monaten die Runde gemacht. Ein Luxemburger Gericht soll nach Informationen des Handelsblatt am Freitag über eine beantragte Insolvenz für die Gesellschaft hinter dem Großprojekt verhandeln.
Ehemaliges Kudamm Karree: Droht in der City West eine jahrelange Bauruine?
Eigentümer des Areals ist das Unternehmen Aggregate, welches in Berlin auch schon sieben Gebäude im Quartier Heidestraße am Hauptbahnhof erst erworben und mittlerweile größtenteils wieder verkauft hat.
Martin Woelffer, Chef der Komödie am Kurfürstendamm, warnt vor einer dauerhaften Bauruine im westlichen Zentrum Berlins. Zudem ist sein Haus auf die Fertigstellung des Projekts angewiesen, da das Ensemble derzeit auf drei Ausweichstandorte verstreut ist und statt 350 nur 150 Aufführungen pro Jahr stemmen kann.
Martin Woelffer fordert Unterstützung vom Berliner Senat für Projekt “FÜRST”
Woelffer hofft daher auf politische Unterstützung. Der Berliner Morgenpost sagte er: “Ich bitte den Senat darum, sich mit den Investoren des Projektes an einen Tisch zu setzen und dafür zu sorgen, dass das Projekt nicht scheitert.”
Ein weiteres Großprojekt, welches von einem Baustopp betroffen ist, ist das Bauvorhaben “Elements” an der Michaelkirchbrücke in Mitte, an der Grenze zu Friedrichshain-Kreuzberg.
Bauprojekt “Elements” in Mitte: Derzeit wird nicht gebaut
Das Baufeld gehörte in diesem Gebiet zu den letzten Flächen mit direktem Zugang zur Spree, die noch nicht bebaut waren. Auf dem gut 5.500 Quadratmeter großen Gelände soll ein Gebäude mit bis zu neun Geschossen und 30.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche entstehen.
Das Projekt wird durch die Projektentwicklung Michaelkirchstraße in Berlin GmbH, einer Tochtergesellschaft der in Düsseldorf ansässigen Gesellschaft Development Partner umgesetzt. Das Unternehmen hatte bereits vor über einem Monat beim Amtsgericht Düsseldorf einen Insolvenzantrag gestellt und Eigenverwaltung beantragt.
Zu dieser Zeit hieß es allerdings noch, das im Bau bereits weit fortgeschrittene Projekt “Elements” sei von der Insolvenz vorerst nicht betroffen. Doch die hohen Baukosten haben auch hier dazu geführt, dass der Bau vorerst ruht. Derzeit sollen aber Gespräche über eine Nachfinanzierung des Projekts laufen – Ausgang offen.
Am Alexanderplatz tut sich am Alexander Capital Tower nur wenig
Ein weiteres prominentes Bauprojekt, welches lange still stand, ist der Alexander Capital Tower am Alexanderplatz. Am 11. März berichteten wir erstmals über die bekannt gewordenen Probleme beim Hochhausprojekt in Berlin-Mitte.
Denn das ehrgeizige Bauvorhaben, welches direkt neben dem Alexa auf einem nur 60 mal 25 Meter großen Baugrundstück umgesetzt wird, war ganz offensichtlich in Finanzierungsnöte geraten. Der Bau soll dennoch fortgesetzt werden, wie das verantwortliche Unternehmen, die Monarch Group, mitgeteilt hat.
Im August und September diesen Jahres waren erstmals seit Monaten wieder Bauarbeiter auf dem Gelände tätig, aber große Arbeiten oder gar Vorbereitungen für einen anstehenden Hochbau sind weiterhin nicht zu erkennen.
Insolvenz der Project Immobilien Gruppe: 16 Projekte in Berlin betroffen
Wie prekär die Lage der Immobilien- und Bauwirtschaft derzeit ist, zeigt auch die Insolvenz der Nürnberger Project Immobilien Gruppe. In der Metropolregion Berlin Brandenburg sind dadurch fast 20 größtenteils bereits laufende Bauprojekte betroffen, allein in Berlin sind es 16.
Der eingesetzte Insolvenzverwalter will nach eigener Auskunft aber den Fokus auf die Fortführung der Bauprojekte legen. Für die Projektbeteiligten ist die derzeitige Lage jedoch mehr als prekär.
Ob sich die Lage auf dem Baumarkt durch den geplanten Wohnungsbaugipfel im Kanzleramt spürbar verändern wird, ist eher nicht zu erwarten – jedenfalls nicht kurzfristig. Die Bauwirtschaft hat mit einer der größten Krisen ihrer Geschichte zu kämpfen. Für einige Berliner Bauprojekte ist eine Zukunftsprognose daher äußerst schwer zu stellen.
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Quellen: Immobilien Zeitung, Berliner Morgenpost, Architektur Urbanistik Berlin, RBB, Der Tagesspiegel, Deutsches Architektur Forum, ZDF, Funke Mediengruppe, Handelsblatt
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2. November 2024
Danke für diesen interessanten Überblick. Tja, die für die Baukrise ursächlichke Krisenkonvergenz steigender Energiepreise, Rohstoffpreise, Inflationsspirale haben die seit Jahren am Ruder befindlichen regionalen, nationalen und supranationalen politischen Akteure durch Ideologieprojekte, ideologisch bedingte Fehlsteuerungen und anschließende Verdeckungsmaßnahmen gesetzt. Und die Medien haben das breitflächig abgenickt. Da wird der Wohnungsbaugipfel im Kanzleramt nichts nützen, vermutlich wird man nur weitere Fehlanreize setzen.
[…] Zuge der Immobilienkrise sind auch in Berlin zahlreiche Bauvorhaben ins Stocken geraten, ruhende Baustellen sind im Stadtbild mittlerweile keine Seltenheit mehr. Die Projektverantwortlichen arbeiten jedoch weiter daran, die Bauvorhaben zum Abschluss zu […]