Gestern hat ein Werkstattverfahren zur zukünftigen Gestaltung des Molkenmarkts begonnen. Ziel ist es, die beiden prämierten Entwürfe der konkurrierenden Büros Albers sowie OS arkitekter weiterzuentwickeln. Es ist ein Duell der traditionalistischen gegen die moderne Architektur. Mit offenem Ausgang und vielen Diskussionspunkten.
Nachhaltiges und modernes Konzept: Der Entwurf von OS arkitekter zur Neugestaltung des Molkenmarkts / ©:OS arkitekter
© Titelbild: Albers Gesellschaft von Architekten
Es war keine gänzlich unerwartete Entscheidung, dass das Preisgericht, welches Ende November letzten Jahres über die eingereichten Wettbewerbsbeiträge diskutierte, den ersten Preis zur Neugestaltung des Molkenmarkts in Berlin-Mitte zweimal vergab.
Dieses Mittel wird mitunter genutzt, um zwei ähnlich stark bewertete Entwürfe nach einer weiteren Überarbeitung noch einmal gegeneinander antreten zu lassen – und dann schlussendlich einen Sieger zu küren. Und es ist häufig ein Zeichen dafür, dass sich die Jury in ihrer Entscheidungsfindung nicht ganz einig ist.
Zwei vollkommen unterschiedliche Entwürfe treten gegeneinander an
Die Wahl der zwei Entwürfe, die nun im Rahmen eines Werkstattverfahrens überarbeitet werden sollen, lässt durchaus darauf schließen, dass es in der Jury bislang keine Einigkeit darüber gibt, wie die zukünftige, architektonische Gestaltung des Molkenmarkts tatsächlich aussehen soll. Denn unterschiedlicher könnten die Entwürfe kaum sein.
Das dänische Büro OS arkitekter wählt einen radikal modernen Ansatz, um das zukünftige Molkenmarkt-Quartier zu gestalten. Vor der ästhetischen Gestaltung der Gebäude steht erst einmal der Grundgedanke, ein klimaneutrales und innovatives Viertel zu entwickeln, welches auf alternative Baustoffe und ein nachhaltiges Gebäudekonzept setzt.
Deutlich traditioneller kommt der Entwurf des Büros Bernd Albers daher, der sich stark an der historischen, geschlossen konzipierten Blockrandbebauung des einstigen Molkenmarktviertels orientiert.
Entscheidung soll bis November 2022 fallen
Eine endgültige Entscheidung soll im Laufe des Jahres fallen. Zunächst sollen die beiden Siegerbüros ihre Entwürfe auf der Grundlage der Jury-Empfehlungen überarbeiten, bevor sie im Februar in einer Werkstattsitzung öffentlich diskutiert werden. Nach einer weiteren Überarbeitungsphase folgt im April die zweite Werkstattsitzung. Danach entscheidet nach ihrer ersten Sitzung im November die Jury im Juli erneut.
Bei der Auftaktveranstaltung am Donnerstag war erstmals Berlins neue Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt (SPD) anwesend. Dass gerade sie auf Regula Lüscher folgt, wird von vielen Beobachtern als stadtpolitische Kehrtwende interpretiert, da Kahlfeldt einen deutlich stärkeren Bezug zu traditionalistischer Architektur aufweist als ihre Vorgängerin.
Ob dies einen Einfluss auf das Molkenmarkt-Werkstattverfahren haben wird, bleibt indes abzuwarten. Die Rolle Kahlfeldts ist nicht das einzige Thema des Wettbewerbs, was zu Diskussionen führt.
Ein großer Stadtplatz vor dem alten Stadthaus?
So schlägt Stadtplaner Carsten Joost, der in Berlin eine Planungsagentur für alternative Stadtentwicklung unterhält, die Errichtung eines großen, öffentlich zugänglichen Stadtplatzes vor dem alten Stadthaus vor, um den geschlossenen, blockhaften Charakter des Quartiers aufzulockern. Ein solcher Platz ist im Rahmenplan bislang nicht vorgesehen.
Durch eine minimale Korrektur sei ein maximaler Zugewinn an Aufenthaltsqualität zu erzielen, erklärt Carsten Joost. Der Planer entfernt aus einem der Siegerentwürfe (Büro Albers) einen Flügel des Neubaus vor dem Stadthaus und gewinnt dadurch einen großen, offenen und gut zugänglichen Stadtplatz.
Um einen Ort mit Anziehungskraft zu schaffen, müsse der Platz sich öffnen. Rund 5.000 Quadratmeter Gebäudefläche würde das kosten. Aber dafür böte die Korrektur Raum für Grün, zwei Pavillons mit Cafés und damit eben für die Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers und auch Touristen einen neuen attraktiven Treffpunkt.
Atelierhaus an der Klosterstraße: Abriss oder Erhalt?
Auch der Umgang mit dem Atelierhaus an der Klosterstraße 44 wird Teil der Diskussionen sein. Das Büro Albers möchte das ehemalige Fernmeldeamt Ost-Berlins abreißen. OS arkitekter wollen den Gebäuderiegel dagegen in ihr städtebauliches Konzept integrieren.
Für einen Erhalt spricht sich auch Andreas Otto, baupolitischer Sprecher der Grünen, aus und verweist auf den soeben erst beschlossenen Koalitionsvertrag: „Dort wollen wir einen Strategiewechsel weg von Abriss hin zum Erhalt und Umbau. Das gilt an allen Stellen der Stadt, an denen Abriss vorgeschlagen wird.“
WBM und DEGEWO werden das neue Quartier bauen
Es wird also noch viel Diskussionsstoff geben um das zukünftige Gesicht des Molkenmarkts. Unstrittig ist immerhin, wer das neue Viertel am neuen Molkenmarkt bauen wird. Es sind vor allem die landeseigenen Gesellschaften WBM und DEGEWO.
Auch sollen die Erdgeschosszonen für Gewerbe zur Verfügung stehen. „Wir wollen ein lebendiges Quartier, eine Nutzungsvielfalt, ein Kulturquartier und Nachhaltigkeit“, sagte die Juryvorsitzende Christa Reicher. Ende des Jahres werden wir wissen, wie das zukünftige Gesicht des Molkenmarkts aussehen wird.
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2. November 2024
Warum müssen denn Dänen Entwürfe vorlegen? Gibt es keine Architekten aus Berlin, die hier auch leben und sich vor ihren Kindern und Enkeln verantworten müssen für ihre Ideen? Wieso soll die ganze Fläche überhaupt aus einem Guss gestaltet werden statt kleinteilig gebaut?
Ich stimme dem Kommentar von “POD” voll und ganz zu: Warum wird das historische Zentrum der Hauptstadt nicht von lokalen Architekturbüros entworfen? Es ist doch ein unglaublich wichtiges Projekt – und warum nicht das machen, was Frankfurt gemacht hat, nur mit bezahlbaren Mieten? Berlins Regierung enttäuscht wieder einmal.
In einer globalen Welt, wird nationales Denken immer unwichtiger. Entweder ein Architektur hat einen guten Entwurf vorgelegt oder nicht.
Leistung entscheidet, nicht nationale Zugehörigkeit. Selbst das ist selbstverständlich nur die halbe Wahrheit. Teilweise sind es einfach auch Partnerschaften mit Ländern, die im Gegenzug dazu deutsche Architekten in Ihre Wettbewerben berücksichtigen.
Die beiden Kommentare wirken auf mich kleingeistig.
Ich sehe bei beiden Entwürfen nur die leider inzwischen überall stehenden eckigen, gesichts- und charmlosen Klötze mit Null Aufenthaltsqualität. Warum kann man nicht dort Häuser errichten, die mehr an die alte, ursprüngliche Bebauung gleich nebenan erinnern? Selbst die DDR hat das gleich nebenan beim Nikolai-Viertel hingekriegt. Heutzutage scheinen Architekten nur noch “quadratisch – praktisch – “gut”” zu können.
Wenn man das jetzt wieder durch einen Stadtplatz “auflockert” verliert es nur an Form und Charakter. Solche Plätze gibt es schon genug in Berlin z.B.am Alex und K.M.Forum, hier sollte man überschaubarer Geschlossenheit den Vorzug geben. Der vorhandene Plan ist eigentlich gut und wird jetzt von Leuten, die sich profilieren wollen in Frage gestellt.
Am Ende werden wir eine Art Ghetto auf mittelalterlichen Fundamenten inmitten von Hochbauten bekommen. Es fehlen bisher nur noch Pferdeställe.
Wer von den Stadtplanern u. Architekten wird dort wohnen (wollen)?
Wenn schon nicht verhinderbar, Vorschlag von Carsten Joost einplanen. Im Sinne von Durchlüftung, Grün. Leipziger Straße war bisher eine der schmutzigsten Stellen für Berlins Luft. siehe https://www.berlin.de/sen/uvk/umwelt/luft/luftqualitaet/luftdaten-archiv/#jahr2020. Am Molkenmarkt/Grunerstraße werden ähnliche Verkehrs- u. Luftaustauschverhältnisse geschaffen o. bestehen bereits. Nur nicht gemessen!
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