Mit der „Machtergreifung“ Adolf Hitlers 1933 kommen die Nationalsozialisten in Deutschland und Berlin an die Macht. Eine Zeit des Terrors, des Kriegs und gigantomanischer Bauprojekte beginnt. Adolf Hitlers und Albert Speers Pläne einer repräsentativen Reichshauptstadt mit Monumentalachsen und riesigen Prestigebauten beginnen das architektonische Berlin des 20. Jahrhunderts fundamental zu verändern.

Noch heute bestehendes Zeugnis der nationalsozialistischen Architektur: Das ehemalige Reichsluftfahrtministerium, heute Sitz des Bundesfinanzministeriums an der Wilhelmstraße in Berlin-Mitte. / © Foto: Wikimedia Commons, Bundesarchiv Bild

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Text: Stephanie Engler

Berlins historisches Zentrum

Teil 5 – 1933-1945 (1)

Die Architektur des Nationalsozialismus

Wie vieles andere wird auch die Architektur zur Zeit des „Dritten Reichs“ für die NS-Propaganda missbraucht. Denn sie bekommt die gesellschaftliche Aufgabe zugewiesen, die politischen Botschaften des Regimes zu transportieren.

Adolf Hitler selbst bezeichnet die nationalistische Architektur in dieser Zeit als das “Wort aus Stein“. Allerdings verfügen die Nationalsozialisten zu keiner Zeit über ein einheitliches architektonisches Programm, auch wenn die Monumentalbauten Speers in Berlin und Nürnberg darauf schließen lassen.

Die nationalsozialistische Alltagsarchitektur jedoch vermittelt ein ganz anderes Bild: Es gibt viele verschiedene Stilrichtungen, traditionell und modern, woraus sich letztlich drei vorherrschende Strömungen herausgebildet haben.

Der traditionalistische Stil

Ganz der Ideologie der Nationalsozialisten folgend orientierte sich der Wohnungsbau und der Bau von Siedlungen, Wehrmachtunterkünften sowie regionalen Verwaltungsgebäuden an der traditionalistischen Bauweise.

Diese Architektur knüpft an die 1914 entwickelte Heimatschutzarchitektur an, die sich an heimatlichen Motiven vergangener Zeiten und an einer vorwiegend bodenständigen Bauweise orientiert. Ein typisches Beispiel dafür ist die SS-Kameradschaftssiedlung, die 1938 und 1940 von Hans Gerlach in Zehlendorf errichtet wird – heute bekannt als Waldsiedlung Krumme Lanke.

Dieser traditionelle Zweig der nationalsozialistischen Architektur erlangt besonders auf dem Land und in kleineren Städten Bedeutung. Außerdem gilt er für den Bau vieler Heime der Hitlerjugend als Leitlinie.

Die heutige Waldsiedlung an der Krummen Lanke / © Foto: Wikimedia Commons, Bundesarchiv Bild

Der funktionalistische Stil

Das „Neue Bauen“ der Weimarer Republik endet nicht abrupt mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten, sondern wird in seiner Funktionalität und im Sinne der neuen Ideologie weitergeführt.

Denn auch unter dem neuen Regime gelten die Konstruktionen aus Stahl, Glas und Aluminium als modern. So soll trotz aller traditionalistischer Denkweisen innerhalb der Architektur auf die fortschrittliche Technik des neuen Zeitalters hingewiesen werden.

Architekten des Bauhauses und der Neuen Sachlichkeit bemühen sich zu Beginn des Nationalsozialismus noch um staatliche Anerkennung, doch viele scheitern. So wie Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe, die 1937 und 1938 Deutschland verlassen.

Das bekannteste Beispiel des funktionalistischen Stils wird zwischen 1936 und 1939 von Clemens Klotz auf Rügen errichtet: das KdF-Seebad Prora.

Der Bau des KdF-Seebads Prora, Ende der 1930er Jahre. / © Foto: Wikimedia Commons, Bundesarchiv Bild

Der monumentale Stil

Die monumentale Bauweise ist wohl der Stil, der den meisten Menschen auf Anhieb einfällt, sobald die Rede von nationalsozialistischer Architektur ist. Sie geht auf die Reformarchitektur vor und nach dem Ersten Weltkrieg zurück, ist nüchtern und von jeglichem Dekor befreit.

Die in der Zeit der Nationalsozialisten errichteten Verwaltungsgebäude zeigen überwiegend diesen Stil: glatte Oberflächen, kubische Grundformen, keinerlei Dekor. Ein typisches Beispiel ist die noch heute erhaltene Bebauung am Platz der Luftbrücke in Berlin-Tempelhof.

Der einzige Bauschmuck ist hier in den mächtigen Adlerreliefs an den Gebäudeecken zu finden, die additiv hinzugefügt wurden und nicht mit dem Gebäude verbunden sind. Dies ist ein typischer Zusatz der nationalsozialistischen Architektur.

Nationalsozialistische Architektur am Platz der Luftbrücke in Berlin-Tempelhof / © Foto: depositphotos.com

Die Hauptstadt des „Großdeutschen Reichs“

Mit der Annexion Österreichs 1938 wird Berlin Hauptstadt des „Großdeutschen Reichs“ und fortan besonders stark von der Zeit des Nationalsozialismus geprägt. Genau um diese Zeit beginnen die Pläne für den Umbau Berlins zur Reichshauptstadt.

Berlin soll Mittelpunkt eines Großgermanischen Weltreichs werden und mit den geplanten Monumentalbauten dem NS-Staat zur Repräsentation dienen – Architektur als Propagandamittel.

„Welthauptstadt Germania“

Die Pläne für die Umbauarbeiten werden bereits seit 1935 erarbeitet und erscheinen ab 1937 unter der Überschrift “Neugestaltung der Reichshauptstadt” in verschiedenen Medien. Im selben Jahr wird das Gesetz für die Neugestaltung deutscher Städte beschlossen, um den Bau juristisch durchzusetzen.

Albert Speer erhält von Hitler den Titel des Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt und somit umfassende Befugnisse, um auf Einwände der Berliner Stadtverwaltung keine Rücksicht nehmen zu müssen. Denn die Umsetzung der Pläne soll die bestehende Struktur Berlins nachhaltig zerstören.

Die direkten Bauarbeiten zur Umgestaltung der Hauptstadt mit dem Bau der zwei Monumentalachsen beginnen 1938. Sie werden noch bis 1943 fortgesetzt, können jedoch aufgrund der deutschen Kapitulation 1945 nie vollendet werden.

Ost-West-Achse

Von Wustermark, entlang der Charlottenburger Chaussee (Straße des 17. Juni) über den Großen Stern und Unter den Linden und entlang der Frankfurter Allee soll eine 50 Kilometer lange Ost-West-Achse verlaufen.

Das sieben Kilometer lange Teilstück vom Brandenburger Tor bis zum damaligen Adolf-Hitler-Platz (heute Theodor-Heuss-Platz) wird 1939 fertiggestellt. Dabei wird die Siegessäule vom Königsplatz (Platz der Republik) auf den Großen Stern versetzt und um siebeneinhalb Meter erhöht.

Zwischen dem östlichen und westlichen Autobahnring soll es zudem eine weitere Verlängerung der Trasse geben. Denn insgesamt sollen vier Ringe den Verkehr von den Achsen in die Stadt verteilen.

Am nördlichen Schnittpunkt im Spreebogen der beiden Monumentalachsen soll zudem die Große Halle, eine Kongresshalle und Machtdemonstration des Großdeutschen Reis, entstehen.

Ein Gipsmodell der “Großen Halle”, die im Zentrum Berlin entstehen sollte. / © Foto: Wikimedia Commons, Bundesarchiv Bild

Die Siegessäule an ihrem heutigen Standort am Großen Stern. Erst im Zuge der Planung für die Ost-West-Achse der “Reichshauptstadt Germania” wurde das Bauwerk an diesen Standort versetzt. Zuvor hatte es in unmittelbarer Nachbarschaft zum Reichstag gestanden. Im Zuge der Versetzung wurde die Siegessäule zudem um eine Trommel erhöht. / © Foto: Wikimedia Commons

Der heutige Kaiserdamm, der vom Theodor-Heuss-Platz bis zum Ernst-Reuter-Platz verläuft, ist ebenfalls ein Ergebnis der geplanten Ost-West-Achse für die “Welthauptstadt Germania”. / © Foto: Wikimedia Commons, A.Savin

Nord-Süd-Achse

Auf der 40 Kilometer langen Nord-Süd-Achse liegt das Hauptaugenmerk beim Umbau auf dem sechs Kilometer langen Kernstück – vom neuen Nordbahnhof im Südosten Moabits bis zum neuen Südbahnhof in Tempelhof.

Dieses Teilstück ist als 120 Meter breite Prachtstraße angedacht, an deren Seite alle wichtigen Reichs- und Parteibehörden sowie kulturelle Einrichtungen angesiedelt werden sollen.

Neben dem Nordbahnhof wird ein großes Wasserbecken geplant, in dem sich die Große Halle spiegeln sollte. Im Süden der Prachtstraße, nahe dem Südbahnhof ist ein Triumphbogen mit 117 Metern Höhe und 170 Metern Breite geplant. Er soll die im Ersten Weltkrieg gefallenen deutschen Soldaten ehren.

Die Monumentalachse ist als Siegesallee des III. Reichs geplant und soll den Plänen nach auf dem Großen Platz ihren Höhepunkt finden: ein Aufmarschplatz für bis zu einer Million Menschen, umgeben von der Großen Halle, dem Führerpalast, dem Großdeutschen Reichstag, dem Reichstagsgebäude, dem Dienstgebäude für das Oberkommando der Wehrmacht und dem Dienstgebäude der Reichskanzlei.

Ein Modell der geplanten “Welthauptstadt Germania” / © Foto: Wikimedia Commons, Bundesarchiv Bild

Verbliebene Bauten der NS-Zeit

Die meisten der geplanten Bauten und Projekte werden jedoch nie beendet, geschweige denn überhaupt begonnen und verwirklicht. Nur einige wenige Reste der nationalsozialistischen Architektur lassen sich heute noch im Berliner Stadtgebiet finden.

Das Olympiastadion Berlin

Schon vor der „Machtergreifung“ 1933 werden die elften Olympischen Sommerspiele an Berlin vergeben, im Jahre 1931. Daher wird von 1934 bis 1936 das Olympiastadion mit einem Fassungsvermögen von 100.000 Zuschauern nach Plänen des Architekten Werner March errichtet.

Das Olympiastadion ersetzt das ehemalige Deutsche Stadion und soll nach den Spielen ein Teil der Hochschulstadt werden. Wie der Flughafen Tempelhof war das Stadion allerdings kein Teil der Germania-Planung von Hitler und Speer, passte aber in seinen Ausmaßen in die Vorstellungen der Nationalsozialisten.

Das Berliner Olympiastadion während der Olympischen Spiele 1936. / © Foto: Wikimedia Commons, Bundesarchiv Bild

Das ehemalige Reichsluftfahrtministerium

Mit dem Bau des ehemaligen Reichsluftfahrtministeriums wird das Regierungsviertel an der Wilhelmstraße dem nationalsozialistischen Geist unterworfen. Für die Errichtung wird ein ganzer Straßenzug abgerissen.

Zwischen 1935 und 1936 wird das Gebäude nach Plänen vom Architekten Ernst Sagebiel errichtet. Ganz im Sinne der monumentalen Architekturrichtung der Nationalsozialisten weist der Bau eine glatte und schmucklose Fassade, streng axiale Bezüge sowie gleichmäßig aufgereihte Fenster auf. Heute dient das Gebäude als Sitz des Bundesfinanzministeriums.

Eine Aufnahme des ehemaligen Reichsluftfahrtministeriums aus dem Jahr 1938. / Foto: Wikimedia Commons, Bundesarchiv Bild

Der ehemalige Flughafen Tempelhof

Der ehemalige Tempelhofer Flughafen wird 1935 vom Architekten Ernst Sagebiel neu entworfen. Er ist zwar kein Teil der Germania-Planung, dennoch sind die Bauten des Flughafens ein Beispiel für die Verschmelzung des monumentalen und funktionalistischen Stils der Nationalsozialisten.

Zum Ende des Zweiten Weltkrieges ist der Flughafen erstaunlicherweise nicht betriebsbereit. Der Ausbau der teilweise unvollendeten oder durch den Krieg zerstörten Teile dauert bis 1962 an. Heute wird das ehemalige Flughafengelände zur Freizeitgestaltung von der Öffentlichkeit genutzt. Ein sinnvolles Nutzungskonzept für die riesigen Hangarhallen wurde bislang allerdings nicht gefunden.

Der ehemalige Flughafen Tempelhof heute. Das Gebäude ist stark sanierungsbedürftig, das Rollfeld wird längst als öffentliche Parkfläche genutzt. / © Fotos: depositphotos.com

Bunkerbauten

Einige Bunker, die im Laufe des Zweiten Weltkrieges erbaut werden, lassen sich noch im heutigen Berliner Stadtbild finden. Darunter fallen unter anderem der Flakbunker im Volkspark Humboldthain im Ortsteil Gesundbrunnen, der 1941/42 erbaut wird. Als einziger der drei Flaktürme Berlins ist er zumindest teilweise erhalten geblieben.

Noch heute zum Teil erhalten: Der ehemalige Flakbunker am Volkspark Humboldthain. / Foto: Wikimedia Commons

Außerdem steht im Bezirk Friedrichshain in der Revaler Straße nach wie vor der zylindrische Luftschutzbunker des Reichsbahn-Ausbesserungswerks. Er wird 1940 nach einem Patent von Paul Zombecks (1937) erbaut. In Berlin-Mitte ist zudem der 1942 für die Reichsbahn errichtete Luftschutzbunker in der Albrechtstraße Ecke Reinhardtstraße zu finden.

Früher Luftschutzbunker, heute Kletterwand: Der zylindrische Bunkerbau auf dem RAW-Gelände in Berlin-Friedrichshain. / Foto: Wikimedia Commons

Die Architektur des Nationalsozialismus repräsentiert natürlich nur einen Bereich der Architekturgeschichte Berlins während der Jahre zwischen 1933 und 1945.

In der zweiten Betrachtung dieser Epoche, die unter dem Titel “Die zerstörte Hauptstadt” erscheinen wird, schauen wir vor allem auf die schweren Schäden, die im Stadtbild Berlins während des Zweiten Weltkriegs angerichtet werden und das Bild und die Geschichte der Stadt nachhaltig verändern.

 

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