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Jede Zeit baut ihre Stadt.

Artikelreihe: Berlins historisches Zentrum, Teil 2: 1808-1848

Unser erster Artikel zu Berlins stadthistorischer Entwicklung endete mit der französischen Besatzungszeit. Nun stehen der preußischen Hauptstadt bewegte Jahre zwischen klassizistischen Prachtbauten des Adels, industriellem Pragmatismus des Bürgertums und revolutionären Strömungen des Proletariats bevor: Vierzig Jahre, die das architektonische Stadtbild Berlins noch bis heute zeichnen.

Perspektivische Ansicht der Bauakademie, Zeichnung von Karl Friedrich Schinkel, 1833

Text: Stephanie Engler

Berlins historisches Zentrum

Teil 2 – 1808-1848

Eine Stadt zwischen den Revolutionen der Zeit

Das 19. Jahrhundert steht architektonisch ganz im Sinne des Klassizismus. Da macht auch Berlin keine Ausnahme. So hat auch der wohl bekannteste Architekt dieser Zeit, Karl-Friedrich Schinkel, maßgeblich die Architektur des historischen Stadtkerns geprägt. Seine über 20 Berliner Bauten sind noch heute im gesamten Stadtgebiet zu finden.

Eines seiner bekanntesten Gebäude außerhalb des Klassizismus ist die von 1824 bis 1831 errichtete Friedrichswerdersche Kirche am Werderschen Markt. Sie entstand als Auftragsbau des Kronprinzen im neugotischen Stil mit unverputzter Klinkerfassade und war zudem der erste Sichtziegel-Sakralbau seit dem Mittelalter.

Perspektivische Ansicht der Friedrichswerderschen Kirche, Schinkelzeichnung, 1826

Berlin zwischen adligem Klassizismus und industrieller Modernität

Einer von Schinkels innovativsten Bauten ist das bis 1829 mit Peter Beuth gemeinsam errichtete Gewerbeinstitut Berlin in der Klosterstraße. Es gilt zu der Zeit mit seinen gusseisernen Stützen, seiner eher schlichten Fassade mit Pilastern und großen Fensterflächen als geradezu revolutionär.

Die Bauakademie am Schinkelplatz, die in den Jahren 1832 bis 1836 von Emil Flaminius erbaut wird, gehört ebenfalls zu den zukunftsweisenden Gebäuden Schinkels. Der funktionale, schlichte und modulare Bau verfügt wie die Friedrichswerdersche Kirche über eine Klinkerfassade und viele kunstvolle Reliefplatten aus Terrakotta. Schinkels Bauakademie beeinflusst die Architektur bis hin zum Bauhaus und soll in den kommenden Jahren an gleicher Stelle wieder aufgebaut werden.

Das Alte Museum von der Schlossfreiheit aus, Gemälde von Johann Heinrich Hintze, 1832

Dennoch ist die Architektur der Zeit vorrangig klassizistischer Natur. So schafft Schinkel zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf der heutigen Museumsinsel ein repräsentatives Bauensemble des Klassizismus: Er beginnt mit dem Umbau des barocken Berliner Doms, indem er das innere (1816/1817) und äußere Erscheinungsbild (1820/1821) an eine schlichtere Variante des klassizistischen Stils anpasst. 1825 folgt der Bau des Alten Museums am Lustgarten, dessen Neugestaltung von Peter Joseph Lenné ebenfalls auf Schinkels Vorstellungen zurückgeht.

Des Weiteren gehört das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt zu den Schaffenshöhepunkten Schinkels und ist eines der Hauptwerke des deutschen Klassizismus. Der Architekt errichtet es zwischen 1818 und 1821 fast völlig neu, nachdem der Vorgängerbau 1817 vollständig ausbrennt. Auflagen zwingen Schinkel dazu, für den Neubau Teile des abgebrannten Theaters wiederzuverwenden: Die Fundamente, Teile des Mauerwerks und die Säulen des Portikus vor dem Haupteingang stammen daher von Carl Gotthard Langhans.

Die dreibogige Schloßbrücke (1821-1824), die das Brandenburger Tor und den Boulevard Unter den Linden mit dem Berliner Schloss verbindet, stammt ebenfalls von Schinkel. Allerdings finden sich seine auffälligsten Bauten innerhalb der klassizistischen Architektur im Forum Fridericianum.

Entwurfszeichnung von Karl Friedrich Schinkel für das Königliche Schauspielhaus

Das Forum Fridericianum als Gedenkstätte Friedrichs des Großen

Kronprinz Friedrich Wilhelm strebt zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Umgestaltung des Forum Fridericianum zur Denkmalsanlage für Friedrich den Großen an. Daher betraut er seinen Lieblingsarchitekten mit etlichen Aufträgen, um das Forum und die dazugehörigen Gebäude entsprechend zu gestalten.
So wird 1810/1811 das Prinzessinnenpalais von Schinkel und Heinrich Gentz im Stil des Klassizismus erweitert.

Gentz erweitert das Palais durch einen Kopfbau bis zur Prachtstraße Unter den Linden. Schinkel verbindet das Palais mit dem Kronprinzenpalais mittels eines Schwibbogens. Einige Jahre später errichtet Schinkel die Neue Wache (1816-1818), die als Wachgebäude für das gegenüberliegende Kronprinzenpalais und Gedenkstätte für die Gefallenen der Befreiungskriege gegen Napoleon dient.

Er bleibt jedoch nicht allein verantwortlich, denn seine Pläne, die Alte Bibliothek und das Alte Palais im Zuge der Umgestaltung abzureißen, stoßen auf großen Widerstand. Daher übernimmt Carl Ferdinand Langhans den Auftrag und wandelt das Alte Palais im Stil des Klassizismus um (1834-1837).

Kaiser-Wilhelm-Palais, heute Altes Palais, um 1900

Das Prinz-Heinrich-Palais bleibt als einziges Gebäude des Forum Fridericianum von größeren Eingriffen verschont und wird 1810 lediglich zum Universitätsgebäude der Berliner Universität, der späteren Humboldt Universität, umgewandelt. Zwischen 1836 und 1846 wird daher allein das Innere an die Ansprüche der Universität angepasst.

Die Auswirkungen der industriellen Revolution auf das StadtBild Berlins

Prachtbauten allein spiegeln die Veränderungen der preußischen Hauptstadt im 19. Jahrhundert jedoch nicht wider. Denn das wirtschaftliche Wachstum lässt Firmengebäude und Mietskasernen gleichermaßen aus dem Boden Berlins schießen.
So legt August Borsig 1837 an der Chausseestraße in Wedding den Grundstein für seine Maschinenfabrik. Sie gehört neben Siemens 1847 zu vielen noch folgenden Industriebetrieben, die sich in Berlin niederlassen (Schwartzkopff 1852, Schering 1864, AEG 1883).

Mit dem Wachstum der Industrialisierung und den sich ansiedelnden Firmen entstehen etliche, neue Wohnhäuser. Erste Vorläufer der Berliner Mietskasernen sind die sogenannten von Wülcknitzschen Familienhäuser, die 1822 von Baron Heinrich Otto von Wülcknitz in der Gartenstraße vor dem Hamburger Tor errichtet werden. In sechs Häusern auf vier bis fünf Etagen (426 Einzelräume, 21 Quadratmeter, je zwei Fenster) wohnen bis zu 3.200 Personen.

Diese Überbevölkerung führt zwangsläufig zu Elend und Missständen. Nicht wenige Mietskasernen Berlins bieten zu dieser Zeit ein ähnliches Bild. Doch die von Wülcknitzschen Familienhäuser sind das bekannteste Beispiel für das klägliche Leben der Arbeiterklasse im 19. Jahrhundert.

Borsigs Maschinenbau-Anstalt an der Chausseestraße, Gemälde von Karl Eduard Biermann, 1847

Zwei der prominentesten Erholungsstätten Berlins entstehen

Berlin als preußische Hauptstadt ist somit ein Sinnbild für den Zwiespalt adliger Pracht und industriellem Fortschritt. Doch die Menschen aller Schichten verlangen nach Erholung. So eröffnet 1844 am südwestlichen Ende des Großen Tiergartens der erste Zoologische Garten Deutschlands. Sein Vorläufer ist die Menagerie König Friedrich Wilhelms III. und seiner Frau. Martin Hinrich Lichtenstein, königlicher Berater, gestaltet die Menagerie zusammen mit Alexander von Humboldt und Joseph Peter Lenné zum Zoologischen Garten um. Bis 1900 ist er der größte Tierpark der Welt.

Schon zwei Jahre danach entsteht auf einem ehemaligen Weinbergsgelände das östlich gelegene Gegenstück: der Volkspark Friedrichshain. Im dicht besiedelten Stadtteil ist er der erste kommunale Park Berlins und wird anlässlich des Thronjubiläums Friedrichs II. errichtet. 1848 wird die Erholungsstätte für alle Stände offiziell eröffnet und spielt zum Ende der Märzrevolution noch eine tragische Rolle.

Der Berliner Barrikadenkampf im März 1848

Im Zuge der Märzrevolution bricht in Berlin die bürgerlich-demokratische Revolution aus. Ausgelöst durch soziale Not und  Einschränkungen politischer Freiheiten begehren Berliner Einwohner am 18. März 1848 auf, errichten Barrikaden und liefern sich mit den preußischen Soldaten Straßenkämpfe.

Die tragischen Auswirkungen der Berliner Barrikadenkämpfe tragen beide Seiten gleichermaßen. Die 183 zivilen Opfer werden am 22. März auf dem Friedhof der Märzgefallenen im Volkspark Friedrichshain beerdigt. Auf dem Lindenberg, der damals höchsten Erhebung, werden die Verstorbenen der aufständischen Seite in dem noch im Aufbau befindlichen Park bestattet. Die gefallenen Soldaten werden am 24. März jedoch auf dem Invalidenfriedhof in Berlin-Mitte beerdigt, da das Militär die Leichen für die Beisetzung im Volkspark nicht zur Verfügung stellte.

Barrikade nach Kämpfen in der Breiten Straße, gemalt von Eduard Gaertner

Noch heute gibt es im gesamten Berliner Stadtgebiet zahlreiche Gedenktafeln und Erinnerungsorte, die an die Aufstände von 1848 erinnern. Dazu gehören unter anderem die Breite Straße Ecke Gertraudenstraße, die Rathausstraße, der Alexanderplatz, der Strausberger Platz, der Gendarmenmarkt sowie die Roßstraßenbrücke. Auf der Friedrichstraße wurden drei Gedenktafeln (Ecke zur Kronenstraße, zur Oranienburger Straße und zur Taubenstraße) angebracht. Zwei Tafeln finden sich an der Oberwallstraße (Ecke zur Französischen Straße und zur Jägerstraße).

Der im Jahr 2000 umbenannte Platz des 18. März westlich vom Brandenburger Tor dient als weiterer Erinnerungsort der tragischen Vorkommnisse im März 1848 (ehemals Platz vor dem Brandenburger Tor).

 

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