Ein klar umrissenes Konzept, wie es mit dem ehemaligen Flughafen Tempelhof weiter gehen soll, steht noch immer aus, denn Berlin fehlt das Geld für eine großflächige Sanierung. Nun schlägt die FDP vor, die Modernisierung des Gebäudes in Kooperation mit privaten Investoren durchzuführen. Der historische Flughafen soll dabei nur eines von vielen, möglichen Projekten sein.
Text: Stephanie Engler
Die Berliner FDP-Fraktion sorgt sich ganz offensichtlich um die Hauptstadt-Infrastruktur. Denn aus kürzlich abgeschlossenen Beratungen über den Doppelhaushalt 2022/23 geht hervor, dass sich das Land Berlin die Sanierung dieser Infrastruktur nicht leisten könne – oder nur in sehr kleinen Schritten.
Dem Senat mangele es an Geld und Ressourcen. Die explodierenden Baukosten und steigenden Zinsen verschärfen das Problem, dass öffentliche Gebäude, Straßen und Brücken nicht saniert werden können. Laut Sibylle Meister, FDP-Finanzexpertin, müssten große Projekte durch private Investoren unterstützt werden. So könne auch das Bauen an sich wieder beschleunigt werden.
Flughafen Tempelhof in Erbpacht?
Für das Sanierungsproblem und die neue Strategie hat sich die FDP dabei ein prominentes Beispiel ausgesucht: “Wir sollten das Tempelhofer Flughafengebäude in Erbpacht für 99 Jahre an einen Privaten vergeben“, sagte Meister der Berliner Morgenpost. So könnten neue Ideen und Nutzer gewonnen werden. Durch private Entwickler könnte schneller geplant und gebaut werden als in öffentlichen Händen. Das Grundstück soll jedoch bei der Stadt bleiben.
Im Interview mit ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN hatte Jutta Heim-Wenzler, Geschäftsführerin der landeseigenen Tempelhof Projekt GmbH, eingeräumt, dass das riesige Flughafengelände mit öffentlichen Mitteln nur in kleinen Schritten saniert werden kann: “In den vergangenen Jahrzehnten wurden keine Investitionen in den baulichen und zukunftsfähigen Erhalt des Gebäudes getätigt. Der Sanierungsstau ist gewaltig. Eigentlich muss jede Fläche, jeder Quadratmeter Fassade und jedes Dach angefasst werden. Das geht natürlich nicht alles auf einmal, sondern wird weit mehr als 20 Jahre in Anspruch nehmen.”
der Flughafen soll eigentlich für kulturelle Zwecke genutzt werden
Bisher sitzen im Komplex des ehemaligen Flughafens die Berliner Polizei, eine private Hochschule und diverse Büronutzer. Die Hallen werden weitgehend für Veranstaltungen genutzt. In einem der insgesamt sieben Hangars lagern Sachspenden für die Ukraine.
Zurzeit wird noch über den Einzug des Alliierten-Museums aus Dahlem in einen Hangar diskutiert. Auch das Technikmuseum hat seinen Bedarf längst angemeldet. Der Koalition schwebt bisher also grundsätzlich nur eine Nutzung für kulturelle Zwecke vor, aber wirklich Konkretes wurde bislang noch nicht bekannt gegeben.
Die Sanierungskosten liegen bei 2 Milliarden Euro
Wie die Stadt nun aber künftig mit dem 1,2 Kilometer langen Gebäude umgehen soll, weiß selbst der Senat nicht. Meister beklagt: “Wir lassen private Interessenten nicht ran und das Gebäude verfällt von Jahr zu Jahr weiter“. Die Tempelhof Projekt GmbH konnte zudem im letzten Jahr die Kosten für eine Sanierung des Objekts nennen: Um den historischen Terminal wirklich wieder herzurichten, werden bis zu zwei Milliarden Euro benötigt.
Berücksichtig man die zahlreichen weiteren Immobilien, die noch instand gesetzt werden müssen – Stichwort ICC – entsteht schnell der Eindruck, dass sich das Land Berlin die Sanierung der eigenen, teilweise historischen Liegenschaften gar nicht leisten kann, selbst wenn es gern möchte.
Kann Berlin sich die Sanierung überhaupt leisten?
Hinzu kommen marode Schulen, Universitätsinstitute oder Behördengebäude, um nur einige wenige, dringende Beispiele zu nennen. Die Sanierungsliste ist lang, der Handlungsbedarf hoch. Aber der finanzielle Spielraum ist ausgesprochen gering.
Nun hat die Koalition die Absicht geäußert, jährlich 50 Millionen Euro in die Immobilie Flughafen Tempelhof zu investieren. Es sollen vorerst lediglich notwendige Reparaturen vorgenommen und ein paar neue Akzente wie Dachterrassen und Aussichtspunkte gesetzt werden.
FDP möchte Vorurteile gegenüber privaten Investoren ausräumen
Sibylle Meister und Tobias Bauschke kennen die Vorbehalte, die die Koalition gegenüber Kooperationen mit privaten Investoren hat. In der Vergangenheit wurden oft negative Erfahrungen gemacht, indem die Investoren Gewinn machten und die öffentliche Hand das Risiko trug.
Meister “verstehe die Vorsicht bei jedem Modell einer Public-private-Partnership. Aber vielleicht sind wir ja in den letzten 20 Jahren schlauer geworden und können bessere Verträge aushandeln“. Bauschke betont zudem, dass Berliner Investoren, die Verantwortung für ihre Stadt übernehmen wollen, sicher zu finden seien und priorisiert behandelt werden könnten. In Bayern sei es laut Bauschke üblich, dass privates Kapital für den Bau von Hochschulen genutzt werde. So könnten Private, die nach Anlagemöglichkeiten suchen, in Sanierungsprojekte einbezogen werden.
Das FDP-Modell sollte vom Senat nicht ignoriert werden
Wie die Regierungskoalition auf den FDP-Vorstoß reagiert, wurde öffentlich bislang nicht bekannt. Die Argumente der FDP sind, berücksichtigt man den immensen Berg an Sanierungsaufgaben, durchaus diskussionswürdig. Zudem ist das historische Flughafengebäude nur ein Beispiel.
Auch für andere Modernisierungsprojekte wäre die Beteiligung privater Investoren ein gangbares Modell – wenn entsprechende Rahmenbedingungen vereinbart werden, die für beide Seiten als gewinnbringend erachtet werden können. Der Ball liegt nun beim Berliner Senat. Mal sehen, ob er ihn aufnimmt.
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Quellen: Berliner Morgenpost, ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN, Tempelhof Projekt GmbH
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