Verkehrssenatorin Bettina Jarasch hat den Abschlussbericht zum autofreien Abschnitt auf der Friedrichstraße in Berlin-Mitte vorgestellt. Gleichzeitig präsentierte sie Visionen für die geplante Fußgängerzone, die zwischen Leipziger Straße und Französischer Straße entstehen soll.
© Visualisierungen: Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz / BloomImages
Erst am vergangenen Freitag hatten wir über die Pläne der Verkehrsverwaltung berichtet, die Friedrichstraße in Berlins Mitte zukünftig dauerhaft in eine Fußgängerzone zu verwandeln und den Fahrradverkehr in die parallel verlaufende Charlottenstraße zu verlegen.
Verkehrssenatorin Bettina Jarasch bestätigte diese Berichte in ihrem Abschlussbericht zum Verkehrsprojekt in der beliebten Einkaufsstraße. Und sie betonte dabei, dass auch die Kritik an dem Projekt, welches seit August 2020 durchgeführt wurde, berücksichtigt werden solle.
Der vielfach kritisierte radverkehr wird aus der Friedrichstraße verschwinden
Jarasch erläuterte den Anrainern ein Verkehrskonzept, das als Grundlage für die nun folgenden, weiteren Planungen dienen soll. Die sicherlich größte Veränderung: Der Radverkehr, der derzeit noch über den gelb markierten Streifen in der Mitte der Straße führt, soll gänzlich aus der Friedrichstraße verschwinden. Die Charlottenstraße hingegen soll zur Fahrradstraße umgebaut werden.
Jarasch betont aber: “Das bedeutet nicht, dass dort keine Autos mehr fahren dürfen, aber sie sollen nur noch Gast sein.” Anwohner- und Lieferverkehr soll aber auch zukünftig möglich sein. Der Kfz-Verkehr soll das Gebiet über die Wilhelmstraße, Leipziger Straße und Glinkastraße umfahren.
Indem sie die Charlottenstraße zur Fahrradstraße erklärt, begegnet die Senatsverwaltung einem der größten Kritikpunkte an dem Projekt. Mit der Folge, dass sich der Charakter der Friedrichstraße zukünftig vollkommen verändern wird.
Bei Passanten wurde das Projekt überwiegend positiv aufgenommen
Jarasch gab im Rahmen der Präsentation Einblicke in die Befragung von Passanten, die zwischen August 2020 und Oktober 2021 durchgeführt wurde. Die Befragung ergab, dass die meisten Passanten (15 Prozent) zum Einkaufen zur Friedrichstraße kommen, gefolgt von Arbeit und Spazierengehen (beide 13 Prozent) und Gastronomie (10 Prozent).
Mehr als 70 Prozent der Passanten bewerteten demnach die Flaniermeile als “gut“, und sogar mehr als 80 Prozent würden eine dauerhafte Verkehrsberuhigung begrüßen. Die meisten Befragten hätten sich allerdings gewünscht, dass der Fußgängerverkehr mehr betont wird.
Schadstoffbelastung ist gesunken
Ein weiterer, positiver Nebeneffekt sei das Absinken der Luftschadstoffbelastung im Bereich der autobefreiten Friedrichstraße. Funktionierende Lösungen brauche es derzeit aber noch für Nachtbusse, Schienenersatzverkehr und den Zulieferungsverkehr.
Die neuen Regelungen sollen schnellstmöglich angewandt werden, derzeit läuft das sogenannte Teileinziehungsverfahren, das den Straßenabschnitt für bestimmte Verkehre schließen soll.
Gestaltungswettbewerb für Fußgängerzone wird ausgeschrieben
Um die Friedrichstraße dauerhaft in eine Fußgängerzone umzugestalten, soll ein Gestaltungswettbewerb ausgeschrieben werden. Dies soll den arg provisorischen Charakter des Projekts in eine städtebaulich attraktivere Umgebung verwandeln.
Eine Ideenskizze zeigt den Straßenabschnitt mit Bäumen, Pflanzenkästen, Liegestühlen und Springbrunnen. “Mein Wunsch ist eine Piazza, so wie man sie aus Italien kennt“, sagte Jarasch. Uneingeschränkte Zustimmung zum bisherigen Projekt gibt es aber nicht auf allen Seiten.
Gewerbetreibende kritisieren das Projekt
Vor allem Gewerbetreibende kritisierten das Projekt. Gerrit Buchhorn, Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands Berlins, bemängelte die Untersuchungen als nicht repräsentativ: “Die nächsten Schritte müssen wohlüberlegt sein und nicht an den Gewerbetreibenden vorbei.”
Das Aktionsbündnis Rettet die Friedrichstraße, in dem einige Händler organisiert sind, fordert weiterhin den Stopp des Verkehrsversuchs. Das Verkehrskonzept sollte auf die Friedrichstraße und den angrenzenden Gendarmenmarkt ausgeweitet werden.
Bündnis fordert Ausweitung des Verkehrskonzepts
Außerdem erhoffen sich die Mitglieder der Bündnisses ein Tourismuskonzept, das den Lieferverkehr mit einbezieht, diesen regelt und zeigt, wie künftig Autos, Taxis, Touristenbusse oder öffentliche Busverkehre ohne Staus durch Berlins historische Mitte kommen.
Das Verkehrsprojekt auszuweiten, könnte sogar ganz im Sinne der neuen Verkehrssenatorin sein. Es bleibt jedenfalls festzuhalten, dass das Projekt “autofreie Friedrichstraße” die Gemüter noch eine Weile erhitzen dürfte.
Eine Fußgängerzone im Stadtzentrum – Woher die ganze Aufregung?
Was bei allen Diskussionen mitunter etwas verwunderlich wirkt, ist die strikte Ablehnung einiger Berlinerinnen und Berliner gegenüber einer Fußgängerzone in einer ausgesprochen engen Einkaufsstraße, die in ihrem Umfeld mehrere Parkhäuser bietet und bei dessen Durchfahrung in der Vergangenheit nur wenige Autofahrer viel Freude gehabt haben dürften – denn meistens stand man ja im Stau.
Es ist also eine Diskussion, die in vielen anderen deutschen Städten mit ihren zahllosen Fußgängerzonen vermutlich wenig verstanden wird. Wenn es jedoch gelingt, ein tragfähiges Konzept zu entwickeln, welches auch die Anrainer und Gewerbetreibenden mit einbezieht und ihre Bedenken berücksichtigt, kann aus der autofreien Friedrichstraße vielleicht doch noch ein Erfolgsmodell werden.
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