Das jahrzehntelange Ringen um den baulichen Abschluss am Checkpoint Charlie in der Friedrichstraße geht in eine neue Runde. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge soll in Kürze ein Kaufvertrag zwischen dem Insolvenzverwalter Torsten Martini und dem in Frankfurt ansässigen Immobilienunternehmen “Gold.Stein” abgeschlossen werden. Wird es der lang ersehnte Durchbruch?
Man kann nicht wirklich behaupten, dass in der Friedrichstraße in Berlin-Mitte städtebauliche Projekte ohne Kontroversen umgesetzt werden. Erst gestern berichteten wir über die geplante, neue Fußgängerzone, die zwischen Leipziger Straße und Französischer Straße entstehen soll.
Die Meinungen über die Sinnhaftigkeit und Ausgestaltung dieses Projekts gehen sowohl in der Politik als auch in der Stadtgesellschaft weit auseinander. Noch etwas schwieriger gestaltet sich jedoch die Gemengelage einige hundert Meter weiter südlich, am geschichtsträchtigen Checkpoint Charlie, der die Grenze zwischen den Bezirken Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg markiert.
Checkpoint Charlie: Eines der populärsten Touristenziele
Der Checkpoint Charlie gehört bis heute zu den populärsten und meistbesuchten Touristenzielen der Hauptstadt – und das, obwohl das Areal in großen Teilen städtebaulich nicht vollendet wurde. Es ist eines der unrühmlichsten und komplexesten Berliner Städtebauprojekte der Nachwendezeit.
Der Checkpoint Charlie war einer der Berliner Grenzübergänge durch die Berliner Mauer zwischen 1961 und 1990, während der Teilung der Stadt. Er verband in der Friedrichstraße zwischen Zimmerstraße und Kochstraße den sowjetischen mit dem amerikanischen Sektor und damit den Ost-Berliner Bezirk Mitte mit dem West-Berliner Bezirk Kreuzberg.
Der Kontrollpunkt wurde zwischen August und September 1961 infolge des Mauerbaus von den West-Alliierten eingerichtet, um den Angehörigen ihres Militärpersonals weiterhin das Überschreiten der Sektorengrenze zu ermöglichen.
Für die Neugestaltung des Areals gab es völlig unterschiedliche Ansätze
Nach der Wiedervereinigung gab es sehr unterschiedliche architektonische Ansätze, wie das Areal neu gestaltet werden sollte. Zehn Jahre nach der Wiedervereinigung wurde die bis heute sehr populäre, originalgetreue Nachbildung der ersten Kontrollbaracke eingeweiht. Die aufgestapelten Sandsäcke sind allerdings mit Beton statt mit Sand gefüllt.
Auf der Zimmerstraße erinnert, wie in anderen Teilen von Berlin-Mitte, eine Doppelreihe aus Pflastersteinen an den Verlauf der Berliner Mauer. Auf dem Teilbereich nördlich der Mauerstraße entwickelte Ronald Lauder in den 1990er Jahren die Idee eines American Business Centers. Von den geplanten fünf Gebäuden wurden drei errichtet, darunter das Philip-Johnson-Haus.
der Checkpoint Charlie heute: Ein jahrzehntelanges Provisorium
Auf den bislang nicht bebauten Arealen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten unterschiedliche, provisorische Nutzungen angesiedelt, vorwiegend mit kulturellem und touristischem Hintergrund. Nur wurde das der Bedeutung des Platzes zumindest in architektonischer Hinsicht bei weitem nicht gerecht, wenn auch die thematischen Schwerpunkte mitunter durchaus gelungen waren und viele Besucher anzogen und noch immer anziehen.
Ab 2016 dann plante der Berliner Senat in Zusammenarbeit mit dem Projektentwickler Trockland die vollständige Bebauung der Ostseite des Areals. Nach Plänen von Graft Architects sollte ein Hotel, ein Bürogebäude mit einem integrierten Museum und eine verbleibende Freifläche auf der Westseite entstehen. Rund 75 Millionen Euro sollten in das Projekt investiert werden.
Die Pläne von Trockland wurden letztlich nicht realisiert
Nachdem das Gelände im Juni 2018 vom Landesdenkmalamt Berlin als Denkmalbereich unter Denkmalschutz gestellt worden war, entwickelte sich jedoch eine neue fachliche und politische Diskussion um den angemessenen Umgang mit der Fläche, die von zahlreichen Medien befeuert und zum Teil auch mit Falschinformationen versehen wurde, wie sich später herausstellen sollte.
Einer der Kritikpunkte waren die hinter Trockland stehenden Investoren. Im Dezember 2018 entschied der Senat dann zugunsten einer kompletten Neuplanung des Geländes mit verringerter Bebauung und einem Museum auf der Ostseite. Dies bedeutete: Das Projekt stand nach vielen Jahren des Planens und der Debatte wieder bei null. Zudem läuft bis heute ein Rechtsstreit mit Trockland, dessen Ausgang noch nicht absehbar ist und der über dem Projekt noch als unvorhersehbare Variable schwebt.
Das Unternehmen “Gold.Stein” soll an einem Kauf der Grundstücke interessiert sein
Nun kommt dennoch erneut Bewegung in die Sache. Torsten Martini, Insolvenzverwalter der potenziellen Bauflächen, musste sich in den vergangenen Tagen zahlreicher Presseanfragen erwehren, betonte aber seinerseits, dass ein kurzfristiger Verkauf des Areals noch nicht bevorstehe.
Martini verwaltet die Insolvenzmasse, seit die ursprüngliche Eigentümergesellschaft vor knapp zwei Jahrzehnten Konkurs anmelden musste. Somit bekleidet er eine durchaus exponierte Position im Poker um eines der begehrtesten Baugrundstücke der Hauptstadt, welches auch im Jahr 2022 absurderweise noch unbebaut ist.
Kompliziertes Baurecht macht den Verkauf schwierig
Vor allem das geltende Baurecht macht den Verkauf des Grundstücks so kompliziert. Das Frankfurter Immobilienunternehmen Gold.Stein soll nun großes Interesse am Erwerb des Grundstücks haben. Wie zu hören ist, laufen intensive Gespräche zwischen allen Projektbeteiligten, zu denen natürlich auch der Berliner Senat gehört, der ebenfalls eine Kaufoption für Teile der betreffenden Grundstücke hat und diese womöglich selbst entwickeln und bebauen möchte.
Am Checkpoint Charlie sollen jedoch keine autarken Projekte umgesetzt werden, sondern ein städtebauliches Konzept aus einer Hand. Das setzt eine enge Kooperation der potenziellen öffentlichen und privaten Eigentümer voraus.
Senatsverwaltung bestätigt laufende Verhandlungen
Ein Sprecher der Senatsverwaltung für Finanzen bestätigte jedenfalls: “Die Verhandlungen laufen“. Allerdings würde es nach seiner Einschätzung noch mindestens weitere sechs Monate dauern, bis tatsächlich ein Kaufvertrag zustande käme. Denn zu bedenken gibt es für die neuen Eigentümer viel.
Die Präsidentin der Architektenkammer, Theresa Keilhacker, äußerte sich wie folgt zum Vorgang: “Die ehemalige Grenzübergangsstelle am Checkpoint Charlie ist wegen seiner Geschichte von übergeordneter Bedeutung, es gibt einen Bebauungsplan und ein neuer Investor müsste auf dieser Grundlage einen Realisierungswettbewerb ausloben.”
Auch Keilhacker forderte öffentlich, dass Berlin einen Teil der Grundstücke zurück erwirbt. Ein qualitätsvoller sowie belebter Treffpunkt und Stadtplatz könnten nur dann geschaffen werden, wenn das Grundstück öffentliches Eigentum sei, so die Präsidentin.
Der Senat ist gefordert – und soll selbst aktiv gestalten
Ähnlich äußerte sich der Sprecher für Stadtentwicklung der Grünen-Fraktion, Julian Schwarze: “Der im Bebauungsplan festgelegte Bildungs- und Erinnerungsort sowie der gegenüberliegende Stadtplatz gehören nicht in private Hände.” Diese Aussagen beleuchten gleichzeitig ein Kernproblem des Projekts: den sehr eng gefassten Bebauungsplan, der kaum Raum für kreative Ausgestaltung oder Interpretation lässt. Keine Ausgangssituation, die für private Investoren besonders attraktiv ist.
Die Zukunft des Checkpoints ist im Bebauungsplan „1-98“ festgelegt. Dieser schreibt vor, wie das Quartier entlang der Friedrichstraße an der Grenze der beiden Bezirke Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg gestaltet werden darf. Er stammt vom Juli 2019 und wurde vom Abgeordnetenhaus Anfang 2020 beschlossen.
Ein Bildungs- und Erinnerungsort soll entstehen
Demnach soll auf dem nicht allzu großen Gelände ein Bildungs- und Erinnerungsort zur Geschichte des ehemaligen Grenzübergangs, eine öffentlich nutzbare Freifläche als urbaner Platz sowie eine gemischte Nutzung von Büros, Läden und Gastronomie entstehen – einschließlich hohem Wohnanteil.
Ein dickes Brett also. Umso verständlicher ist es, dass die Grundstücke am Checkpoint Charlie noch immer ihren bedauerlichen Zustand des Dauer-Provisoriums fristen. Zumal die Grundstückspreise in Berlin in den vergangenen Jahren weiter stark gestiegen sind – und kein Bauherr viel Geld für Boden bezahlt, wenn er darauf keine Neubauten errichten kann, deren Mieten nicht zur Refinanzierung von Kaufpreis und Gewinn ausreichen.
Ein erneuter Architekturwettbewerb müsste ausgelobt werden
Im oben beschriebenen Bebauungsplan sind das Volumen und die Höhe der zulässigen, neuen Gebäude festgelegt. Wie die einzelnen Häuser jedoch im Detail aussehen werden, soll in einem Gestaltungswettbewerb entschieden werden.
Es wäre nicht der erste dieser Art an dieser bedeutsamen Stelle. Es wäre dem geschichtsträchtigen Areal allerdings zu wünschen, dass die Verhandlungspartner eine Einigung erzielen können und für das Areal ein sinnvolles und tragfähiges, architektonisch anspruchsvolles Gestaltungskonzept gefunden werden kann. Wir werden den Prozess weiterhin mit großem Interesse verfolgen.
Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier:
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Quelle: Der Tagesspiegel, Berliner Zeitung
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