Ende 2024 wird die französische Kaufhauskette Galeries Lafayette ihren Standort in der Berliner Friedrichstraße voraussichtlich aufgeben. Der Berliner Senat möchte das berühmte Ensemble anschließend umbauen und als Standort für die Zentral- und Landesbibliothek nutzen.
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Text: Annett Jäger, Björn Leffler
Bereits im März 2023 hatten wir über den längst begonnenen Strukturwandel in deutschen Innenstädten berichtet. Viele Shopping Malls haben nicht erst seit der Corona-Pandemie mit großem Leerstand zu kämpfen.
In einigen Malls ist der Leerstand so gravierend, dass nun gänzlich neue Nutzungsformen für die Bestandsbauten gesucht werden. So wird etwa in Berlin-Steglitz das Einkaufszentrum Boulevard Berlin umgebaut. Statt Einzelhandelsflächen sollen dort Büroflächen und Serviced Apartments entstehen.
Viele Shopping Malls und Kaufhäuser werden abgerissen oder umgenutzt
Anderen Immobilien, wie etwa dem Park Center in Treptow, dem Tal-Center in Marzahn oder der Dreispitzpassage in der Friedrichstraße droht der teilweise oder vollständige Abriss. Häufig werden auf den Grundstücken Büro- und Wohnprojekte geplant.
Der seit Jahren wachsende Marktanteil des Online-Handels lässt das Geschäftsmodell der Shopping Malls zunehmend ins Wanken geraten. Noch sehr viel schlechter sieht es für klassische Warenhäuser wie Karstadt oder Galeria Kaufhof aus, die bundesweit zahlreiche Filialen schließen müssen.
Neue Nutzungsmöglichkeiten für leere Kaufhäuser: Bildung, Kultur und Gewerbe
Das sind insgesamt eine Menge Gründe, um über neue Nutzungsmöglichkeiten für die leerstehenden oder zunehmend geringer ausgelasteten Einzelhandelsimmobilien nachzudenken. Denn Bedarf für infrastrukturell gut angebundene Flächen gibt es von vielen Seiten, vor allem in dicht besiedelten Innenstadtbereichen.
Ein mögliches Vorbild bietet die Stadt Braunschweig, die als eine der ersten deutschen Städte proaktiv auf den Strukturwandel im Einzelhandel reagieren will. Die Stadt plant, in diesen Gebäuden dringend benötigte Flächen für Schulen, Volkshochschulen und Vereine unterzubringen, um aus der Not eine Tugend zu machen.
Berlin Mitte: Zieht die ZLB in das Gebäude der Galeries Lafayette?
In Berlin gibt es nun eine gänzlich überraschende Option auf eine kultur- und bildungsorientierte Nachnutzung eines großen Kaufhauses im Zentrum der Hauptstadt. Wie der Tagesspiegel berichtet, beabsichtigt die französische Kaufhauskette Galeries Lafayette, alle Standorte im Ausland aufzugeben.
Davon wäre auch das in den 1990er Jahren in der Berliner Friedrichstraße eröffnete Kaufhaus betroffen. Auf der Suche nach einem passenden Standort für die Berliner Zentral- und Landesbibliothek hat nun der neue Kultursenator Joe Chialo (CDU) vorgeschlagen, die Immobilie für die Nutzung als Bibliothek umzubauen, anstatt an anderer Stelle einen teuren Neubau oder einen Umbau der Amerika-Gedenkbibliothek zu realisieren.
Joe Chialo möchte die Galeries Lafayette umbauen und als Bibliothek weiternutzen
Es wäre nicht die erste Umnutzung einer einstigen Kaufhausimmobilie in Berlin, aber sicher eine der spektakulärsten. Am gestrigen Montag präsentierte Chialo den Vorschlag im Kulturausschuss des Senats – und überraschte damit die meisten Anwesenden.
Aller Voraussicht nach wird das Kaufhaus Galeries Lafayette Ende 2024 nach dann 28 Jahren in Berlin seine Pforten schließen. Die Immobilie gehört zum Portfolio des Immobilienunternehmens Tishman Speyer Properties, welches bereits auf der Suche nach einem Nachmieter sein soll.
Berliner Senat und Eigentümer sollen bereits im Austausch stehen
In diesem Zusammenhang soll es auch bereits erste Verhandlungen mit dem Berliner Senat gegeben haben, denn das Land Berlin hat gegenüber Tishman Speyer sein Interesse bekundet, das Gebäude anzumieten und entsprechend umzubauen.
Für den Umbau des Lafayette-Gebäudes werden nach Tagesspiegel-Informationen rund zwei bis drei Jahre prognostiziert. Die Kosten würden wohl leicht unter den bisher geplanten Ausgaben von mindestens 460 Millionen Euro für den Neubau der Bibliothek am Standort Blücherstraße liegen.
Volker Heller, Generaldirektor der ZLB: “Jahrhundertchance” für Berlin
Die Finanzierung des Projekts müsste aber grundsätzlich neu berechnet und dann auch im Berliner Haushalt verankert werden. Befürworter der Idee argumentieren, dass ein solcher Umbau auch zu einer deutlichen Belebung der Friedrichstraße führen würde, da ein hoher Publikumsverkehr zu erwarten wäre.
Volker Heller, Generaldirektor der ZLB, nannte das Konzept gar eine “Jahrhundertchance” für Berlin, da somit potenziell leerstehende Einzelhandelsflächen sinnvoll genutzt werden könnten, ohne weitere Büro- oder Gewerbeflächen zu schaffen, von denen es in Berlin längst viel zu viele gibt.
Für das Projekt braucht es noch eine Finanzierung im Berliner Landeshaushalt
Eine ausführliche Vorstellung der Pläne soll es aller Voraussicht nach in der nächsten Sitzung des Kulturausschusses geben. Dann wird Volker Heller im Detail die Pläne präsentieren. Für das seit vielen Jahren ins Stocken geratene Projekt eines gemeinsamen Standorts für die Berliner ZLB könnte die frei werdende Immobilien an der Friedrichstraße zu einem unerwarteten Coup werden – wenn es denn eine Finanzierung und eine Einigung mit den aktuellen Eigentümern gibt.
Das Kaufhaus Galeries Lafayette brachte neuen Lebensschwung in die wenig einladende Friedrichstraße des Jahres 1996, die als Dauerbaustelle in den Nachwendejahren noch nicht besonders viel hermachte. Gemeinsam erbaut mit den Quartieren 205 und 206 bildet das Gebäudeensemble die bekannte Friedrichstadt Passage Berlins.
Architektur-Ikone: Nouvels einzigartige Formsprache der Galeries Lafayette
Die moderne Architektur des Gebäudes – vor allem Jean Nouvels legendäre Kegel und Glasfassaden – kennzeichnen das Quartier 207 und machen es seit seiner Eröffnung zu einem der bekanntesten Warenhäuser im Zentrum Berlins.
Neben dem Quartier 207 in Berlin tragen weltweit weitere Bauwerke die Handschrift des französischen Architekten Jean Nouvel, beispielsweise das Louvre Abu Dhabi oder die Pariser Philharmonie.
Die besondere Bauart des Quartiers 207 sorgt dafür, dass einfallende Sonnenstrahlen für unterschiedliche Lichtvariationen im Objekt sorgen.
Im Inneren des spannenden Gebäudes ersetzen zwei mit Plexiglas verkleidete Kegel den Innenhof. Ob die Berliner Zentral- und Landesbibliothek in dieses ikonische Gebäude einziehen wird, werden wohl die kommenden Monate zeigen.
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Quellen: Der Tagesspiegel, Zentral- und Landesbibliothek Berlin, Immobilien Zeitung, Magazin TU Braunschweig, ECE Projektmanagement GmbH, DLE Land Development GmbH, Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
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2. November 2024
Das Gebäude der Galeries Lafayette
als eine Bibliothek zu nutzen, ist zwar konservierend,
aber zu konservativ :
eine Verschwendung von attraktiver Architektur und Modernität
an wenige Nutzer von Originalschriften und traditionellen Büchern,
sehr wenige Nutzer bald, denn diese Bücher werden ja nicht nur
alle eingescannt sein, einschließlich ihrer Abbildungen und online abrufbar,
sondern die künstliche Intelligenz stellt Bezüge her,
zu allen anderen Büchern, zu jedem Thema, Abschnitt und Satz in jedem Buch
und zu jeder Frage.
Ich schlage deshalb vor, ein solches Haus sollte weiterhin für viele einen Zugang zu Dingen bieten,
die in stofflicher Präsenz weit mehr Bedeutung haben, als deren Abbildung oder Kopie,
was für Bücher nicht zutrifft.
Es sollte Zugang bieten zu immer wieder neuen Dingen, die sich laufend ändern
und deshalb nicht immer nur weitere, neue Besucher bekommt,
sondern auch wieder dieselben Besucher immer wieder neu anzieht,
wie es die Galeries Lafayette taten.
Das Haus sollte anbieten,
was man online, auch mit künstlicher Intelligenz, nur schlechter haben kann:
Wieder real dreidimensionales: Waren wie bisher oder aktuelle Kunst, oder beides !
Walter Voll
Wilhelmstr.92, 10117 Berlin,
Tel.: 43927770