Im Graefekiez in Berlin-Kreuzberg sollte ursprünglich eine großflächige Pilotphase eines Parkverbotes für den Klimaschutz umgesetzt werden, was die temporäre Sperrung von 2.000 Parkplätzen bedeutet hätte. Nach Kritik von Gewerbetreibenden und Anwohnern wurde das Vorhaben modifiziert. Nun werden dauerhaft Parkplätze in Grünflächen umgewandelt, allerdings in deutlich kleinerem Umfang.
© Fotos: Wolfgang Leffler
Text: Björn Leffler
Es waren große Pläne, die das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg im Kreuzberger Graefekiez umsetzen wollte. So sollten rund 2.000 Parkplätze für die Dauer von sechs bis zwölf Monaten temporär gesperrt werden, um den Autoverkehr im Quartier signifikant zu reduzieren.
Das Viertel im südöstlichen Kreuzberg ist vor allem geprägt von Gründerzeit-Häusern, Kleingewerben und – bereits heute – entschleunigtem Verkehr. Hier wurde sogar die erste Spielstraße Berlins eröffnet.
Graefekiez: 2.000 Parkplätze sollten temporär gesperrt werden
Der Plan des Parkverbotes im Kreuzberger Graefekiez stammte ursprünglich von Grünen und SPD, die in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Friedrichshain-Kreuzberg die Mehrheit bilden. Das Pilotprojekt sollte gemeinsam mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) durchgeführt werden.
Demnach sollten private Autofahrer in einem bestimmten Zeitraum nicht mehr im öffentlichen Raum parken dürfen. Für einen Monatspreis von 30 Euro hätte das Auto jedoch im Parkhaus am Hermannplatz abgestellt werden können. Lieferungen und Parkplätze für Menschen mit Behinderung sollten aber weiterhin möglich sein. Zudem würden neue Sharing-Flächen für Fahrzeuge hinzukommen.
Verkehrsberuhigung: Im Graefekiez gab es eine Mehrheit für das Pilotprojekt
Laut einer These des WZB, Menschen würden nur so lange ein eigenes Auto nutzen, wie kostenfreies Parken angeboten wird, würden die Menschen folglich auf ÖPNV und Sharing-Angebote umsteigen. Dies sollte in der Praxis erprobt werden.
Im Juni 2021 führte das WZB eine repräsentative Kiez-Erhebung durch, bei der sich rund 66 Prozent für entsprechende Maßnahmen aussprachen. Das ist wenig verwunderlich, da viele Einwohnerinnen und Einwohner bereits einen klimafreundlichen Lebensstil pflegen und eher das Rad oder einen Leihwagen nutzen.
Unternehmer und Gewerbetreibende fürchteten um ihre Liefermöglichkeiten
Doch viele Unternehmer und Gewerbetreibende fürchten um ihre Liefermöglichkeiten und auch private Anwohnerinnen und Anwohner kritisierten das Projekt. Unter Mithilfe der CDU wurden schleßlich Unterschriften von Gegnern des Projekts im Kiez gesammelt, um die Verkehrsmaßnahme abzuwenden.
Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg lenkte letztlich ein und veränderte das Pilotprojekt gänzlich. Statt 2.000 Parkplätze temporär zu sperren, werden nun 80 Parkplätze in der Böckhstraße sowie in der Graefestraße dauerhaft entsiegelt und in Grünflächen umgewandelt. Es gibt die Option, diese Aktion auf insgesamt 400 Parkplätze auszuweiten.
Umwandlung von Parkplätzen in der Böckhstraße und Graefestraße
Die Umwandlung der Parkplätze läuft bereits. Wo bislang große Pflastersteine lagen, wird nun vom Bezirksamt neue Erde ausgelegt. Durch die Maßnahme soll nicht nur der Verkehr reduziert werden, sondern zudem mehr Flächen für die Versickerung von Regenwasser entstehen. Ähnlich wurde es bereits am Lausitzer Platz umgesetzt.
Viele Anwohnerinnen und Anwohner bedauern, dass aus dem großen Verkehrsprojekt nun nur so wenig übrig geblieben ist. Auch der Berliner BUND bezeichnet das Bauvorhaben als “Schrumpfversion des Vorhabens“.
Bürgerinnen und Bürger wollen Pflege der neuen Flächen selbst übernehmen
Die Begrünung der neu entstehenden Flächen wird in großen Teilen von den Bürgerinnen und Bürgern selbst übernommen werden. Beim Verein Paper Planes e.V., der die Verteilung der Grünflächen koordiniert, haben sich bereits mehr als 50 Interessenten angemeldet.
Das freiwillige Engagement ist auch nötig, denn das zuständige Straßen- und Grünflächenamt des Bezirks hat bereits mitgeteilt, nicht alle neu entstehenden Flächen bearbeiten zu können. Doch die Bereitschaft im Kiez scheint groß, genauso wie die Vielzahl an möglichen Gestaltungsideen.
Das Pilotprojekt war juristisch nicht ausreichend abgesichert
Die nun umgesetzten Maßnahmen haben letztlich einen völlig anderen Charakter als das ursprünglich geplante Verkehrsprojekt. Letztlich scheiterte das Projekt vor allem daran, dass der Bezirk nicht ausreichend geprüft hat, ob das Vorhaben auch rechtlich zulässig ist.
Denn genau hier lag die Schwachstelle des Vorhabens, welche vor allem CDU und FDP immer wieder betont hatten. Bevor es zu einer juristischen Auseinandersetzung kommen konnte, hat der Bezirk nun diese “Mini-Variante” der ursprünglich großen Pläne in die Wege geleitet, was die Mehrheit der im Kiez lebenden Menschen wohl bedauern dürfte.
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Quellen: Berliner Morgenpost, Der Tagesspiegel, Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, Paper Planes e.V., RBB
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