Im Graefekiez in Kreuzberg startet 2023 eine sechs- bis zwölfmonatige Pilotphase eines Parkverbotes für den Klimaschutz. Dabei soll eine These des Wissenschaftszentrums Berlin getestet werden.
© Foto: A.Savin, WikiCommons
Text: Stephanie Engler
Der Plan des Parkverbotes im Kreuzberger Graefekiez kommt von Grünen und SPD, die in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Friedrichshain-Kreuzberg die Mehrheit bilden. Es ist ein Pilotprojekt, welches gemeinsam mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) durchgeführt wird. Seit April 2022 berieten die Verordneten in den Ausschüssen Verkehr und Umwelt. Der Beschluss setzt die Testphase für das kommende Jahr an.
So werden private Autofahrer in dieser Zeit nicht mehr im öffentlichen Raum parken dürfen. Für einen Monatspreis von 30 Euro kann das Auto jedoch im Parkhaus am Hermannplatz abgestellt werden. Lieferungen und Parkplätze für Menschen mit Behinderung sollen dennoch weiterhin möglich sein. Zudem werden neue Sharing-Flächen für Fahrzeuge hinzukommen.
Grundlage bildet eine Idee des Wissenschaftszentrums
Das Viertel ist geprägt von Gründerzeit-Häusern, Kleingewerben und entschleunigtem Verkehr. Hier wurde sogar die erste Spielstraße Berlins eröffnet. Dieses Bild nehmen sich die Grünen und die SPD nun zum Vorbild.
Laut einer These des WZB, Menschen würden nur so lange ein eigenes Auto nutzen, wie kostenfreies Parken angeboten wird, würden die Menschen folglich auf ÖPNV und Sharing-Angebote umsteigen. Dies soll nun in der Praxis erprobt werden.
Laut Andreas Knie, Leiter der Forschungsgruppe Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung beim WZB, wäre der Versuch der Auftakt für eine sozial gerechte Mobilitätswende.
Das Stimmungsbild der Kiezbewohner ist gespalten
Im Juni 2021 führte das WZB eine repräsentative Kiez-Erhebung durch, bei der sich rund 66 Prozent für entsprechende Maßnahmen aussprachen. Das ist wenig verwunderlich, da viele Einwohnerinnen und Einwohner bereits einen klimafreundlichen Lebensstil leben und eher das Rad oder einen Leihwagen nutzen.
Doch viele Unternehmer und Gewerbetreibende fürchten um ihre Liefermöglichkeiten. Eine Fahrschule beispielsweise will weiterhin ihre sechs Schulungswagen vor dem Büro parken dürfen.
Kritik gibt es auch innerhalb der BVV
Riza Cörtlen von Die Partei mahnt, dass der Testlauf Kranke und Alte ausgrenze. So hatte sich ein älterer gebrechlicher, aber nicht offiziell als behindert ausgewiesener Anwohner beschwert, dass er nur noch durch sein Auto am Alltag teilnehmen könne.
Vom CDU-Fraktionschef Timur Husein kam ebenfalls Kritik: “Nur wer sich bisher einen Parkplatz auf dem Hinterhof oder in einer Garage leisten konnte, bleibt weiterhin unbetroffen. Vom Rest wird erwartet, einen Kilometer zum und vom Hermannplatz zu laufen.“
Die Linke fordert vor dem Start der Testphase eine Befragung sämtlicher Anwohner. Laut der Verordneten Gaby Gottwald seien es schließlich die Anwohner, “die die Konsequenzen des Feldversuchs direkt tragen müssen“.
Eine aktive Bürgerbeteiligung sei für eine Umsetzung unumgänglich
Es sei laut der Linken zu befürchten, dass die Anwohner auf die Parkplätze im angrenzenden Neukölln ausweichen könnten. Somit würde sich das Parkproblem nur verlagern. Daher müssten die Bürger mit in die Entscheidung und aktiv in den Versuch einbezogen werden.
Die BVV lehnte einen entsprechenden Antrag jedoch kategorisch ab. Peggy Hochstätter von der SPD sagte, dass es absurd sei, jeden Kiezbewohner für einen sechsmonatigen Versuch anzuschreiben.
Auf Diskussionsveranstaltungen können Anwohner sich zu Wort melden
Grüne und SPD kommen den Anregungen der Linken jedoch entgegen und wollen “mehrere Informations- und Diskussionsveranstaltungen vor Ort stattfinden” lassen. So sollen Anwohner und Gewerbetreibende im Vorfeld angemessen beteiligt werden.
CDU und Linke widersprachen der ablehnenden Haltung, die Anwohner mit einzubeziehen. Dennoch wurde nach einer mehr als fünfstündigen Sitzung mehrheitlich für den Antrag von Grünen und SPD und somit für die Testphase gestimmt.
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Quellen: Graefekiez Forum, Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN, Wikipedia, Der Tagesspiegel, Berliner Kurier, Berliner Morgenpost
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Die Borniertheit und der offen praktizierte anti-Pluralismus der linken Partein in Berlin wird langsam beängstigend. Auf der einen Seite hält man die Fahne der individuellen Autonomie hoch, macht sich öffentlich stark für illegitime Projekte wie in der Rigaer, auf der anderen Seite gängelt man Menschen in ihrer persöhnlichen Mobilität durch vorgebliche “Experimente”, die vermutlich, nachdem die erste Welle der Erregung abgeklungen, der Bürger “erzogen” und in seinem neuen Umfeld Ruhe gibt, wie in der Danneckerstr. von einer temporären Lösungen zur Dauerlösung gemacht wird. Ist das nicht ein Vorgehen wie aus dem Lehrbuch für beste Anitdemokraten?
Manifestieren tut sich dies alles im Aufstellen der Poller im öffentlichen Raum – die nicht nur ästhetisch furchtbar, sondern auch gerade in ihrer Totalität Warnung sein sollten.
Frage: “Doch viele Unternehmer und Gewerbetreibende fürchten um ihre Liefermöglichkeiten. Eine Fahrschule beispielsweise will weiterhin ihre sechs Schulungswagen vor dem Büro parken dürfen.”
Antwort: Es geht nicht um Betriebe oder Fahrschulen. Es geht darum dass die 99% der Fahrzeuge, die privaten PKW verschwinden. Die sechs Autos der Fahrschule sind völlig egal.
Frage: “So hatte sich ein älterer gebrechlicher, aber nicht offiziell als behindert ausgewiesener Anwohner beschwert, dass er nur noch durch sein Auto am Alltag teilnehmen könne.”
Antwort: “Richtige Politik ist immer auch Mehrheitspolitik. Wir können die Stadt nicht vollgeparkt lassen, weil es ein paar ältere, gebrechliche Menschen gibt. Man kann für diese Menschen eine Lösung finden, die mindestens so gut ist wie dass sie ein eigenes Auto haben.”
Frage: “Es sei laut der Linken zu befürchten, dass die Anwohner auf die Parkplätze im angrenzenden Neukölln ausweichen könnten. Somit würde sich das Parkproblem nur verlagern.”
Antwort: “Ja, klar. Es gibt halt zu viele Autos in der Stadt. Der Kurs ist klar: Der Druck auf die Besitzer soll so groß werden, dass sie ihre Autos von alleine verkaufen. Das führt kurzfristig zu mehr Stress auf der Straße. Zum Beispiel in Neukölln, wenn der Gräfekiez endlich mit diesem Projekt anfängt. Es gibt keine Lösung, bei der nicht irgendjemand aufschreit. Im Gegenteil, wer immer nur darauf hört, ob jemand Einspruch erhebt kann gar nichts verändern und die Lage in Berlin im S-Bahnring muss verändert werden.”