In unserer Artikelreihe widmen wir uns den bedeutenden Berliner Bauwerken der Nachwendezeit, die das Stadtbild der deutschen Hauptstadt bis heute prägen. Im zwölften Teil der Serie schauen wir auf den modernen Wiederaufbau des Potsdamer Platzes ab Anfang der 1990er Jahre, der vor allem durch die drei unterschiedlich gestalteten Hochhäuser geprägt wurde.
© Fotos: depositphotos.com
Text: Annett Jäger
Hochhäuser am Potsdamer Platz
Richtige Wolkenkratzer sind in Berlin noch immer eher die Ausnahme. Der Grund dafür ist häufig die in weiten Teilen der Stadt festgesetzte Traufhöhe von 22 Metern: Diese Bauhöhe ist in der Regel einzuhalten, um das einheitliche Stadtbild intakter Altbauquartiere nicht durcheinander zu bringen.
Dennoch gibt es einige bemerkenswerte Ausnahmen – so auch die Hochhäuser am Potsdamer Platz im Bezirk Mitte. Sie bilden ein futuristisch anmutendes Gebäudeensemble, welches nicht nur die Berlinerinnen und Berliner, sondern auch zahlreiche Touristen der Hauptstadt anzieht.
Der Potsdamer Platz im Höhenrausch
Den Namen verdankt der Potsdamer Platz dem gleichnamigen Tor, welches seit dem 18. Jahrhundert an der Berlin-Potsdamer Chaussee steht. Im Grunde ist die Bezeichnung Potsdamer Platz für das gesamte Areal nicht korrekt und wäre nur zutreffend für die Platzanlage neben dem Leipziger Platz. Allerdings hat sich der Name für das gesamte Gelände längst etabliert.
Bereits im 18. Jahrhundert war der Potsdamer Platz ein wichtiger Ort – hier pulsierte das Leben. Bis der Zweite Weltkrieg ein Feld der Zerstörung hinterließ, traf sich am Potsdamer Platz die kulturelle und gesellschaftliche Elite in Cafés, Restaurants und Hotels.
Nachdem der Potsdamer Platz ein „Dreiländereck-Dasein“, den Todesstreifen und einen dornröschenähnlichen, 40-jährigen Schlaf überlebt hatte, verhalfen ihm berühmte Architekten aus der ganzen Welt nach der Wende zu seiner Wiederauferstehung.
Die Tatsache, dass der Raum auch an diesem Standort in Berlin begrenzt ist, löste einen regelrechten Run nach den Grundstücken aus. Alle wollten sie auf diesem geschichtsträchtigen Areal vertreten sein: Daimler, Sony und die Deutsche Bahn.
Die Aufgabe war gewaltig, galt es doch auf einer sandigen Brache in desolatem Zustand mit großer symbolischer Bedeutung für die Geschichte Berlins den Potsdamer Platz neu zu erschaffen.
Mit der kritischen Rekonstruktion wurden berühmte Architekten wie Hans Kollhoff, Helmut Jahn, Renzo Piano und Rem Koolhaas beauftragt. Diese versuchten, trotz der strengen Bauvorgaben des Berliner Senats, dem Potsdamer Platz zu seinem einstmals gewohnten Glanz zu verhelfen.
Entstanden sind dabei drei imposante Hochhäuser, die das Stadtbild im Zentrum des wiedervereinten Berlins seitdem maßgeblich prägen: der Kollhoff Tower, der Bahn Tower sowie der Atrium Tower.
Der Kollhoff Tower
Der Kollhoff Tower – auch als Global Tower bekannt – gehört zu den bekanntesten europäischen Adressen. In dem vom Architekten Hans Kollhoff entworfenen Hochhaus trifft auf 103 Meter die klare Moderne auf zeitlose Eleganz. Mit dem Global Tower am Potsdamer Platz gelang es Hans Kollhoff – wie schon so oft – eines der prägnantesten Gebäude Berlins im Stile des amerikanischen Art déco der 1920er Jahre entstehen zu lassen.
Gekrönt wird das Gebäude durch eine Aussichtsplattform, welche den Besucher mit einem atemberaubenden Panorama erwartet. In nur vier Jahren Bauzeit entstand das beeindruckende Hochhaus mit der traditionellen, deutschen Verklinkerung aus dunklen Torfbrand-Ziegelsteinen, welches heute zu den Hauptattraktionen am Potsdamer Platz gehört.
Der Bahn Tower
Der Bahn Tower am Potsdamer Platz bildet den östlichen Abschluss des Sony Centers. Er wurde nach einer relativ kurzen Bauphase von zwei Jahren im Jahr 2000 eröffnet. Womöglich zu schnell, wie man heute vermutet.
Denn schon nach wenigen Jahren geriet das Hochhaus in die Schlagzeilen, nachdem sich 2007 und 2008 wiederholt Teile aus der kolossalen, gläsernen Fassade lösten und auf der Straße landeten. Längst wurde das Gebäude generalüberholt und modernisiert.
Entworfen wurde der Bahn Tower vom berühmten Architekten Helmut Jahn, der mit dem Entwurf für das konvexe Hochhaus seine Sehnsucht nach stromlinienförmigen Monumenten aus Glas verwirklichte. Auch das Sony Center am Potsdamer Platz entstand auf Helmut Jahns Reißbrett.
Der Atrium Tower
Schöpfer des Atrium Towers oder auch Piano Towers am Potsdamer Platz ist Renzo Piano – ein berühmter italienischer Architekt und Designer – der sich in Deutschland durch den Masterplan für das Daimler Quartier und das Teilen der Bebauung am Potsdamer Platz einen Namen machte.
Weltberühmt wurde er jedoch durch seine legendären Museumsbauten wie dem Nasher Sculpture Center in Dallas oder der Menil Collection in Houston, Texas. Die Terrakotta Fassade des 1997 fertig gestellten Atrium Towers bildet den südlichen Abschluss des Hochhausensembles und ist mit 106 Metern das größte Gebäude am Platz.
Genau wie der benachbarte Kollhoff Tower verfügt auch der Piano Tower über einen dreieckigen Grundriss. Der hintere, treppenartig gestaltete Bereich des Gebäudes leitet elegant zu den benachbarten Bauten über.
Auf der Baustelle des Atrium Towers mussten die Bagger tief graben, um Platz für das Fundament zu schaffen. Sogar Taucher kamen zum Einsatz. Insgesamt 160 Berufstaucher brachten unter anderem im Grundwassersee der Baustelle rund 2.000 Spundpfähle in Position, schweißten, dichteten Fugen ab und gossen Fundamente.
Der Potsdamer Platz: Die einstmals berühmteste Baustelle Europas
Spätestens nach dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung Deutschlands stellte man sich in Berlin die Frage, wie man das Zentrum des westlichen und östlichen Berlins zusammenbringen sollte. Die große Nachfrage nach den Grundstücken sorgte für einen raschen Verkauf vieler Flächen und so wurde der Potsdamer Platz in kurzer Zeit zur berühmtesten Baustelle Europas.
Obwohl der damalige Baudirektor des Berliner Senats, Hans Stimmann, bei der anschließenden Rekonstruktion des Potsdamer Platzes eher eine an den traditionellen Traufhöhen und Blockstrukturen Berlins orientierte städtebauliche Anlage im Stil der Potsdamer Architektur präferierte, konnten sich die Investoren mit ihrer gegenteiligen Meinung durchsetzen. Diese lancierten ein alternatives Projekt des Architekten Richard Rogers – das Konzept einer “modernen City des 21. Jahrhunderts”.
Nicht nur die schnelle Veräußerung der Grundstücke am Potsdamer Platz sorgte für Kritik. Auch die Tatsache, dass die Investoren nicht nur Eigentümer der Hochhäuser am Potsdamer Platz wurden, sondern auch das Hausrecht in einem öffentlich zugänglichen Stadtgelände erwarben, stieß auf Unverständnis.
Mit der Sprengung des Bellevue-Towers – einem Überrest des gleichnamigen, wenig erfolgreichen Hotels – und dem ersten Spatenstich zur Grundsteinlegung des Debis Towers im Jahr 1994, wie man damals den Atrium Tower nannte, wurde die Bauphase der Hochhäuser eingeleitet.
Doch das war erst der Anfang spektakulärer Ereignisse auf der berühmtesten und vor allem größten Baustelle Berlins. Neben Feuerwerk, Infobox, Taucheinsätzen und dem einzigartigen Umzug des „Kaisersaals“ war der Tanz der Kräne eines der skurrilsten Events auf der sogenannten „Schaustelle“ am Potsdamer Platz.
Unter Anleitung des Dirigenten der Berliner Staatsoper Daniel Barenboim sorgten 19 Kranführer beim Richtfest für das Daimler Quartier für eine einmalige Ballett-Aufführung, indem sie nach den Klängen der Ode an die Freude die Ausleger der riesigen Baukräne bewegten.
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2. November 2024