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Serie: Berlins Bauwerke der Moderne, Teil 1 – Das Holocaust Mahnmal

In unserer neuen Artikelreihe widmen wir uns den bedeutenden Berliner Bauwerken der Nachwendezeit, die das Stadtbild der deutschen Hauptstadt bis heute prägen. Im ersten Teil der Serie behandeln wir das Holocaust Mahnmal in Berlin-Mitte.

© Fotos: Björn Leffler
Text: Annett Jäger

Das Holocaust-Mahnmal in Berlin

Es gehört zu den beeindruckendsten Bauwerken der Stadt – das Holocaust-Mahnmal in Berlin. Das nach einer zweijährigen Bauzeit 2005 eröffnete Denkmal gilt als zentrale Holocaust-Gedenkstätte Deutschlands zur Erinnerung an die Millionen jüdischer Opfer des Zweiten Weltkriegs. Es besitzt nicht nur eine außergewöhnliche Architektur, sondern auch eine bemerkenswerte Entstehungsgeschichte.

Der geschichtsträchtige Baugrund

Die Geschichte des Grundstückes, das zum Ort des Gedenkens bestimmt wurde, ist fast so beeindruckend wie die Gedenkstätte selbst. Allein seine Grenzen – das Brandenburger Tor im Norden, DDR-Plattenbauten im Osten, die mittlerweile selbst unter Denkmalschutz stehen, der Potsdamer Platz im Süden und das Kulturforum im Westen – sind Zeugen architektonischer Zeitgeschichte.

Der Bau des Denkmals in der Nähe des Brandenburger Tors auf einem 19.000 Quadratmeter großen Grundstück wurde im Juni 1999 im Bundestag beschlossen. Allerdings war es bis zu diesem Beschluss ein jahrzehntelanger Weg, der bereits Ende der 1980er Jahre mit dem Ruf nach einem Mahnmal für die jüdischen Opfer begann.

Das Areal für das Denkmal gehörte vor Beginn des Zweiten Weltkriegs zu den Ministergärten und umfasste ursprünglich das Gebiet zwischen Wilhelmstraße, Voßstraße, Ebertstraße und Pariser Platz. Der Bau der Berliner Mauer versetzte die Ministergärten in eine ungewöhnliche Lage – nämlich genau in den Todesstreifen zwischen der alten Akzisemauer (Ebertstraße) und entlang der Wilhelmstraße bzw. der Hinterlandmauer.

Auf dem Gelände befand sich einst die Villa eines der bekanntesten Naziverbrecher: Joseph Goebbels. Die Villa trat im Zuge von Bauarbeiten 1997 zutage und wurde nach einer Dokumentation im Erdreich wieder versiegelt.

Etwa sechs Monate nach dem Mauerfall 1989 waren alle Spuren der Berliner Mauer verschwunden und das ehemalige Gelände der Ministergärten schlummerte bis zur Baufeldfreimachung vor sich hin, wenngleich es ab und zu für kulturelle Zwecke genutzt wurde.

Von der Idee über Architekturwettbewerbe bis hin zur baulichen Umsetzung

Die Idee zum Bau des Denkmals kam von Lea Rosh – einer bekannten Hörfunk-Reporterin und Fernsehmoderatorin – welche von 1991 bis 1997 das NDR-Landesfunkhaus in Hannover leitete. Sie schrieb neben anderen Büchern zum Thema Judenverfolgung auch eines zur kontroversen Geschichte des Holocaust-Denkmals.

Um ihre Idee umzusetzen, gründete Lea Rosh, unterstützt vom Historiker Erich Jäckel, die Initiative Perspektive Berlin e.V. Die innerhalb eines ersten künstlerischen Wettbewerbs im Jahr 1994 ausgewählten ersten Entwürfe für das Holocaust-Mahnmal wurden vom Bundeskanzler Kohl, dem Berliner Senat und der Bundesregierung jedoch abgelehnt.

Die Ergebnisse dieses Wettbewerbs und das Vorgehen der Bundesregierung lösten unterschiedliche Debatten aus und selbst innerhalb der ansonsten so vereinten Initiative wurde abermals über die Frage nach dem Sinn eines solchen Mahnmals in Berlin diskutiert.

1995 kam es nach den Neuwahlen des Berliner Abgeordnetenhauses zur Bildung eines informellen Gremiums durch den Ältestenrat unter dem Vorsitz von Rita Süßmuth. Im Bundestag wurde zeitgleich über Standort und Terminierung des Baus diskutiert.

1997 gab es ein extra zum Bau des Mahnmals stattfindendes Kolloquium, in welchem man erneut über die Frage diskutierte, ob Deutschland überhaupt eine solche Gedenkstätte benötige.

Nachdem im Juni 1997 ein weiterer Wettbewerb ausgeschrieben wurde und man in einer Sitzung der Beurteilungskommission zu einem ersten Ergebnis gekommen war, blieben neben drei weiteren Entwürfen der von Peter Eisenman und Richard Serra übrig.

Über die Jahre meldeten sich zum Thema Holocaust Mahnmal unterschiedliche Persönlichkeiten kritisch zu Wort – so beispielsweise auch György Konrad, Präsident der Akademie der Künste. Er vertrat die Meinung, dass man das Geld anstatt für ein Mahnmal lieber für etwas verwenden sollte, dass den Menschen Freude bereite.

1998 stieg der Bildhauer Richard Serra nach einem finalen Gespräch über den Entwurf des Mahnmals mit Bundeskanzler Helmut Kohl und Peter Eisenman aus dem Vorhaben aus. Letztendlich fiel nach langwierigen Diskussionen 1999 die Entscheidung, den Entwurf von Peter Eisenmann umzusetzen und mit dem ersten Spatenstich den Bau des Denkmals zu beginnen.

Worum ging es in den Debatten um das Holocaust-Mahnmal?

Die Debatte über die Errichtung der Gedenkstätte hielt mehr als zehn Jahre an und erhitzte nicht nur die politischen Gemüter in Berlin. In dem Streit ging es nicht ausschließlich um Lage und Kosten des Bauwerks, sondern auch um Inhalte, künstlerische Gestaltung und nicht zuletzt darum, zum Gedenken welcher Opfergruppen die Gedenkstätte errichtet werden sollte.

Wo einige bezüglich des Vorhabens von einer nachgeschichtlichen Erinnerung sprachen, wollten andere das Holocaust-Mahnmal eher als Teil eines Trauerprozesses verstanden wissen und auch pädagogische Aspekte fehlten nicht in der langanhaltenden Debatte, an der sich anfangs nur die Fachgremien und später dann vorwiegend die Feuilletons vieler Zeitungen beteiligten.

Das Holocaust-Mahnmal im Berliner Stadtbild

Mit seinem wellenförmigen Feld aus 2.711 Beton-Stelen – Eisenman hatte ursprünglich 4.000 davon geplant – wirkt das Mahnmal etwas eingeklemmt zwischen hohen, ehemaligen DDR-Plattenbauten, dem Reichstag, den Ländervertretungen, dem direkt daneben entstandenen Wohnungsneubau sowie dem Potsdamer Platz und geht für einige Betrachter im Stadtbild von Berlin etwas unter. Für den Architekten Peter Eisenman gibt es jedoch nach eigenen Aussagen keinen spannenderen Platz in Berlin.

Die anscheinende Offenheit des Denkmals, welche seine Zugänglichkeit von allen Seiten vermittelt, wird durch den Ort der Informationen und der dort gelagerten und gut durchdachten Ausstellung konkretisiert.

Obgleich es die Idee war, das Holocaust Mahnmal in „Berlins Mitte“ zu platzieren, entspricht das Gebiet rund um das Brandenburger Tor nicht unbedingt dem Alltagsleben der meisten Berlinerinnen und Berliner.

Für die unzähligen Touristen scheint das Stelen-Feld aber durchaus attraktiv – allein im ersten Jahr fanden sich hier mehr als drei Millionen Menschen ein. Allerdings scheinen die Besucher unterschiedlicher Meinung zu sein, wie man sich an einem solchen Ort zu verhalten hat.

Während einige die Stelen still durchwandern oder andächtig zwischen ihnen verweilen, klettern andere Besucher auf ihnen herum und haben eine Menge Spaß dabei. Abstrakte Kunst löst eben bei jedem etwas anderes aus.

Sorgen machen sich die Eigentümer des Mahnmals um die Beschaffenheit der Beton-Stelen, an denen schon nach kurzer Zeit Schäden auftraten, die jährlich zunehmen.

Fazit

In der Anfangsphase heftig umstritten, hat sich das Holocaust Mahnmal in Berlin letztendlich doch zu einem Besuchermagneten gemausert, welches mit seiner abstrakten Form des Gedenkens nicht nur in Deutschland sondern international Berühmtheit erlangen konnte.

Das Holocaust Mahnmal in Berlin gehört heute zweifelsohne zu den bekanntesten Gedenkstättenbauten weltweit und ist eines der bedeutendsten Werke im Schaffensspektrum von Architekt Peter Eisenman.

 

Weitere Bilder des Holocaust Mahnmals findet Ihr hier: 

 

Weitere Teile der Reihe werden in Kürze veröffentlicht. Themenverwandte Artikel könnt Ihr hier sehen:

Ein Berliner Sommermärchen: Der verhüllte Reichstag im Juni 1995

26 Jahre Wilmersdorfer Geschichten: „Berlin – Ecke Bundesplatz“

Das historische Erbe der Stadt: Berlin, wie wir es heute kennen

Visualisierte Geschichte: Zeitreise zum historischen Anhalter Bahnhof

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