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Ein Berliner Sommermärchen: Der verhüllte Reichstag im Juni 1995

In Paris wird derzeit der Arc de Triomphe im Rahmen einer spektakulären Kunstaktion verhüllt. Es ist die Vollendung einer vom Künstler Christo lange geplanten Kunstaktion und weckt Erinnerungen an einen außergewöhnlichen Berliner Sommer im Jahre 1995.

Das Reichstagsgebäude heute: Das nach Plänen von Norman Foster umgebaute Parlamentsgebäude.

English Version: Below

Im Sommer 1995 verhüllte das Künstlerpaar Christo und Jeanne-Claude das Berliner Reichstagsgebäude. Es wurde ein Berliner Sommermärchen, welches die Blicke der Welt für einige Wochen auf die noch junge Bundeshauptstadt lenkten und rund um das verhüllte Gebäude eine außergewöhnliche, begeisternde Atmosphäre entstehen ließ.

Es war sozusagen der Schlusspunkt einer jahrzehntelangen Epoche, in der das Reichstagsgebäude in einen Dornröschenschlaf verfallen war, nachdem es durch Kriegsschäden und die Teilung Berlins zur Bedeutungslosigkeit verdammt war. Nach der geglückten Wiedervereinigung im November 1989 und dem folgenden 3. Oktober 1990 sollte dem Gebäude zukünftig wieder eine gänzlich neue Rolle zufallen, als Sitz des bundesdeutschen Parlaments.

Modernisierung des Reichstagsgebäudes sollte 1995 starten

Dafür sollte das Gebäude umfassend umgebaut und modernisiert werden. Architekt Norman Foster setzte sich in einem 1993 ausgelobten Gestaltungswettbewerb durch, der Umbau sollte direkt nach der Verhüllungsaktion im Sommer 1995 beginnen und 1999 abgeschlossen werden, was letztlich auch genauso geschah. Am 8. September 1999 trat der Bundestag erstmals im neuen Plenarsaal des Reichstagsgebäudes zusammen.

Der zu verhüllende Reichstag des Sommers 1995 präsentierte sich also noch in dem Zustand, in dem er sich mehrere Jahrzehnte, direkt an der Berliner Mauer liegend, befunden hatte. Ohne Kuppel, notdürftig wiederhergerichtet und deutlich sanierungsbedürftig. Der Faszination des Gebäudes und vor allem natürlich seiner tiefen Symbolik hatte dies jedoch nichts anhaben können.

Ringen um die Umsetzung des Projekts seit den 70er Jahren

So wurde die Wiese vor dem Reichstagsgebäude nicht nur gern von Ausflüglern und Hobbyfußballern genutzt, sondern war zudem eine beliebte Konzert-Location. Barclay James Harvest, David Bowie, Genesis, Michael Jackson – sie alle traten in den 80er Jahren vor dem Reichstagsgebäude auf.

Deutlich weiter zurück ging die erste Anfrage des Künstlerpaars Christo und Jeanne-Claude, ob es nicht möglich wäre, das Reichstagsgebäude im Rahmen einer Kunstaktion für mehrere Wochen verhüllen zu können. Bereits Mitte der 70er Jahre entstand die Idee dafür. In diesem Zeitraum wurde in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn erstmals die Umsetzung eines solchen Projekts erörtert.

Rita Süssmuth ebnete den Weg

Bis das Projekt jedoch wirklich umgesetzt werden konnte, vergingen Jahrzehnte. Am Ende war es die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, die den Weg für das Projekt ebnete, obwohl selbst Kanzler Helmut Kohl gegen die Verhüllungsaktion war.

Zu groß schien Mitte der 90er Jahre noch die Angst vor einer Überhöhung oder unangemessenen Verherrlichung der deutschen Geschichte zu einem Zeitpunkt, da die Alliierten gerade erst aus Berlin abgezogen waren und das Land sich in einem schwierigen Transformationsprozess befand.

Die Berliner*innen nahmen die Aktion ohne Vorbehalte an

Dass diese Sorgen unbegründet waren, zeigte der Sommer 1995. Denn die Verhüllung des Reichstagsgebäudes gilt gemeinhin als Startpunkt eines völlig neuen Berlin-Gefühls und einer veränderten Wahrnehmung dieser lange geschundenen und geteilten Metropole. Vom 24. Juni bis zum 7. Juli war das Gebäue vollständig umhüllt und wurde jeden Tag von hunderttausenden Besucher*innen aus aller Welt bestaunt.

Die Stimmung rund um das silbern glänzende, eingewickelte Parlamentsgebäude war so ausgelassen und elektrisierend, dass es wie ein Versprechen auf das wirkte, was Berlin irgendwann einmal wieder sein könnte – eine faszinierende, mitreißende Metropole.

Um sich einen Eindruck davon zu verschaffen, wie die Verhüllung des historischen Gebäudes vor rund 26 Jahren ablief und welche Stimmung rund um das verpackte Gebäude in den Wochen der Verhüllung war, gibt es im Netz einige sehenswerte Videos.

Die ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN Redaktion hat einige dieser Videos zusammengestellt:

 

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In Paris, the Arc de Triomphe is currently being wrapped as part of a spectacular art action. It is the completion of an art action long planned by the artist Christo and brings back memories of an extraordinary Berlin summer in 1995.

In the summer of 1995, the artist couple Christo and Jeanne-Claude wrapped the Reichstag building in Berlin. It became a Berlin summer fairy tale, which drew the eyes of the world to the still young German capital for several weeks and created an extraordinary, inspiring atmosphere around the wrapped building.

It was, so to speak, the end of a decades-long epoch in which the Reichstag building had fallen into a slumber after being condemned to insignificance by war damage and the division of Berlin. After the successful reunification in November 1989 and the following October 3, 1990, the building was to take on a completely new role in the future, as the seat of the Federal German Parliament.

MODERNIZATION OF THE REICHSTAG BUILDING WAS TO START IN 1995

To this end, the building was to be extensively remodeled and modernized. Architect Norman Foster prevailed in a design competition held in 1993, and the renovation was to begin immediately after the wrapping campaign in the summer of 1995 and be completed in 1999, which is exactly what ultimately happened. On September 8, 1999, the Bundestag convened for the first time in the new plenary hall of the Reichstag building.

The Reichstag of the summer of 1995, which was to be shrouded, thus still presented itself in the condition in which it had been for several decades, lying directly next to the Berlin Wall. Without a dome, makeshiftly restored and clearly in need of renovation. However, this had done nothing to diminish the fascination of the building and, above all, of course, its profound symbolism.

STRUGGLE FOR THE REALIZATION OF THE PROJECT SINCE THE 1970S

The lawn in front of the Reichstag building was not only popular with day trippers and amateur soccer players, but was also a popular concert venue. Barclay James Harvest, David Bowie, Genesis, Michael Jackson – they all performed in front of the Reichstag building in the 80s.

The first request by the artist couple Christo and Jeanne-Claude to cover the Reichstag building for several weeks as part of an art campaign went back much further. The idea for this came about as early as the mid-1970s. It was during this period that the implementation of such a project was first discussed in Bonn, the capital of Germany at the time.

RITA SÜSSMUTH PAVED THE WAY 

However, decades passed before the project could actually be implemented. In the end, it was the then Bundestag President Rita Süssmuth who paved the way for the project, even though even Chancellor Helmut Kohl was against the wrapping project.

In the mid-1990s, the fear of an exaggeration or inappropriate glorification of German history seemed too great at a time when the Allies had just left Berlin and the country was undergoing a difficult transformation process.

BERLINERS ACCEPTED THE ACTION WITHOUT RESERVATIONS

The summer of 1995 showed that these worries were unfounded, for the wrapping of the Reichstag building is generally regarded as the starting point of a completely new Berlin feeling and a changed perception of this long battered and divided metropolis.

The mood around the shiny silver, wrapped parliament building was so exuberant and electrifying that it seemed like a promise of what Berlin could someday be again – a fascinating, rousing metropolis.

To get an idea of how the wrapping of the historic building took place some 26 years ago and what the mood was around the wrapped building during the weeks of the wrapping, there are some videos on the web worth watching.

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