In der City West warten zwei zentrale Stadtplätze seit vielen Jahren auf eine zeitgemäße Umgestaltung und die Realisierung lang geplanter Verkehrskonzepte. Doch weder auf dem Breitscheidplatz rund um die Gedächtniskirche noch auf dem Hardenbergplatz am Bahnhof Zoo rührt sich etwas, dabei wäre eine Modernisierung bitter nötig. Doch woran liegt es?
© Fotos: Wikimedia Commons
Text: Björn Leffler
Man kann nicht behaupten, dass es in Berlins City West an ambitionierten Bauvorhaben mangelt. In den kommenden Jahren wird sich das Gesicht des westlichen Zentrums der Hauptstadt signifikant ändern.
So sollen etwa auf dem traditionellen Karstadt-Areal am Kurfürstendamm zwei neue Hochhäuser entstehen. Projektentwickler Signa stellte das siegreiche Konzept des dänischen Büros Henning Larsen Architects im Juni diesen Jahres vor.
Hochhäuser: Große Bauprojekte in Berlins City West geplant
Wenige Meter weiter treibt Signa derzeit gleichzeitig eine umfassende Revitalisierung des Quartiers zwischen Passauer Straße und Nürnberger Straße am KaDeWe voran. Und nördlich des Bahnhofs Zoologischer Garten soll in den kommenden Jahren ein Hochhausprojekt mit insgesamt fünf neuen Gebäuden realisiert werden.
Die Hochhäuser sollen zwischen 60 und 110 Metern hoch werden. Nach dem Willen der Senatsverwaltung soll zwischen Fasanenstraße und Bahnhof Zoo ein attraktives Stadtviertel mit Hochschulgebäuden der Technischen Universität, neuen Wohnungen, Büros, Freiflächen und Stadtplätzen entstehen.
Entwicklung von Hardenbergplatz und Breitscheidplatz steht still
Während diese Projekte mit Nachdrucke vorangetrieben werden, liegen zwei weitere Bauvorhaben der City West seit Jahren auf Eis, obwohl bereits mehrfach eine Umgestaltung und Modernisierung angekündigt worden ist.
Die Rede ist von den nicht weit entfernt voneinander liegenden Stadtplätzen Hardenbergplatz am Bahnhof Zoo sowie dem Breitscheidplatz rund um die Gedächtniskirche. Beide Plätze haben, das wird bei einem Vor-Ort-Besuch schnell deutlich, eine zeitgemäße Umgestaltung bitter nötig.
Christoph Langhof schlug 5 Hochhäuser für den Hardenberglatz vor
Eine solche hatte Architekt Christoph Langhof im Februar 2023 für den Hardenbergplatz proaktiv publiziert. Langhof schlug ein vollkommen neues Nutzungskonzept für den Vorplatz des Bahnhofs vor und würde auf der Fläche fünf 70 Meter hohe Gebäude errichten und zeitgleich den Autoverkehr vom Platz verbannen.
Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf unter Federführung des Bezirksstadtrats für Ordnung, Umwelt, Straßen und Grünflächen, Oliver Schruoffeneger (Die Grünen), hat für den Platz jedoch ganz andere Pläne, die bereits lange bekannt sind.
Der Bezirk hat gänzlich andere Pläne für den Hardenbergplatz
Der Platz, der vielen Berlinerinnen und Berlinern sowie auch Gästen der Stadt lediglich als Vorplatz des Bahnhofs Zoo und große Parkfläche bekannt ist, präsentiert sich seit Jahrzehnten als eher unrühmliches Eingangstor zur City West.
Entstanden ist der Platz im Jahre 1958, als der zwischen Hertzallee und Hardenbergstraße befindliche Teil der Joachimsthaler Straße in Hardenbergplatz umbenannt und zu einem solchen umgebaut wurde. Benannt ist er – wie auch die Hardenbergstraße – nach dem preußischen Staatsmann Karl August von Hardenberg.
Das Thema Mobilität soll den Hardenbergplatz der Zukunft prägen
Hochhäuser, wie von Langhof vorgeschlagen, kommen in den Planungen des Bezirks allerdings nicht vor. Denn das Thema Mobilität soll in den kommenden Jahren das bestimmende Thema auf dem Hardenbergplatz werden, für den es allein in den vergangenen zehn Jahren verschiedenste Umbaukonzepte gegeben hat – realisiert wurde bislang keines.
Oliver Schruoffenegers Ziel ist es, den Platz moderner und digitaler zu gestalten. Dies soll im Rahmen eines Modellprojekts erfolgen. Demnach soll der Hardenbergplatz als typischer Bahnhofsvorplatz mit hoher Nutzung “smart und flexibel” umgestaltet werden.
Hardenbergplatz: Modellprojekt “Smart Cities” wird durchgeführt
Event-, tages-, wetter-, oder jahreszeitabhängig soll der Platz flexibel anpassbar und für sämtliche Mobilitätsformen nutzbar gemacht werden. Konkret sollte es dabei um die Frage gehen, wie man einen Stadtplatz auch mehrfach nutzen kann.
Im Rahmen des Programms Modellprojekte Smart Cities des Bundesinnenministeriums hat der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf nach Angaben des Stadtrats rund 1,4 Millionen Euro für die Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes bekommen. Dies war vor rund anderthalb Jahren.
Der Hardenbergplatz wurde bislang in keiner Weise umgestaltet
Wer sich heute auf dem Hardenbergplatz umsieht, kann allerdings kaum eine spürbare Veränderung auf dem nach wie vor als öde gestaltete Parkplatzfläche genutzten Platz erkennen. Im September berichtete der Tagesspiegel allerdings, dass Martina Klement (CDU), Chief Digital Officer des Landes Berlin und eben Schruoffeneger den “Smart Space Hardenbergplatz” eröffnet hätten.
Mit Hilfe digitaler Teilhabe soll seitdem an Infopunkten auf dem Platz erkundet werden, ob dieser Ort in der City West das Potenzial hat, sich zu einem Stadtplatz mit neuen Nutzungen und neuen Akteuren, besseren Aufenthaltsmöglichkeiten und smarten Mobiliätsangeboten zu entwickeln.
Wofür wurden die 1,4 Millionen Euro eigentlich verwendet?
Diese “Aktivität” der Bezirkspolitik wirkt tatsächlich so kleinteilig und wenig innovativ, dass die Frage erlaubt sein muss, wofür die 1,4 Millionen Euro denn nun genutzt worden sind. Allem Anschein nach soll nun aber erst einmal eruiert werden, welche Mobilitätsangebote am Platz überhaupt nötig oder sinnvoll wären.
Bei einer so wenig ambitionierten Herangehensweise lässt sich sehr leicht die Prognose stellen, dass sich am Hardenbergplatz auch in den kommenden Jahren nicht viel ändern wird und die wertvolle öffentliche Fläche, die deutlich effektiver genutzt werden könnte, eine reine Durchfahrts- und Parklandschaft bleiben wird.
Breitscheidplatz: Verkehrskonzept liegt seit Jahren in der Schublade
Wenig besser sieht es am Breitscheidplatz aus – ebenfalls Hoheitsgebiet von Oliver Schruoffeneger. Genauso wie der Hardenbergplatz präsentiert sich dieser Platz in einem städtebaulich erbärmlichen Zustand, wozu vor allem das noch immer dominierende Sicherheitsprovisorium rund um den Platz an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche beiträgt.
Dabei gibt es für den zentralen Platz in Berlins City West seit Jahren fertige Umbau- und Verkehrskonzepte, die bis heute auf ihre Umsetzung warten. Bereits seit dem furchtbaren Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz im Dezember 2016 wird über eine Umgestaltung des Bereiches diskutiert – also seit mittlerweile sieben Jahren.
Seit sieben Jahren wird über ein neues Verkehrskonzept diskutiert
Das Konzept, welches für mehr Sicherheit auf dem Platz selbst und eine Beruhigung des Verkehrs rund um Gedächtniskirche und Europacenter führen soll, sieht eine Entfernung der beiden südlichen Fahrstreifen der Budapester Straße vor.
Künftig sollen diese vielmehr als Fußgängerbereich genutzt werden können. In jede Richtung würde dann jeweils eine Spur bis zur Kreuzung Joachimsthaler Straße führen. Eine geradlinige Fahrt wäre jedoch nicht mehr möglich.
Sicherheitskonzept: Die Kantstraße soll zur Sackgasse werden
Die Kantstraße wiederum soll zu einer Sackgasse werden, sodass der Breitscheidplatz von hieraus nicht mehr zugänglich wäre. Eine Sperrung mithilfe einer Platzkante sollte die Weiterfahrt in diesem Bereich verhindern.
Auch die Südseite des Breitscheidplatzes stand im Fokus der geplanten Änderungen. So sah die Senatsverwaltung für Inneres die Etablierung eines Zickzackkurses vor. Kurz vor dem Knotenpunkt an der Gedächtniskirche sollte diese Straßenführung am Nordende der Rankestraße den Bereich beruhigen und schnelle Fahrten verhindern.
Die provisorischen Poller sollten einem dauerhaften Verkehrskonzept weichen
Zeitgleich sollte ein durchgezogener Mittelstreifen das Erreichen des Breitscheidplatzes von der Rankestraße aus verhindern. Dies würde jedoch auch bedeuten, dass das Linksabbiegen auf den Kurfürstendamm nicht mehr möglich wäre.
Die nach dem Attentat auf den Weihnachtsmarkt provisorisch errichteten Poller-Befestigungen sollten somit einem dauerhaften Verkehrskonzept weichen. Die aktuell nicht zufriedenstellende Lösung sollte durch diesen Vorschlag die städtebauliche Lage rund um den Platz erheblich verbessern.
Bezirk und Senat schieben sich die Schuld am Stillstand gegenseitig zu
Umgesetzt wurde von den oben beschriebenen Planungen bis heute nichts. Die Schuld dafür schieben sich laut einem Bericht der Berliner Morgenpost die beteiligten Senatsverwaltungen und der Bezirk gegenseitig zu.
Die ursprünglich an dem Verfahren beteiligte Senatsverwaltung für Inneres und Sport sieht sich derzeit nicht mehr am Zug. Derzeit soll das vom Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf erarbeitete Konzept zur Freigabe bei der von Manja Schreiner geführten Verkehrsverwaltung liegen.
Schruoffeneger drängt den Senat zur Freigabe des Konzepts
Oliver Schruoffeneger mahnt an, dass die Umsetzung des Verkehrskonzepts erst nach einer Freigabe durch den Senat erfolgen könne. Dort jedoch bleibt man ausgesprochen unklar, was die zukünftigen Planungen für den Breitscheidplatz angeht.
“Die Ideen des Bezirks sind hier im Haus bekannt“, sagte eine Sprecherin der Senatsverkehrsverwaltung zur Berliner Morgenpost. Und weiter: “Wir prüfen derzeit, was davon umgesetzt werden kann.” Ziel sei es, schnellstmöglich zu einer bestmöglichen Lösung für alle Beteiligten zu kommen.
Die Verkehrsverwaltung “prüfe derzeit” das vorliegende Konzept
Wann diese Lösung stehen soll und welchen Zeitplan es für eine mögliche Umsetzung gibt, ist derzeit nicht bekannt. Es wäre allerdings auch nicht völlig überraschend, wenn die neue Verkehrssenatorin auch für die City West mit einer völlig neuen Idee um die Ecke kommt, was die Verkehrsplanung angeht. Vermutlich sind im vorliegenden Konzept zu viele Fußgängerzonen und zu viele entfallende Autospuren enthalten.
So wurden durch die neue Senatorin ja unter anderem schon lange geplante Verkehrsprojekte etwa auf der Leipziger Straße, der Torstraße oder der Schönhauser Allee ausgebremst oder auf Eis gelegt – was in allen genannten Fällen eine Verlängerung der Projektlaufzeit zur Folge hat.
Berlin lässt zentrale Plätze seiner City West im Status Quo verharren
Am Breitscheidplatz würde ein solches Szenario wohl bedeuten, dass das unschöne Provisorium für mindestens ein Jahrzehnt Bestand haben könnte, was die Senatsinnenverwaltung im Übrigen als wenig problematisch ansieht.
Problematisch ist hingegen, dass es dem Berliner Senat sowie dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf nicht gelingt, zwei zentrale Plätze des westlichen Stadtzentrums so umzugestalten, dass sich Nutzer und Gäste auf den Plätzen einigermaßen wohl fühlen können – und ihre Nutzung den Mobilitätsanforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht werden kann. Es deutet leider wenig darauf hin, dass sich der Status Quo schnell ändern wird.
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Quellen: Berliner Morgenpost, BVG, Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, Der Tagesspiegel
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2. November 2024
[…] Es waren nur selten guten Nachrichten, die man in den vergangenen eineinhalb Jahren über das ambitionierte Bauprojekt “FÜRST” am Kurfürstendamm in Berlin-Charlottenburg zu lesen bekam. Das Projekt gehört zu den größten derzeit laufenden Bauvorhaben in der Berliner City West. […]
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