In Friedrichshain-Kreuzberg werden in diesem Jahr deutlich mehr Wohnprojekte geplant als noch im vergangenen Jahr. Auch die Zahl der Bauvorhaben für Büro- und Gewerbekomplexe ist unvermindert hoch. Das Gesicht des populären Szenebezirks wandelt sich in hohem Tempo.
© Visualisierungen Titelbild (v.l.n.r.): Bauwert AG / Projektentwicklung Mediaspree in Berlin GmbH / Trockland
Text: Björn Leffler
Entgegen der aktuellen Marktentwicklung wird im zentralen Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg weiter unvermindert stark gebaut. Sowohl Büro- und Gewerbeprojekte werden in großer Zahl realisiert, genauso wie zahlreiche Wohnungsbauvorhaben.
Dabei ist das Bild berlinweit ein ganz anderes, zumindest was den Wohnungsbau angeht: Obwohl Wohnungen in der Hauptstadt weiterhin enorm begehrt sind, kommt der Neubau vor allem für bezahlbare Wohnungen nicht so recht voran. Im Gegenteil: Die Zahl der neu genehmigten Wohnungen nahm laut Tagesspiegel von Januar bis Ende September 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast neun Prozent ab.
Wohnungsmisere in Berlin: Der Bau bezahlbarer Wohnungen stagniert
Auch am Stadtrand nimmt die Zahl der genehmigten Wohnungsbauprojekte ab; im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl der genehmigten Ein -und Zweifamilienhäuser im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 27 Prozent.
Die Erklärung für die nachlassenden Bauaktivitäten in weniger begehrten Lagen ist naheliegend: Seit Beginn der Corona-Pandemie und den in der Folge unterbrochenen Lieferketten herrscht Krisenstimmung in der Baubranche. Mit Russlands Angriffskrieg in der Ukraine und der daraus resultierenden Energiekrise hat sich die Lage nun noch einmal verschärft.
Dynamischer Markt: In Friedrichshain-Kreuzberg herrscht ein wahrer Bauboom
Nicht so in Friedrichshain-Kreuzberg: Im Bezirk wurden insgesamt etwa vier Mal mehr neue Wohnungen geplant als im Vorjahr 2021. Das ist vor allem vor dem Hintergrund der gestiegenen Baupreise erstaunlich, denn diese seien nach Auskunft der WBM innerhalb der vergangenen acht Monate um nahezu 30 Prozent gestiegen.
Private, national oder gar global agierende Investoren und Immobilienentwickler können diese Preissteigerungen natürlich eher verkraften als landeseigene Wohnungsbauunternehmen, die vor allem die Schaffung bezahlbarer Wohnungen als Ziel haben, wie sie beispielsweise bei Wohnungsbauprojekten an der Modersohnstraße oder auf dem Dragoner Areal geplant sind.
Viele Projekte zielen auf den Bau von Eigentumswohnungen
Neben landeseigenen Wohnungsbauprojekt gibt es in Friedrichshain-Kreuzberg demzufolge auch eine Vielzahl privater Wohnvorhaben, die häufig den Bau von Eigentumswohnungen oder hochpreisigen Mietwohnungen im Fokus haben. Dazu gehören beispielsweise das Wohnprojekt „The Franz“ am Franz-Mehring-Platz oder das Bauvorhaben „Pandion Midtown“ am Vivantes Klinikum Friedrichshain.
Auch auf Kreuzberger Seite werden mehrere Projekte parallel entwickelt. Dazu gehört das Wohn- und Gewerbeprojekt „Die Macherei“ am Landwehrkanal oder auch das Projekt „Jahn Urban“, bei dem 20 Eigentumswohnungen entstehen.
Büro-Immobilien sind in Friedrichshain-Kreuzberg gleichermaßen stark gefragt
Genauso intensiv wie der Wohnungsmarkt entwickelt sich in Friedrichshain-Kreuzberg allerdings auch der Immobilienmarkt für Büro- und Gewerbeobjekte. Bereits im Sommer 2021 berichteten wir über die große Zahl an Büroprojekten zwischen Ostkreuz und Ostbahnhof.
Bauvorhaben wie der Gewerbecampus am Postbahnhof, das Projekt „Axis Offices“ an der Rummelsburger Bucht, der geplante „Ostkreuz Campus“ an der Persiusstraße oder die Hochhausprojekte „Stream“ und „EDGE East Side“ an der Warschauer Brücke standen schon damals exemplarisch für diese dynamische Entwicklung.
Vor allem Gewerbeimmobilien in der Innenstadt stehen hoch im Kurs
Ein Nachlassen der Bauaktivitäten ist nicht zu spüren, da auch der Berliner Immobilienmarkt für Bürogebäude unvermindert dynamisch ist. Vor allem Büroflächen in attraktiven Innenstadtlagen sind begehrt, und so sind auch in diesem Jahr weitere Büroprojekte in Friedrichshain-Kreuzberg auf den Weg gebracht worden.
Direkt am Ostbahnhof entsteht das großformatige Projekt „PLTFRM.Berlin“, im Mercedes-Benz-Quartier wird ein bestehendes Parkhaus in ein Bürogebäude umgebaut, im Rudolfkiez entstehen die „Tamara-Danz-Höfe“.
„Bockbrauerei“, „Adalbert-Höfe“ oder „Urbane Mitte“: Büroprojekte en masse
Auch in Kreuzberg werden weiterhin zahlreiche Gewerbeprojekte realisiert: Die Erweiterung der Adalbert-Höfe, die Reaktivierung der historischen Bockbrauerei oder das sieben bis zu 90 Meter hohe Gebäude umfassende Bauvorhaben „Urbane Mitte“ im Park am Gleisdreieck sind nur einige von vielen Beispielen für den unvermindert anhaltenden Trend.
Wohn- und Gewerbeimmobilien werden im Bezirk gewissermaßen äquivalent entwickelt, was die bauliche Struktur von Friedrichshain und Kreuzberg signifikant verändert und eine starke Verdichtung zur Folge hat. Aber auch auf Miet- und Kaufpreise hat eine so anhaltend intensive Bauaktivität naturgemäß spürbare Auswirkungen.
Steigende Mieten: Viele Menschen im Bezirk fürchten die Verdrängung
So fürchten viele Menschen im Bezirk steigende Mieten und eine schleichende Verdrängung, trotz der auch weiterhin geplanten und durchgeführten Wohnungsbauprojekte, die das Land Berlin im Bezirk realisiert.
Nichtsdestotrotz wirken diese Projekte mitunter wie ein Tropfen auf dem heißen Stein in Friedrichshain-Kreuzberg, das seit vielen Jahren zu den sich am rasantesten verändernden Berliner Quartieren gehört. Eine Entwicklung, die sich augenscheinlich noch lange nicht abkühlen wird.
Und dies hat natürlich bereits jetzt sichtbare Verdrängungsmechanismen in Gang gesetzt: So müssen die Betreiber des Kulturareals „Zukunft am Ostkreuz“ nach einer neuen Bleibe suchen, da auf ihrem Gelände ein Büroprojekt realisiert werden soll.
Neues RAW-Areal: Projekt steht sinnbildlich für die Veränderung des Bezirks
Und auch die geplante Veränderung auf dem RAW-Areal an der Revaler Straße wird im Bezirk ausgesprochen kontrovers diskutiert. Das Projekt zwischen Warschauer Straße und Modersohnstraße steht quasi beispielhaft für die bauliche und kulturelle Transformation des Bezirks. Ein Prozess, der naturgemäß Chancen und Risiken birgt.
Die Angst jedoch, dass der grundsätzliche Charakter der vielfältigen Quartiere in Friedrichshain-Kreuzberg bei dieser rasanten Entwicklung verloren geht, teilen derzeit viele Menschen. Und sie ist sicher nicht unbegründet.
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Quellen: Der Tagesspiegel, Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN, WBM
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