Verkehrssenatorin Bettina Jarasch hat ihre Forderung erneuert, im Berliner Straßennetz Tempo 30 zur Regelgeschwindigkeit zu machen. Um ihre Forderung umzusetzen, müsste vor allem der Bund eine Gesetzesreform anstoßen, was dieser bislang ablehnt. Bundesweit jedoch gibt es eine Vielzahl von Städten und Gemeinden, die seit Jahren Tempo 30 als innerstädtisches Tempolimit fordern.
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Text: Björn Leffler
Verkehrssenatorin Bettina Jarasch, die gleichzeitig Spitzenkandidatin der Grünen im derzeit laufenden Berliner Wahlkampf ist, hat kürzlich auf dem Landesparteitag der Grünen-Partei ihre Forderung erneuert, Tempo 30 zur Regelgeschwindigkeit für einen Großteil des Berliner Straßennetzes zu machen.
Jarasch zeichnete die Vision, dass Tempo 30 zukünftig zum Standard-Tempolimit der Hauptstadt werde und die Zahl der Verkehrskontrollen gleichzeitig signifikant erhöht wird, um die Einhaltung des Limits auch durchzusetzen.
Bettina Jarasch: “Es geht mir um den Schutz der Schwächsten im Verkehr”
“Man kann nicht über Verkehrssicherheit und sichere Schulwege sprechen und zugleich mehr Tempo 30 ablehnen. Es geht mir um den Schutz der Schwächsten im Verkehr“, verteidigte Jarasch ihre Forderung gegenüber dem Tagesspiegel.
Tempo 30 sorge für weniger Unfälle, weniger Verkehrstote und mehr Sicherheit – zugleich für weniger Lärm und bessere Luft, so die Argumentation der aktuellen Berliner Senatorin für Umwelt, Mobilität und Klimaschutz.
Das Land Berlin kann Jaraschs Forderung nicht ohne den Bund durchsetzen
Dass das Land Berlin eine solche Entscheidung nicht allein treffen kann, ist Jarasch durchaus bewusst: “Deshalb fordern wir vom Bund eine Länderöffnungsklausel, um Tempo 30 in Innenstädten individuell zu ermöglichen.”
Grundsätzlich soll es von der Regel begründete Ausnahmen geben, betonte Jarasch: “Das heißt, dass künftig höhere Geschwindigkeiten auf der Stadtautobahn und bestimmten Magistralen immer noch möglich sind, aber ausdrücklich angeordnet werden müssen. Verkehrssicherheit, gerade für Kinder und Senior*innen, hat dann Priorität.”
Schon heute gilt auf drei Viertel der Berliner Straßen Tempo 30
Was wie eine utopische Forderung klingt, ist im Grunde gar nicht weit vom heutigen Status Quo entfernt. Denn schon heute gilt auf drei Viertel der Berliner Straßen Tempo 30. Auf weiteren Abschnitten kann das Land Berlin die Geschwindigkeitsvorgabe jedoch nur schwer oder gar nicht vorgeben, weil der vom Bund vorgegebene Rechtsrahmen eng begrenzt ist.
Die regierende Bürgermeisterin, Franziska Giffey (SPD) ist hinsichtlich Jaraschs Forderung nach einem flächendeckenden Tempo-30-Limit äußerst zurückhaltend. Auch die Opposition kritisiert die Pläne Jaraschs, was wenig überrascht.
Die Opposition kritisiert die Pläne von Bettina Jarasch
“Bettina Jarasch hat wirklich vor, aus dem Roten Rathaus heraus bei voller Fahrt die Handbremse für unsere Stadt zu ziehen“, sagte beispielsweise FDP-Spitzenkandidat Sebastian Czaja zum Thema. Er befürchtet, dass dadurch Berlin zum Dorf zusammengeschrumpft werde, anstatt die Stadt als Metropole zu betrachten.
Der Bund hingegen bewertet die Sachlage nicht gänzlich anders als Bettina Jarasch. So empfiehlt das Umweltbundesamt, deutschlandweit Tempo 30 als innerörtliche Regelgeschwindigkeit einzuführen, denn: “In den Simulationen zeigen sich enorme Lärmentlastungen besonders an Hauptverkehrsstraßen“, wie es in einer offiziellen Erklärung der Bundesbehörde zum Thema heißt.
Bundesumweltamt empfiehlt Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in Ortschaften
Zudem könnten verkehrsbedingte Luftschadstoffe wie Stickoxide und Feinstaub durch Tempo 30 leicht zurückgehen. Auch Unfallforscher weisen darauf hin, dass die Gefahr und Schwere von Zusammenstößen dadurch deutlich sinken und zudem die Lärmbelästigung deutlich abnehme.
Eine Abkehr von der deutschlandweit innerorts geltenden Regelgeschwindigkeit von Tempo 50 könnte nur mit einer Änderung der Straßenverkehrsordnung auf Bundesebene beschlossen werden, also nicht auf Berliner Landesebene.
Initiative: “Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten”
Das von der FDP geführte Bundesverkehrsministerium sieht derzeit jedoch keinen Anlass, eine solche Verkehrsreform in die Wege zu leiten. Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat sich bereits mehrfach gegen derartige Bestrebungen ausgesprochen.
Mehr als 400 Städte, Kreise und Gemeinden in Deutschland versuchen das allerdings bereits seit mehreren Jahren zu ändern. Sie haben sich zur Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ zusammengeschlossen. Die Pläne von Bettina Jarasch haben also auch bundesweit eine breite Unterstützerebene, was nicht unterschätzt werden sollte.
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Quellen: Der Tagesspiegel, Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz
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