Paris treibt gerade einen beispiellosen Ausbau seines Nahverkehrsnetzes voran. Bis 2030 sollen 68 neue Stationen, vier neue Linien und 200 Kilometer neue Bahnstrecken entstehen. Das Projekt “Grand Paris Express” hat zum Ziel, den Verkehr im Großraum Paris zu verbessern und die Außenbereiche besser mit dem Zentrum zu vernetzen.
© Fotos: depositphotos.com
Text: Björn Leffler
Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) weilte Anfang der Woche in Paris, um sich den dort derzeit stattfindenden Ausbau des Nahverkehrsnetzes anzusehen. Begleitet wurde Giffey von BVG-Chef Henrik Falk.
Giffey ist neben ihrer Tätigkeit als Senatorin auch Aufsichtsrätin der BVG. So lag es nahe, dass sich die Berliner Delegation einmal vor Ort ansah, was sich in Sachen Verkehrsplanung in der französischen Hauptstadt aktuell so tut.
“Grand Paris Express”: Größtes Infrastrukturprojekt Europas
Und das ist eine Menge. Denn das “Grand Paris Express” genannte Bauvorhaben gilt als größtes Infrastrukturprojekt Europas und soll die Bevölkerung im Großraum Paris besser vernetzen und Wachstumsimpulse für die lokalen Ökonomien setzen.
Trotz der hervorragenden öffentlichen Verkehrsanbindung in Paris gibt es erhebliche Unterschiede zwischen dem Stadtzentrum – das derzeitige Verkehrsnetz im Bereich der Île-de-France, welches hauptsächlich Paris abdeckt – und den Vororten.
Paris und seine Vororte sind bislang nicht optimal miteinander vernetzt
Neben der veralteten technischen Infrastruktur fehlt es derzeit noch vor allem an direkten Verbindungen zwischen den Vororten. Dies führt zu Ungleichheiten im Mobilitätsangebot, die wiederum wirtschaftliche und soziale Nachteile mit sich bringen.
Das Projekt “Grand Paris Express” hat daher zum Ziel, den Verkehr im Großraum Paris zu verbessern und den Mobilitätsbedürfnissen seiner Einwohner gerecht zu werden. Es umfasst den Bau von vier neuen U-Bahn-Linien sowie die Modernisierung und Erweiterung bestehender Linien.
Pariser Metro: Verdopplung des gesamten Streckennetzes geplant
Dadurch sollen Wohngebiete, Flughäfen und Arbeitszentren effizienter miteinander verbunden werden. Mit der Verdopplung der gesamten Streckenlänge des U-Bahn-Netzes soll der “Grand Paris Express” den Einwohnern der Region Paris eine nachhaltige Alternative zum Auto bieten.
Das Projekt soll zugleich auch die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Städte in den inneren und äußeren Ringen fördern, insbesondere derjenigen, die bisher weniger gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden waren und sind.
Soziale und territoriale Ungleichgewichte sollen verringert werden
Nach seiner Fertigstellung soll dieses Verkehrs-Megaprojekt die Subzentren und ihre Bewohner näher zusammenbringen und dazu beitragen, die sozialen und territorialen Ungleichgewichte zwischen Paris und seinen Vororten zu verringern – so der Plan der Projektverantwortlichen.
Ein ähnliches Konzept, welches die BVG für die Metropolregion Berlin/Brandenburg entwickelt hat, wurde im März 2023 bekannt – und erntete vielerorts Hohn und Spott. Die BVG möchte mit diesem “Expressmetropole Berlin” genannten Plan den massiven Ausbau des Berliner U-Ban-Netzes forcieren.
In Berlin hat die BVG ein ähnliches Verkehrskonzept entwickelt
Vor allem, um Lücken in der Erschließung der Außenbezirke zu schließen sowie fehlende leistungsstarke Querverbindungen zu schaffen. Dabei sollen nicht weniger als 171 Kilometer neuer U-Bahn-Strecken entstehen. Das Konzept kling also ganz ähnlich wie das, welches in Paris derzeit bereits umgesetzt wird. Die BVG hatte seinerzeit auch bestätigt, dass Paris durchaus als Vorbild dafür galt.
Die Zukunftsvision der BVG ist dabei in drei Ausbaustufen unterteilt. Im ersten Schritt sollen demnach ausnahmslos alle Bestandslinien verlängert werden. Neben der U7 soll es auch auf den Strecken der U1, U2, U8 und U9 einen Ausbau in beide Richtungen geben.
Wie soll das Projekt “Grand Paris Express” finanziert werden?
Genau wie in Berlin stellen sich bei so großdimensionierten Projekten natürlich die Fragen nach der Finanzierung. Denn in Paris umfasst das Projekt immerhin 68 neue Metro-Stationen und rund 200 Kilometer neue Strecke.
Seit dem Beginn der Planungen für das Pariser Projekt, die ab dem Jahr 2012 wirklich Fahrt aufnahmen, hat sich die Anzahl der geplanten neuen Bahnhöfe noch einmal erheblich erhöht. Dies führte natürlich auch zu einem signifikanten Anstieg der Kosten, die von ursprünglich 20 Milliarden Euro auf nun mindestens 36 Milliarden Euro gestiegen sind.
Paris: Kosten von 36 Milliarden Euro werden erwartet
Die Finanzierung dieser Summe erfolgt unter anderem durch eine Sondersteuer auf Büroflächen, Grundstücke und Hotelbetten, die jährlich Einnahmen von 800 Millionen Euro generiert. Zusätzlich müssen langfristige Darlehen aufgenommen werden.
Bis zum Jahr 2030, etwa 18 Jahre nach dem Start, soll das Projekt abgeschlossen sein. Giffey zeigte sich gegenüber der Berliner Morgenpost vom Tempo des Projekts beeindruckt und wollte Anregungen für den geplanten Verkehrsausbau in Berlin mitnehmen.
Franziska Giffey: “Ohne nationale Unterstützung geht es nicht.”
Sie betonte zudem, dass der Ausbau der U-Bahn nicht nur die Verkehrsverbindungen verbessern, sondern auch die Attraktivität der Gebiete rund um die neuen Stationen erhöhen würde. Zudem hob sie die kontinuierliche Unterstützung des Pariser Projekts über die Amtszeiten verschiedener Präsidenten hinweg hervor.
“Klar ist: Ohne nationale Unterstützung geht es nicht. Das ist etwas, das wir auch für Berlin festhalten müssen“, wird Giffey von der Morgenpost zitiert. Ein großer Treiber des Verkehrsprojekts in Paris sind natürlich auch die anstehenden Olympischen Spiele, die in diesem Sommer in der französischen Hauptstadt stattfinden.
Die Olympischen Spiele alt Triebfeder für das Pariser Verkehrsprojekt
Durch ein solches Großereignis werden Gelder aktiviert, die sonst nicht zur Verfügung stünden. Auch Berlin strebt die Austragung von Olympischen Sommerspielen an, entweder 2036 oder 2040. Hinzu kommt die geplante Internationale Bauausstellung, die Mitte der 2030er Jahre in Berlin stattfinden soll.
Womöglich lassen sich die ambitionierten Pläne der BVG im Zuge solcher Großereignisse realisieren. Paris macht dem Berliner Senat gerade vor, wie ein solches Vorhaben gelingen kann – auch wenn die Dimensionen im ersten Moment einschüchternd wirken können.
Quellen: Arcadis Germany GmbH, Berliner Morgenpost, B.Z., Wikipedia
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Berlin über 120 Jahre nach der Ersteinführung hat vielleicht ein schwer zu lösendes Problem generell: Verglichen mit asiatischen Metropolen sind die Züge schlichtweg zu klein, was sicherlich mit den Röhren zu tun hat. Aber vielleicht wird sich abhelfend die Tramidee immer mehr durchsetzen und somit druckablassend wirken können. Viele Mittelstreifen sind dafür durchaus weiterhin geeignet…..Ja, und hoffentlich kann die Magnetbahntechnologie Fahrt aufnehmen. Ob man es braucht oder nicht, wird wieder etliche verzögerne Diskussionen zur Folge haben. Aber der Stadt wäre es zu gönnen, denn so eine Technologiespritze einer ureigensten deustchen Technologie bringt immer frischen Wind in die Stube…
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