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Denkmalschutz: “Mäusebunker” in Lichterfelde bleibt erhalten

Hässlichstes Bauwerk Berlins oder erhaltenswertes Architektur-Denkmal? Über den zwischen 1971 und 1981 im Stil des “Brutalismus” errichteten “Mäusebunker” in Berlin-Lichterfelde wurde in den vergangenen Jahren kontrovers diskutiert. Befürworter und Gegner eines Abrisses stritten um die Zukunft des ikonischen Gebäudes. Nun wurde das Bauwerk unter Denkmalschutz gestellt.

Bis 2020 war das Gebäude, bekannt als “Mäusebunker”, sowohl Ort für Tierversuche als auch Ort der Aufzucht der Versuchstiere. Es enthält Labore, Büros und Tierställe. Nun wurde das Bauwerk, welches dem Architekturstil des “Brutalismus” zugeordnet wird, unter Denkmalschutz gestellt. / © Foto: Pixabay

© Fotos: Wikimedia Commons, Pixabay
Text: Björn Leffler

 

Eines der auffälligsten und umstrittensten Zeugnisse der Architekturrichtung “Brutalismus” steht im Südwesten Berlins, im Steglitz-Zehlendorfer Ortsteil Lichterfelde. Um die “Forschungseinrichtung für experimentelle Medizin” der Charité, wie das Gebäude bis 2019 offiziell hieß, wird seit vielen Jahren gestritten.

Bevor die Charité das Gebäude vor rund 20 Jahren in ihren Bestand aufnahm, befanden sich die ehemaligen zentralen Tierlaboratorien der Freien Universität Berlin in dem Gebäude.

Bis 2020 wurde der “Mäusebunker” als Laboratorium für Tierversuche genutzt

Bis 2020 wurde das Gebäude sowohl Ort für Tierversuche als auch als Aufzuchtsort der Versuchstiere genutzt. Das Gebäude enthält daher Labore, Büroräumlichkeiten und Tierställe. Der bauliche Zustand des Gebäudes verschlechterte sich in den letzten Jahren seiner Nutzung allerdings zusehends.

2012 beschloss die Charité daher, einen Ersatzbau auf dem Campus Berlin-Buch zu errichten. Die Bauarbeiten in Berlin-Buch begannen im Jahr 2015. Das neue Gebäude der Forschungseinrichtung “Experimentelle Medizin” wurde vier Jahre später in Betrieb genommen.

Neubau in Buch: Die Charité gab das Laborgebäude in Lichterfelde 2020 auf

Das Gebäude in der Lichterfelder Krahmerstraße, im Volksmund auch “Mäusebunker” genannt, wurde daraufhin aufgegeben. Die Planungen für den Bau des “Mäusebunkers” reichen bis in die Mitte der 1960er Jahre zurück. Entworfen hatte das Gebäude aus Sichtbeton das Architektenpaar Gerd und Magdalena Hänska, rund 134 Millionen Mark kostete der Bau insgesamt.

Baubeginn war im Jahr 1971, jedoch wurde der Bauprozess wegen hoher Kostenüberschreitungen von 1975 bis 1978 unterbrochen. Die Fertigstellung des Gebäudes konnte dann erst im Jahr 1981 erfolgen, nach über zehn Jahren Bauzeit. Spätestens seitdem das Gebäude im Jahr 2020 stillgelegt wurde, gibt es kontroverse Diskussionen darüber, ob das Gebäude abgerissen oder erhalten werden sollte.

“Mäusebunker”: Befürworter und Gegner eines Abrisses stehen sich gegenüber

Denn für die einen ist das Bauwerk ein hässliches, asbestbelastetes Monstrum, das man sofort abtragen sollte. Für die anderen ist das Gebäude jedoch ein schillerndes Beispiel für den Architekturstil des “Brutalismus” im Gewand eines Schlachtschiffs, das unter Denkmalschutz gestellt werden sollte.

Die außergewöhnliche Form des Gebäudes erklärte der Architekturhistoriker Felix Torkar gegenüber dem Deutschlandfunk so: “Die Planung war Ende der 60er Jahre. Der Mensch ist gerade auf den Mond geflogen. Es ist eine unheimliche Science-Fiction-Ära. Und da kommt das Schiffsmotiv der klassischen Moderne mit der Science-Fiction-Architektur der 60er und 70er Jahre zusammen und lässt diesen Sternenzerstörer entstehen.

“Sternenzerstörer” in Lichterfelde: Forderung nach Erhalt des “Mäusebunkers”

Genauso wie Felix Torkar machte sich auch Architekt Ludwig Heimbach bereits vor mehreren Jahren für einen Erhalt des “Mäusebunkers” stark: “Natürlich hat dieses Gebäude etwas Unheimlich-Schauderhaftes. Aber das ist das Einzigartige daran, weil wir als Architekten sonst fast immer zu einer positiven Utopie verdammt sind. Und das ist eher ein dystopisches Gebäude.

Landeskonservator Christoph Rauhut bestätigte nun gegenüber dem Tagesspiegel, dass das Gebäude erhalten und unter Denkmalschutz gestellt werden soll. So wird der “Sternenzerstörer” zwischen zwischen Teltowkanal und Hindenburgdamm bestehen bleiben.

Landeskonservator Christoph Rauhut bestätigt: “Mäusebunker” bleibt erhalten

Nachdem 2020 die letzten Labormäuse auf das im Norden von Pankow gelegene Klinikgelände in Buch umgezogen waren, wollte die Charité das Gelände in Lichterfelde anderweitig nutzen und beantragte daher selbst den Abriss des ikonischen Bauwerks.

Da das Gebäude mittlerweile aber auch international zahlreiche Anhänger hat und einen gewissen Kultstatus besitzt, haben sich – wie oben bereits angedeutet – zahlreiche Architekten, Stadthistoriker und Kulturschaffende für den Erhalt des “Mäusebunkers” eingesetzt.

Der “Mäusebunker” in Lichterfelde steht nun unter Denkmalschutz

Rauhut erklärte im Tagesspiegel-Interview, dass es nicht leicht war, das Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen: “Die Charité wollte das Gelände für eine Erweiterung des Benjamin-Franklin-Campus nutzen, während der Denkmalwert des Mäusebunkers immer deutlicher wurde. In der Tat verdanken wir es dem Engagement vieler Menschen im In- und Ausland, dass die Uhr von fünf nach zwölf auf fünf vor zwölf zurückgedreht werden konnte.

Rauhut führte im Gespräch zudem aus, wie es zur nun feststehenden Entscheidung kam: “Wir haben uns zusammengesetzt, das Land, der Bezirk, die Charité und das Denkmalamt, und ein städtebauliches Werkstattverfahren angestrengt. Es wurde klar, dass die Charité das Areal doch nicht zur Weiterentwicklung des Campus benötigt. Damit war der Druck vom Mäusebunker genommen.

Einigung und Erhalt: Die Charité benötigt das Gebäude nicht mehr

Zur Einordnung: Der zur Charité gehörende Campus Benjamin Franklin, 1968 eröffnet und längst in die Jahre gekommen, soll modernisiert und baulich ergänzt werden. Auch das Campusgelände in Steglitz steht seit 2012 als Gesamtanlage unter Denkmalschutz.

Fraglich ist nun aber, wie der “Mäusebunker” zukünftig genutzt werden soll. Denn die baulichen Voraussetzungen des schlecht belüfteten und mit wenig natürlichem Außenlicht versorgten Gebäudes sind herausfordernd. Zudem ist das Bauwerk geprägt von sehr kleinteiligen Laborgeschossen und niedrigen Technikgeschossen – und es muss schadstoffsaniert werden.

Rauhut stellt sich im Gebäude eine Mischnutzung vor: Cafés, Gewerbe, Kultur

Rauhut stellt sich eine Mischnutzung des Ensembles vor. Cafés, Veranstaltungsräume, gewerbliche Nutzungen, Räume für die Forschung und die künstlerische Praxis könnten seiner Ansicht nach in dem Gebäude untergebracht werden.

Um die Helligkeit des bunkerartigen Gebäudes zu erhöhen, sollen unter anderem Lichthöfe in das Bauwerk geschnitten werden, was einen signifikanten Eingriff in die Gebäudestruktur bedeuten würde. Durch gezielte architektonische Eingriffe sollen so das Belüftungs- und Belichtungsproblem gelöst werden.

Die Finanzierung des Umbaus steht derzeit noch in den Sternen

Nicht nur der Umbau des Gebäudes wird aufwendig und kostenintensiv, auch die Finanzierung der Schadstoffsanierung kommt auf das Land Berlin zu – für den Fall, dass das Land Berlin das Gebäude eigenständig sanieren möchte. Auch ein Verkauf an private Investoren oder eine Erbpacht sind denkbar.

Gleichzeitig denkt Rauhut bereits darüber nach, wie die Ausarbeitung eines Nachnutzungskonzepts aussehen kann: “Wir müssen vor allem klären, ob die Entwicklung über eine Konzeptvergabe oder über eine Public Civic Partnership laufen soll wie beim Haus der Statistik.

Schwierigkeiten im Umgang mit Gebäuden aus den 1960er und 1970er Jahren

Gleichzeitig äußerte der Leiter des Berliner Landesdenkmalamtes die Schwierigkeiten im Umgang mit Gebäuden aus der Architekturepoche der 1960er und 1970er Jahre: “Der Mäusebunker stellt eine Frage an uns: Wie gehen wir mit hochspezifischen Bauten aus dieser Zeit um, in der wir irrigerweise annahmen, Energie und Ressourcen seien im Überfluss vorhanden? Damals wurde europaweit sehr viel Geld für sehr aufwändige Gebäude ausgegeben, die schwierig nachzunutzen sind. In Berlin trifft das unter anderem auch auf das ICC zu.

In den kommenden Jahren soll also ein tragfähiges Nutzungskonzept für das komplexe Gebäude im Süden Berlins gefunden werden, sicher keine leichte Aufgabe. Zudem muss geklärt werden, wer die anfallenden Kosten für die sicher aufwändige Sanierung und den Umbau des Gebäudes übernehmen wird. Ein möglicher Abriss des “Mäusebunkers” ist aber erst einmal vom Tisch.

 

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© Foto: Wikimedia Commons

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Quellen: Charité Berlin, Der Tagesspiegel, Wikipedia, Architektur Urbanistik Berlin, Deutschlandfunk, Landesdenkmalamt Berlin

 

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