Zahlreiche historische Industriebauten prägen die Architektur in Schöneweide und Köpenick und sind maßgeblich für den architektonischen Charakter dieses besonderen Stadtraums im Südosten Berlins. Mittlerweile werden zahlreiche Bauprojekte umgesetzt, welche die bemerkenswerte Architektur in moderne Nutzungen überführen.
© Visualisierung Titelbild: Trockland Management GmbH
Text: Björn Leffler
Viele beeindruckende Industriebauten prägen bis heute die Architektur in Ober- und Niederschöneweide sowie in Köpenick. Die markanten Gebäude sind in diesem Teil Berlins in seltener Vielfalt vorhanden.
Prof. Dr. Norbert Huse, einer der prominentesten Denkmalpfleger Deutschlands, benennt den besonderen Charakter des Quartiers wie folgt: “Die Industrielandschaft Schöneweide ist für die Elektropolis Berlin, nicht weniger charakteristisch – und nicht weniger wichtig – als die Museumsinsel für Spree-Athen’.”
Schöneweide und Köpenick: Berlinweit einzigartige Industrielandschaft
Als das Zeitalter der Industrialisierung in Schöneweide und Köpenick begann, schossen Fabriken, Montagehallen, Werke und Lagerräume aus dem Boden. Eine große Zahl dieser Gebäude ist im Südosten Berlins bis heute erhalten geblieben.
Nachdem viele dieser Gebäude – vor allem nach der Wende – jahrzehntelang ungenutzt waren und verfielen, werden mittlerweile zahlreiche Bauprojekte geplant oder bereits umgesetzt, in denen diese Gebäude modernisiert und um neue Gebäude ergänzt werden.
Industriearchitektur: Neue Nutzungskonzepte für historische Gebäude
Vollkommen neue Nutzungskonzepte sollen in den historischen Bauten realisiert werden. Diese Konzepte reichen von gewerblichen bis hin zu kreativen und gastronomischen Nutzungen. Auch die Schaffung neuer Wohnquartiere gehört dazu.
Wir haben einige der Bauvorhaben, die in Schöneweide und Köpenick derzeit umgesetzt werden, hier zusammengefasst:
“WILHELMINE” IN OBERSCHÖNEWEIDE: INDUSTRIEDENKMAL WIRD MODERNISIERT
Ursprünglich diente das 1913 an der Wilhelminenhofstraße eröffnete Gebäude als Arbeiterwohlfahrtsgebäude, errichtet nach Plänen von Felix Lindhorst. Ab 1950 wurde es dann als Kulturhaus genutzt. Die Beschäftigten vom Werk für Fernsehelektronik feierten und tanzten im 500 Quadratmeter großen Saal, der auch heute noch erhalten ist.
Das Gebäude steht unter Denkmalschutz und soll vom Projektentwickler Trockland in den kommenden Jahren saniert und um einen Neubau erweitert werden. Dabei soll der ursprüngliche Charakter des historischen Ensembles, welches seit der Wende zunehmend verfällt, erhalten bleiben.
Schnellerstraße: Reaktivierung der historischen Bärenquell Brauerei
Ein weiteres architektonisches Kleinod ist die ehemalige Bärenquell Brauerei, die sich direkt an der vielbefahrenen Schnellerstraße im Ortsteil Niederschöneweide befindet. Der Komplex entstand als “Brauerei Borussia”, die von Max Meinert und dem Braumeister Alex Kampshenkel 1882 gegründet worden war.
Im Gegensatz zu vielen anderen, historischen Berliner Brauereien wurde auf dem Gelände auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch bis Mitte der 1990er Jahre Bier gebraut, bis der Betrieb letztlich eingestellt wurde. Längst stand das Areal schon unter Denkmalschutz, lag in der Folge jedoch jahrzehntelang brach.
Die historischen Gebäude sollen in den kommenden Jahren saniert und baulich ergänzt werden. In den Backsteinhäusern sollen Büroflächen und größere Gastronomiebetriebe eingerichtet werden. Mit der Entwicklung ist die Berliner Firma HCM Home Center Management betraut worden.
“BE-U”-PROJEKT IN OBERSCHÖNEWEIDE: Neues Quartier rund um Peter-Behrens-Bau
Es sind große Pläne, die das Unternehmen DIE AG im Berliner Südosten vorantreibt. Gemeint ist das Gewerbeprojekt “BE-U”, welches rund um den historischen Peter-Behrens-Bau entstehen soll. Mitten im Ersten Weltkrieg entwarf Peter Behrens im Auftrag der AEG dieses Gebäude für eine hochmoderne Automobilfabrik. Die Nationale Automobil Gesellschaft (NAG) stellte hier ab 1901 als Tochter der AEG Autos mit Elektro- und Verbrennungsmotoren her.
Zwei Kilometer vom S-Bahnhof Schöneweide und sieben Kilometer vom Bahnhof Ostkreuz entfernt soll in den kommenden ein neues Quartier entstehen. Mehr als 1,1 Milliarden Euro werden in das rund 10 Hektar große, ehemalige Industrieareal investiert. Die bauliche Mischung aus historischen und neuen Gebäuden soll künftig insgesamt 234.000 Quadratmeter Mietfläche für Gewerbetreibende bieten.
KABELWERK KÖPENICK: 900 WOHNUNGEN ENTSTEHEN AUF INDUSTRIEBRACHE
Auf dem historischen Gelände des einstigen Kabelwerks Köpenick, gelegen zwischen Salvador-Allende-Brücke, Friedrichshagener Straße und Spree, soll in den kommenden Jahren ein gemischtes Wohn- und Gewerbequartier entstehen. Geplant sind auf dem Gelände rund 900 Wohnungen, eine Kita, Gastronomie, Gewerbeflächen und Büros.
Das gut 66.000 Quadratmeter große, ehemalige Industrieareal liegt seit rund drei Jahrzehnten brach. Mehrere Investoren versuchten sich bereits an einer Entwicklung des komplizierten Geländes, doch alle zogen sich letztlich erfolglos zurück.
Nun will der Wohnungsbaukonzern BUWOG das Gelände neu entwickeln. Die noch auf dem Gelände stehenden, denkmalgeschützten Produktionsgebäude von einst sollen saniert, modernisiert und in das Gesamtensemble integriert werden. Das riesige Gelände in Berlin-Köpenick könnte nach Jahren des Stillstands und des Verfalls endlich in eine sinnvolle neue Nutzung überführt werden.
TROCKLAND PLANT KULTURPROJEKT “FUNKYTOWN” AN DER NALEPASTRASSE
Eine der größten, seit vielen Jahren ungenutzten Brachfläche im Südosten Berlins liegt zwischen der Rummelsburger Landstraße und dem heutigen “Funkhaus Berlin” an der Nalepastraße. Am Grenzverlauf der Bezirke Lichtenberg und Treptow-Köpenick liegt das Grundstück, welches lediglich mit einem alten DDR-Plattenbau bebaut ist.
Von 1956 bis 1990 hatte der Rundfunk der DDR seinen Sitz in dem beeindruckenden Gebäudeensemble. In diesem spannenden Umfeld möchte das Immobilienunternehmen Trockland in den kommenden Jahren ein Kultur- und Gewerbeprojekt realisieren, welches einen engen thematischen Bezug zur Funk- und Radiogeschichte des Areals aufweisen soll.
Das benachbarte “Funkhaus Nalepastraße” gehört hingegen nicht zum Grundstück und wird daher von diesem Projekt unberührt bleiben. Nichtsdestotrotz wird durch das Projekt “Funkytown” zwangsläufig ein vollkommen neuer, übergreifender Campus entstehen, über die bestehenden Grundstücksgrenzen hinweg.
Köpenick: Besonderes Wohnprojekt “BUWOG Helling Hof”
In Grünau wird mit dem Wohn- und Gewerbeprojekt “52° Nord” eines der größten Quartiersprojekte im Bezirk Treptow-Köpenick umgesetzt. Dabei entstehen rund 1.000 neue Wohnungen und auch Gewerbeflächen. Bauherr des Projekts ist das Immobilienunternehmen BUWOG.
Architektonisches Highlight dieses Projekts ist ein historischer Bestandsbau, der aufwendig saniert wird. Der Ziegelbau mit viergeschossigem Türmchen aus dem Jahr 1900 wurde einst als Brauerei errichtet und später als Bootslager genutzt.
Dieses “Werfthaus” genannte Bauwerk soll nach Angaben der Projektverantwortlichen als ein Stück historischer Industriearchitektur bis Ende 2023 in neuem Glanz erstrahlen und dann vier Lofts beheimaten. Aus dem ehemaligen “Werfthaus” wird zukünftig also ein hochwertiges Wohngebäude.
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Quellen: DIE AG, BUWOG, Wikipedia, Trockland Funkytown GmbH, Jo Klein Architekten, Trockland Management GmbH, Industriesalon Oberschöneweide, tipBerlin, Berliner Zentrum Industriekultur
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