Schon im August vergangenen Jahres hatten wir über den geplanten Wiederaufbau des Molkenmarktes in Berlins historischem Stadtzentrum berichtet. Der Wiederaufbau des Molkenmarktes gehört zu den ambitioniertesten Berliner Bauprojekten seit dem Mauerfall.
Der Molkenmarkt gilt als ältester Platz Berlins und ist einstmals als Schnittpunkt aus drei Handelsstraßen entstanden. Mit der noch heute bestehenden Nikolaikirche bildet er den historischen Siedlungskern der Stadt.
Molkenmarkt: Historischer Siedlungskern Berlins
Bevor jedoch dessen Wiederaufbau startet, wird erst einmal kräftig im historischen Baugrund gebuddelt. Die derzeit aktiven Archäologen des Landesdenkmalamts erhalten einen wertvollen und einzigartigen Einblick in die “frühe Jugend” der heutigen Hauptstadt.
Seit Anfang 2019 laufen die Ausgrabungen in Berlins historischer Mitte, wo das Archäologen-Team zwischen Molkenmarkt und Klosterviertel einen kompletten Schnitt durch die einstige Kaufmannsstadt zieht. Die Grabungsfläche umfasst ein Fünftel der einstigen Stadtfläche.
2024 startet die Bebauung des 25.000 Quadratmeter großen Areals
So viele archäologische Daten wie möglich sollen bei den Arbeiten erfasst werden, bevor das riesige Grabungsareal wieder geschlossen wird, um das rund 25.000 Quadratmeter große Gelände städtebaulich neu zu gestalten.
Ab 2024 soll hier wieder urbaner Raum entstehen, der viele Jahrzehnte an den Autoverkehr vergeben war. Wohnungen, Büros, Einzelhandel, Gastronomie und Grünflächen sollen hier entstehen. Die teils achtspurige Grunerstraße wird dazu verschmälert und ihr Verlauf geschwenkt.
Grunerstrasse wird verschmälert und ihr Verlauf geschwenkt
Dieser neu geplante Verlauf der Straße, der vor allem bei Autofahrerverbänden umstritten ist, wird baulich bereits umgesetzt. Es ist der bislang am weitesten vorangeschrittene Bauabschnitt des Projekts. Wenn man sich auf der Baustelle vor Ort umsieht, wird deutlich, wie raumgreifend die Flächen sind, die durch diese Verschwenkung nutzbar gemacht werden.
Gleichzeitig und unmittelbar neben den Straßenbauarbeiten erforschen die Archäologen 800 Jahre Stadtgeschichte. »Auf so einem großen Areal mit hauptsächlich bürgerlicher Bebauung waren wir in Berlin noch nicht tätig«, sagt Michael Malliaris, Leiter der Grabungsarbeiten.
Vielfältige Funde sollen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden
Bis zum geplanten Baustart im Klosterviertel wird die Gesamtgrabungsfläche rund 40.000 Quadratmeter abdecken. Nach Dokumentation oder einer eventuellen Bergung wird alles, mit Planen gesichert für zukünftige Archäologen, wieder in der Erde verschwinden.
Die Funde sind vielfältig. Reste des 1380 errichteten “Palais Blankenfelde” wurden freigelegt. Abschnitte der ersten Stadtmauer und Kellergewölbe von Wohnhäusern aus dem 13. Jahrhundert gehören ebenso zu den Ausgrabungsfunden wie das Mauerwerk zweier Häuser aus dem 15. und 17. Jahrhundert. Dies sind nur einige wenige Beispiele.
Nach Wunsch des Landesdenkmalamtes sollen die Grabungserfolge während und nach den Arbeiten auch für die breite Öffentlichkeit sichtbar gemacht werden. Durch so genannte archäologische Fenster sollen Bewohner*innen wie Besucher*innen Berlins Einblick in die Vergangenheit der Stadt erhalten. Geplant sind diese Einblicke an mehreren, archäologisch und historisch bemerkenswerten Orten der Innenstadt.
Wie die zukünftigen Bauabschnitte des Projekts aussehen sollen, ist hier abgebildet:
Phase 1: Verlegung der Grunerstraße
Die Straße wird verlegt, der Straßenraum wird neu aufgeteilt, so dass weitere Verkehrsmittel wie Tram und Fahrrad Platz finden können. Die Grunerstraße wird zukünftig direkt am Roten Rathaus und den Rathauspassagen entlang geführt. Es entstehen zwei neue Kreuzungsbereiche.
Phase 2: Neubau der Quartiersstraßen
Im zukünftigen Wohn- und Büroviertel, welches im Zuge der Neuplanungen entstehen wird, werden neue Straßenzüge entstehen, überwiegend verkehrsberuhigt. Einige der neuen Straßen werden sich an historischen Straßenführungen orientieren.
Phase 3: Realisierung der gemischtgenutzten Gebäude
Entlang der neu gebauten Hauptstraße wird eine vier- bis sechsgeschossige Randbebauung realisiert, in der eine Mischung aus Büro-, Kultur- und Gewerbenutzung einziehen wird. Diese Randbebauung wird gleichzeitig als Schallschutz für die dahinter entstehenden Wohnviertel dienen.
Phase 4: Realisierung der Wohnbebauung
Im verkehrs- und schallberuhigten Innenbereich des Entwicklungsgebietes werden Wohneinheiten entstehen. Unter der Einbeziehung von Planungsbüros und Bürgern werden diese Wohnungen konzipiert. Ihre Gestaltung steht aktuell also noch nicht fest.
Phase 5: Realisierung der Freiflächen (ohne Visualisierung)
An drei Orten des neuen Stadtviertels werden öffentliche Freiräume entstehen, vor allem rund um die historischen Kirchengebäude. Zudem sind Dachbegrünungen und Baumpflanzungen vorgesehen.
Am Petriplatz entsteht das Archäologische Zentrum Berlins.
Einen virtuellen Rundgang über die Ausgrabungsarbeiten am Molkenmarkt gibt es hier.
Hier seht Ihr, was am zukünftigen “Rathausforum” entstehen soll.
Weitere Projekte in Mitte findet Ihr hier.
Ich glaube nicht, dass der Begriff “Wiederaufbau” in Bezug auf den Molkenmarkt passt, denn nach den Plänen, die man sehen konnte, wird auch hier wieder “quadratisch, praktisch ‘gut'” gebaut (lernen heutige Architekten keine andere Bauweise mehr?). Schöner wäre es gewesen, wenn man sich an die historische Bauweise (siehe Nikolaiviertel) angepasst hätte. Aber so entsteht nur ein weiteres seelenloses Langeweile-Viertel, durch das niemand flanieren wollen wird.