Die überwiegend im ehemaligen West-Berlin entstandenen Gebäude der Architekten Inken und Hinrich Baller sind vor allem bei Architekturexperten bis heute umstritten. Doch wenn man sich die Wohnhäuser heute anschaut, mit ihrer Eleganz, den üppig bewachsenen Fassaden, den gewölbten Brüstungen und feingliedrigen Metallgeländern, empfindet man diese Orte als inspirierende Oasen. Nun werden Inken und Hinrich Baller vom Bund deutscher Architektinnen und Architekten geehrt.
© Foto Titelbild: Wikimedia Commons (Uwe Thobae)
Text: Wolfgang Leffler
Ihre Architektur spaltete die Architektenwelt, speziell die der Berliner Architekten, denn sie unterschied sich doch sehr deutlich von der vorherrschenden, konservativen „Steinarchitektur“ und sogar vom „retrospektiven Traditionalismus“.
Die Nachricht, dass Inken und Heinrich Baller mit dem Großen BDA-Preis, der immerhin bedeutendsten personenbezogenen Ehrung des Bundes deutscher Architektinnen und Architekten, ausgezeichnet werden, rief die unterschiedlichsten Reaktionen hervor.
Inken und Hinrich Baller: Verdiente Würdigung durch den BDA
Bei genauerer Betrachtung ist die diese Ehrung aber durchaus berechtigt und sehr gut nachvollziehbar. Den zahllosen Diskussionsforen jedweder Art, die sich mit dem aktuellen Baugeschehen in der Hauptstadt aber auch anderen Projekten in Deutschland beschäftigen – immer orientiert an zukünftigen Anforderungen wie Nachhaltigkeit, Klimaneutralität, Energieeffizienz, Ideenvielfalt und Kostenbewusstsein – wird doch durch die „Ballersche Architektur“ vor Augen geführt, wie es gehen könnte.
Ihr Hauptaugenmerk legten die Ballers dabei auf eine Architektur, die den Menschen, als zukünftigen Nutzern der Wohnräume, ein Gefühl des Wohlbehagens vermitteln sollte. Das betrifft in der konzeptionellen Planung und Ausführung die Grundrisse mit flexiblen und unkonventionellen Raumzuschnitten, raumhohen Fensterfronten, großzügigen Balkonen und Terrassen sowie viel Grün, das vom Hof die Wände emporrankt.
Architekten Baller: Gemeinwohlorientierte und zukunftsweisende Architektur
Dazu gab es üblicherweise gemeinschaftliche Bewegungsräume und damit all das, was in der jüngsten Vergangenheit in unzähligen Diskussionsrunden und Symposien hinsichtlich zukünftiger Architektur – vor allem im städtischen Raum – gefordert wurde, aber in der Realität im theoretischen Ansatz oft stecken geblieben ist oder in der praktischen Ausführung nicht konsequent umgesetzt wird.
In Berlin haben die Ballers insgesamt 22 Wohnanlagen entworfen, mehrheitlich in der City-West. Als herausragende Beispiele ihrer Architektur seien hier der 1975 entstandene und heute noch ansehnliche Wohnkomplex in der Lietzenburger Straße sowie die drei Wohnhäuser am Fraenkelufer genannt.
Architektur der Ballers galt vielen Experten als zu verspielt und zu kleinteilig
Auch das Wohngebäude sowie die nicht weit entfernte Spreewald-Grundschule am Schöneberger Winterfeldtplatz gehören zu den gelungensten Baller-Projekten, die in Berlin umgesetzt wurden.
Den mehr der Tradition und konservativeren Architektur verpflichteten Architekten wirkt die Architektur der Ballers zu postmodern exaltiert, zu verspielt und kleinteilig. Aber wenn man sich die Wohnhäuser heute anschaut, mit ihrer Eleganz, den üppig bewachsenen Fassaden und Innenhöfen, den gewölbten Brüstungen, den feingliedrigen Metallgeländern an den Balkonen, empfindet man diese Orte als Oasen und Inspiration.
Inken und Hinrich Baller: Schwerpunkt Sozialer Wohnungsbau
Diese Bauweise erforderte aber auch im Vorfeld ihrer Umsetzung ein stetiges und anstrengendes Durchsetzen gegen die herrschende Bau-Bürokratie, behindernde Bauvorschriften, althergebrachte Bauproduktionsweisen und natürlich die Renditeabsichten der Investoren.
Die Ballers aber wollten für die Menschen bauen und ließen sich in dieser Absicht auch von diesen Restriktionen nicht beirren. So schafften sie es, fast alle ihre Entwürfe im Rahmen des Sozialen Wohnungsbaus in der Praxis umzusetzen. Wenn man sieht, was heute mitunter als sozialer oder bezahlbarer Wohnungsbau realisiert wird, ist das Durchsetzungsvermögen von Inken und Hinrich Baller nicht hoch genug einzuschätzen.
Gründung des Architekturbüros Baller im Jahr 1966 in Berlin
Inken und Hinrich Baller gründeten im Jahr 1966 unter gemeinsamer Führung ein Architekturbüro in Berlin, ab 1989 spalteten sie es in zwei getrennte Berliner Architekturbüros auf. Ihre Ideen und Vorstellungen von Architektur gaben sie der jüngeren Architektengeneration als engagierte und langjährige Professoren weiter – Hinrich Baller von 1972 bis 2001 in Hamburg, Inken Baller von 1985 bis 2007 in Kassel und Cottbus.
Ihre postmoderne Architektur mit ornamentalen, jugendstilähnlichen Formen, die zwischen Kunst und Kunstgewerbe angelegt waren, zeichnete sie aus und war ihr Markenzeichen. Ihre Entwürfe sind heute aktueller denn je und stellen eine Alternative zum momentan praktizierten Baugeschehen dar, wo im Zuge der Wohnraumknappheit mit häufig einfallsloser Blockarchitektur alles bebaut wird, was an freien Grundstücken noch zur Verfügung steht.
Inken und Hinrich Baller: Architektonische Alterntive zur nüchternen Moderne
Die BDA-Jury bezeichnete die Baller-Architektur als „aufmüpfig, fröhlich, sozial und mit eigenwilliger Schönheit“. Sie lobte die Bauten mit Gesicht und Charakter und kritisierte die heutigen Architektinnen und Architekten damit indirekt, da genau diese Eigen- und Einzigartigkeit in den Entwürfen der Gegenwart viel zu selten zu sehen ist.
So gesehen kann man die Ballers wohl als Erben und Nachfolger der Architektenschaft im Umfeld von Hans Scharoun mit seiner organischen Architektur ansehen. Sie haben deren idealistische Haltung kunstvoll und mit viel Nachdruck in die Gegenwart transferiert.
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Quellen: Der Tagesspiegel, Deutsches Architekturforum, Bundesarchitektenkammer, Wikipedia, Bund deutscher Architektinnen und Architekten
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