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Berlin-Mitte: WBM-Neubau an der Fischerinsel sorgt für Ernüchterung

An der Fischerinsel in Berlin-Mitte, direkt angrenzend an den vielbefahrenen Mühlendamm und unweit des historisch bedeutenden Petriplatzes, läuft der lange diskutierte Bau von 210 neuen, landeseigenen Mietwohnungen. Das nun sichtbar gewordene Ergebnis sorgt für wenig Begeisterung.

So soll der Innenhof des WBM-Neubaus an der Fischerinsel in Berlin-Mitte nach Abschluss der Bauarbeiten einmal aussehen. / © Visualisierung: WBM

© Foto Titelbild: Forum Stadtbild Deutschland
© Visualisierung: WBM

Text: Björn Leffler

 

Nicht nur auf dem Grund des historischen Molkenmarktes finden die Archäologen Berlins derzeit zahlreiche Überreste vergangener Epochen, auch bei einem nicht weit entfernten Wohnungsbauprojekt der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) mussten erst einmal mehrere, historische Funde gesichert und abtransportiert werden, bevor mit dem Wohnungsbau begonnen werden konnte.

Die Grabungen auf dem Gelände liefen über mehrere Jahre und wurden auch öffentlich gemacht. Für alle Interessierten bot die WBM ab 2019 zweimal im Monat kostenfreie Führungen über den Ausgrabungsbereich an. Bis ins vergangene Jahr hinein liefen die Ausgrabungsarbeiten, bis mit dem Bau des Wohnhauses im Sommer 2021 dann letztlich begonnen werden konnte.

WBM: Wohnungsprojekt in Berlins historischer Mitte

Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft war sich also bewusst, dass das Wohnprojekt auf dem Baufeld am Mühlendamm an einem historisch sensiblen Punkt unweit des Petriplatzes entsteht und die öffentliche Aufmerksamkeit entsprechend hoch sein würde, zumal die Vorgeschichte des Projekts bereits mühsam war.

Der Entwurf für den Neubau, der nun umgesetzt wird, stammt vom Architekturbüro Blauraum. Dieses kam allerdings erst im zweiten Anlauf zum Zuge – nach einer breiten Bürgerbeteiligung, die nach Protesten am ursprünglichen Entwurf durchgeführt worden war. Denn den eigentlichen Wettbewerb für den Bau der Wohnungen im Jahr 2015 hatte zunächst das Architekturbüro DMSW gewonnen. DMSW plante einen 58 Meter hohen Wohnturm an dieser Stelle.

Der ursprüngliche Hochhausentwurf war nach Protesten gekippt worden

Dagegen jedoch regte sich schnell Widerstand: bei Mieterinnen und Mietern aus der Nachbarschaft sowie Vertretern von Bezirkspolitik und Vereinen, die sich mit der Stadtgeschichte Berlins kritisch auseinandersetzen.

Klarer Wunsch dieser Gruppen war es, dass nicht noch ein weiteres Hochhaus an die vielbefahrene Magistrale gesetzt wird, sondern ein Neubau, der sich in Höhe und Gestaltung eher an der historischen Bebauung orientieren sollte – und nicht an der DDR-Bauästhetik, die die Straße Mühlendamm/Leipziger Straße an dieser Stelle heute dominiert.

WBM-Projekt an der Fischerinsel: ernüchternde Fassadengestaltung

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung verteidigte zunächst die Planung, lenkte aber später ein und unterstützte die Bürgerbeteiligung, die zum neuen Konzept führte, welches nun umgesetzt wird. So gab es reichlich Diskussionen um einen eigentlich recht unspektakulären Wohnungsneubau – und jahrelange Verzögerungen des Projekts.

Seit wenigen Wochen ist nun die Fassade des Neubaus, die dem Mühlendamm zugewandt ist, sichtbar. Herausgekommen ist ein Gebäude, welches sich zwar in seiner Höhe an den umliegenden Gebäuden orientiert, ansonsten aber jegliche Bezüge zur stadtgeschichtlichen Bedeutung des Ortes vermissen lässt.

Befürchtung: Auch der neue Molkenmarkt könnte ein solches Gesicht erhalten

Die Banalität der Fassadengestaltung ist so frappierend, dass im Rahmen des vor zehn Tagen in der Parochialkirche veranstalteten “Mitte-Festivals” der Stiftung Mitte Berlin mehrfach die Befürchtung geäußert wurde, dass bei einem Wiederaufbau des Molkenmarkts und dem geplanten Bau der Wohngebäude durch Berlins landeseigene Wohnungsbaugesellschaften eine ebenso uninspirierte und farblose Architektursprache herauskommen könnte.

Ob sich ein solches Gleichnis vom Ergebnis des Wohnungsbaus am Mühlendamm auf das geplante Molkenmarkt-Projekt übertragen lässt, ist natürlich offen. Denn die planerischen Vorgaben für den WBM-Neubau an der Fischerinsel waren gänzlich andere. Der Fokus lag vor allem darauf, bezahlbaren Wohnraum im Herzen Berlins zu schaffen.

Berlin-Mitte: 210 neue, bezahlbare Mietwohnungen für die Fischerinsel

10.800 Quadratmeter Wohnfläche entstehen in dem Wohngebäude. Neben Ein- bis Vierzimmerwohnungen sind 49 möblierte Apartments geplant, von denen sieben als Studenten-WG’s angeboten werden sollen. Insgesamt 210 neue Mietwohnungen entstehen bei dem Projekt.

Im Erdgeschoss sind fünf Gewerbeeinheiten und eine Kita vorgesehen, selbst an einen Concierge-Service für die Bewohnerinnen und Bewohner wurde gedacht. 50 Prozent der Wohnungen sollen mit Förderung des Landes als Sozialwohnungen entstehen und für eine Kaltmiete ab 6,50 Euro je Quadratmeter angeboten werden.

Wohnungsneubau am Mühlendamm: Eine vertane Chance

Die Diskussionen um die richtige Form des Molkenmarkt-Wiederaufbaus wird das WBM-Projekt natürlich dennoch weiter anheizen, auch wenn es vollkommen unabhängig davon geplant worden ist. Die räumliche Nähe zum Molkenmarkt jedoch ist es, welche die Kontroverse auslöst.

Aber auch unabhängig von der Verortung des Projekts in Berlins historischem Zentrum ist das Wohngebäude, zumindest auf der Mühlendamm-Seite, wirklich außerordentlich fantasielos gestaltet worden. Der Fischerinsel wäre ein etwas kreativer gestaltetes Gebäude zu wünschen gewesen.

Auch am Humboldt Forum sollen landeseigene Mietwohnungen entstehen

Weniger Meter weiter, an der Breiten Straße unweit des Humboldt Forums, plant die Stadt Berlin ein noch größer dimensioniertes Quartiersprojekt, bei dem auch landeseigene, bezahlbare Wohnungen in bester Innenstadtlage entstehen sollen.

In den kommenden Jahren soll hier nach Plänen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen ein gemischtes Ensemble aus Wohnungen, Gewerbeflächen und Künstlerateliers entstehen, um den Stadtraum nachhaltig zu verändern und vor allem zu beleben. Etwas mehr Kreativität wäre bei diesem Projekt in jedem Fall wünschenswert.

 

Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier: 

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4 Kommentare

  1. Arne November 1, 2022

    Welch höflicher Bericht angesichts eines Neubaus der den miesesten Plattenbauten aus Ost und West in nix nachsteht. Allerdings Jahrzehnte später als die alten Bausünden. Wer sowas baut hat entweder absolut null Geschmack oder die feste Absicht das architektonische Niveau in Berlins Mitte auf Null zu nivellieren. Wollen wir wetten, dass am Schloss – allein aus Opposition zum Schloss – noch banaleres entsteht.

    • Franz Februar 17, 2023

      Solange derartige Banalitäten entstehen, wird die Skepsis gegen die zeitgenössische Architektur bestätigt und man ist sehr froh, dass das Humboldtforum die Fassade des Berliner Stadtschlosses zeigt. Lieber Barock als das. Ob das anders und besser in Berlins Mitte geht, wird sich noch zeigen dürfen.

  2. Elham Awaj Januar 4, 2023

    Sehr schön

  3. Tobias Baumann Oktober 16, 2023

    Das Haus ist wirklich das absolut Allerletzte, was man sich an dieser Stelle vorstellen wollte. Leider ist es noch schlimmer gekommen, als schon anfangs zu befürchtet stand. Es ist ja nicht nur die total hässliche Fassade, sondern das ganze klobige und dem Ort völlig unangemessene Grundkonzept. Man kann wirklich nur hoffen, nein, eigentlich kann man in Berlin, sobald die Verwaltung oder die öffentlichen Bauträger ihre Hände im Spiel haben, nur noch beten, dass beim nächsten Mal Projekte entstehen, die sich irgendwie mit Ort und Geschichte sichtbar kreativ und empathisch auseinandersetzen. Vielleicht kann ja wenigstens Frau Kahlfeldt noch was bewirken. Beim Molkenmarkt hat sie offenbar auch schon die Notbremse gezogen. Wahrscheinlich war es, bei aller ggf. berechtigten Kritik an der Methode, notwendig.

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