Eigentlich ist die zukünftige Gestaltung des “Rathausforums” in Berlins historischer Mitte vorgezeichnet. Nach Plänen des Büros “RMP Stephan Lenzen” soll zwischen Spree, Marienkirche und Rotem Rathaus eine Grünfläche entstehen. Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt scheint jedoch etwas anderes im Sinn zu haben.

Eine Grünfläche für Berlins historische Mitte: So soll das Areal “Rathausforum” ab 2024 umgestaltet werden – eigentlich. / © Visualisierung: RMP Stephan Lenzen / Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen

© Visualisierung: RMP Stephan Lenzen / Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen
Text: Björn Leffler

 

Die zukünftige Gestaltung des als “Rathausforum” bekannten Areals in Berlins historischer Mitte ist eigentlich vorgezeichnet. Nach Plänen des Büros RMP Stephan Lenzen soll zwischen Spree, Marienkirche, Fernsehturm und Rotem Rathaus eine große Grünfläche entstehen.

Diese Pläne gehen zurück auf einen langjährigen und aufwendigen Planungs- und Entwicklungsprozess, der unter breiter und intensiver Beteiligung der Berliner Öffentlichkeit seit 2016 durchgeführt wurde. Im Rahmen der öffentlichen Beteiligung waren verschiedene Bürger-Leitlinien entwickelt worden, die letztlich zu einer klaren Entscheidung führten: die einstige historische Mitte Berlins sollte weder neu bebaut noch in irgend einer Form rekonstruiert werden.

“Rathausforum”: In Berlins historischer Mitte soll eine Grünfläche entstehen

Was entstehen soll, ist eine öffentlich nutzbare, moderne Grünfläche. Diese Entscheidung hatte Stürme der Entrüstung von mehreren Seiten verursacht. Von diesem Konzept rückte die Senatsverwaltung jedoch bislang nicht mehr ab. Denn es ging letztlich hervor aus vielen Wünschen der Beteiligten in den Bürgerforen, die sich mehr grün und weniger Verkehr in diesem Bereich wünschten.

Ab 2024 soll der Umbau der Fläche nach ursprünglichem Planungsstand beginnen. Die zukünftige Fläche sollte nach dem Willen der Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und Verkehr den Menschen die Möglichkeit zum Ausruhen, Entspannen und Sport treiben geben.

Petra Kahlfeldt scheint andere Pläne für das “Rathausforum”-Areal zu verfolgen

Laut einem aktuellen Bericht der taz jedoch scheint die erst nach dem Wettbewerb ins Amt gekommene Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt andere Pläne für diese Fläche zu verfolgen. Demnach ließ Kahlfeldt kürzlich im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses einen Antrag auf Freigabe einer Summe von 50.000 Euro für “vorbereitende Untersuchungen” zur “weiteren Entwicklung der Historischen Mitte” einbringen.

Ein Antrag, der natürlich Fragen aufwirft. Denn für eine Fläche, deren zukünftige Gestaltung längst entschieden ist, müssen eigentlich keine vorbereitenden Untersuchungen finanziert werden. Kahlfeldt jedoch scheint den bereits durchgeführten Wettbewerb ignorieren zu wollen und doch eine historische Rekonstruktion der einstigen Altstadt anzustreben.

Will Kahlfeldt eine historische Rekonstruktion der Altstadt durchsetzen?

So mutmaßen es jedenfalls mehrere Politiker und auch Journalisten, die auch Kahlfeldts Rolle im Wettbewerb um den Molkenmarkt kritisch sehen, bei dem sie sich gegen eine Prämierung des progressiven, nachhaltigen Entwurfs von OS arkitekter stellte und den auf Kleinteiligkeit und Rekonstruktion ausgerichteten Beitrag des Büros Albers  Gesellschaft von Architekten gegen den Willen der Jury-Mehrheit durchzudrücken versuchte – mit dem unwürdigen Ergebnis, dass letztlich kein Wettbewerbssieger gekürt wurde.

Für Julian Schwarze, dem Sprecher für Stadtentwicklung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, hat Kahlfeldt damit ihre Kompetenz missbraucht. Gegenüber der taz sagte er: “Am Molkenmarkt hat Kahlfeldt gezeigt, dass es ihr darum geht, die Linien im Städtebau zu verschieben. (…) Ihr geht es darum, von oben herab zu entscheiden, und zwar nach ihrem Gusto.

beim Molkenmarkt-Wettbewerb hat Kahlfeldt das Ergebnis beeinflusst

Viele, die den Entwicklungsprozess am Molkenmarkt verfolgt haben, sprachen anschließend von einem “Scherbenhaufen” und einem alles in allem skandalösen Vorgehen. Dennoch beharrte Petra Kahlfeldt darauf, die weitere Entwicklung des Areals unter Berücksichtigung beider Entwürfe weiter zu verfolgen.

Wie aber geht es nun auf der Fläche am Rathausforum weiter? Mit Kahlfeldts offenkundigem Wunsch, die Entwicklung der Fläche noch einmal neu anzugehen, unterstützt sie offensichtlich auch die Bestrebungen der vor kurzem gegründeten “Stiftung Mitte Berlin”.

Kahlfeldt unterstützt offenbar die Bestrebungen der “Stiftung Mitte Berlin”

Die Stiftung, gegründet von der Unternehmerin und Autorin Marie-Luise Schwarz-Schilling, will sich aktiv, öffentlich und transparent für eine dicht bebaute und belebte Innenstadt auf dem Gebiet der einstigen Berliner Altstadt einsetzen.

So sollen viele Straßen und Plätze in Struktur und Form der 1920er Jahre wiederaufgebaut werden. Im Oktober des vergangenen Jahres lud die Stiftung zu einer ersten, vielbeachteten Informationsveranstaltung in die historische Parochialkirche nach Mitte ein.

“Rathausforum”: Beginnt 2024 der geplante Umbau des Areals zur Grünfläche?

Fraglich ist nun, ob sich Petra Kahlfeldt in ihrer Funktion als Senatsbaudirektorin über die getroffene Entscheidung für die Gestaltung des Areals des Rathausforums einfach hinwegsetzen kann.

Den Antrag auf 50.000 Euro hat der Haushaltsausschuss vorerst abgelehnt, mit Verweis auf den bereits abgeschlossenen Gestaltungswettbewerb. Ob Kahlfeldt das Thema damit ruhen lassen wird, oder die Rekonstruktion historischer Altstadt-Strukturen weiter forcieren wird, ist derzeit offen.

Abzuwarten bleibt also, ob die geplante Umgestaltung des Areals im kommenden Jahr starten wird, oder von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung tatsächlich ausgebremst wird. Es scheint längst noch nicht das letzte Wort gesprochen zu sein im historischen Zentrum Berlins.

 

Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier: 

/ © Visualisierung: RMP Stephan Lenzen / Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen

Weitere Projekte in Mitte findet Ihr hier

Quellen: taz, Der Tagesspiegel, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Stiftung Mitte Berlin, RMP Stephan Lenzen, OS arkitekter, Albers  Gesellschaft von Architekten

 

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5 Comments

  1. nathan 30. Januar 2023 at 13:23 - Reply

    Die Denkweise von Kaisern und Diktatoren fließt immer noch in den Adern vieler Deutscher! Willkommen in der Zukunft, in der die diktatorischen Impulse der Elite ein geschütztes Zuhause in der Regierung finden. Zeit zu gehen!

  2. Christian Röher 30. Januar 2023 at 17:33 - Reply

    Ein Großteil des Berlins innerhalb seiner ersten Begrenzung durch die heutigen Stadtbahn als große Leere???. Das war in den 50er, 60er und 70er Jahren sicher eine sehr fortschrittliche Idee. Aber heute? Längst zeigen andere Städte, wie z.B. Frankfurt am Main oder Dresden, dass die Wiederherstellung der Kleinigkeit die Menschen in die Innenstadt zieht. Wer Erholung in einer großen innerstädtischen Grünanlage sucht, kann das z.B. im Volkspark Friedrichshain oder im Monbijuopark finden. Eine Innenstadt muss m.E. lebendig und quirlig sein, durchaus auch mit mehr kleineren Stadtplätzen als es früher der Fall war.

  3. Christian Röher 30. Januar 2023 at 17:35 - Reply

    Ein Großteil des Berlins innerhalb seiner ersten Begrenzung durch die heutige Stadtbahn als große Leere???. Das war in den 50er, 60er und 70er Jahren sicher eine sehr fortschrittliche Idee. Aber heute? Längst zeigen andere Städte, wie z.B. Frankfurt am Main oder Dresden, dass die Wiederherstellung der Kleinteiligkeit die Menschen in die Innenstadt zieht. Wer Erholung in einer großen innerstädtischen Grünanlage sucht, kann dies z.B. im Volkspark Friedrichshain oder im Monbijuopark finden. Eine Innenstadt muss m.E. lebendig und quirlig sein, durchaus auch mit mehr kleineren Stadtplätzen als es früher der Fall war.

  4. Alex 22. Februar 2023 at 22:57 - Reply

    Viele dieser Meinungsbeiträge und Artikel wie dieser können ihre politische Agenda kaum verbergen: Sie täuschen Empörung über den Prozess vor, um ihre eigene Agenda durchzusetzen. Es scheint, als ob das Verfahren über alles respektiert werden sollte – als ob das letzte Wort einer Jury heilig wäre.

    Das Architektur-Establishment ist bestrebt, die Architektur von allem fernzuhalten, was Adolf Loos missfallen würde – ein hundertjähriges Einfrieren von Meinungen, die dazu geführt haben, dass Städte und Gemeinden auf der ganzen Welt immer unzusammenhängender und unangenehmer zu leben werden. Diese Leute an der Macht befinden sich in einer Echokammer, und sie sind diejenigen, die über die Zukunft unserer Städte entscheiden.

    Aber dies ist nicht irgendein Projekt! Es geht um die Geschichte und die Zukunft des kleinen historischen Zentrums von Berlin, das während des Krieges bombardiert und dann von der DDR-Regierung abgerissen wurde. Ich bin froh, dass der New Urbanism und Menschen wie Frau Kahlfeldt sich gegen diesen jahrhundertealten Wahnsinn wehren. In dieser Stadt, in diesem Land, ist viel Platz für Experimente und für Hässlichkeit.

  5. […] Bereits Ende Januar 2023 hatten wir erstmals darüber berichtet, dass es in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, genauer gesagt bei Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt, mögliche Bestrebungen gibt, die zukünftige Bebauung der Berliner Innenstadt noch einmal neu anzugehen. […]

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