Seit den 1990er Jahren nimmt die Zahl der Autofahrten innerhalb Berlins laut einer Langzeitanalyse des Center Nahverkehr Berlin deutlich ab, die Nutzung von ÖPNV und Fahrrädern hingegen steigt seit vielen Jahren an. Dennoch beabsichtigen CDU und SPD nun eine Modifizierung des Mobilitätsgesetzes – zugunsten des Autoverkehrs.
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Text: Björn Leffler
Der sogenannte “motorisierte Individualverkehr” hat in Berlin laut einer Langzeitstudie des Center Nahverkehr Berlin (CNB) in den vergangenen Jahrzehnten deutlich abgenommen. Vor allem Autofahrten innerhalb der Stadtgrenzen sind demnach deutlich zurückgegangen.
Bereits seit 1997 nimmt die Zahl der jährlich gemessenen Kfz-Fahrten in Berlin ab, wie auch der Tagesspiegel kürzlich berichtete. Nach einem Anstieg zu Beginn der Neunziger liegt die Gesamtzahl der Fahrten mittlerweile sogar unter dem Wert von 1991. Und das, obwohl heute rund 310.000 mehr Menschen in Berlin leben also vor 32 Jahren.
Verkehrsentwicklung: Seit 2017 sinkt die Zahl der Autofahrten in Berlin rapide
Ihren Höhepunkt hatte die Anzahl der Autofahrten innerhalb Berlins schon im Jahr 1997 erreicht und blieb bis 2017 weitgehend konstant, mit leichtem Abwärtstrend. Seit 2017 jedoch sinkt die Zahl der Autofahrten in der deutschen Hauptstadt kontinuierlich. Das Jahr mit den wenigsten Fahrten war 2022.
Ein sehr hoher Anteil an diesen Zahlen hat der Pendelverkehr zwischen dem Berliner Stadtgebiet und dem Umland. Betrachtet man ausschließlich die Fahrten innerhalb der Berliner Stadtgrenzen, sind die Zahlen noch erstaunlicher.
Autofahrten innerhalb der Stadtgrenzen haben seit 1991 um 22 Prozent abgenommen
Diese Zahl liegt ganze 22 Prozent unter dem Niveau von 1991, trotz des bereits erwähnten Bevölkerungswachstums. Demzufolge hat sich eine große Zahl von Menschen seitdem entschieden, häufig alternative Verkehrsmittel zu nutzen und auf Autofahrten in Berlin zu verzichten.
Während in Innenstadtquartieren wie Mitte, Tiergarten, Prenzlauer Berg, Kreuzberg oder Friedrichshain der Zahl der Autofahrten bereits seit Anfang der 2000er Jahre zurückgeht, fahren in den Außenbezirken immer noch elf Prozent mehr Autos als noch 1991 – doch auch hier ist eine deutliche Trendumkehr zu erkennen. Denn seit 2016 ist die Zahl der Autofahrten in diesen Gebieten um rund elf Prozentpunkte gefallen – eine beachtliche Zahl.
BVG und S-Bahn: Der ÖPNV wird in Berlin von immer mehr Menschen genutzt
Einher geht diese Entwicklung mit einer deutlich zunehmenden Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs. Mehr als 2.600 Kilometer beträgt die Strecke, die im Berliner Stadtgebiet von den Verkehrsträgern des ÖPNV abgedeckt wird, an über 7.600 Bahnhöfen und Haltestellen können Fahrgäste ein- und aussteigen. Laut CNB haben seit 2007 die Fahrgastzahlen der BVG um 24 Prozent und jene der S-Bahn Berlin GmbH um sogar 31 Prozent zugenommen.
Was an den Zahlen des CNB besonders erstaunt, ist die Tatsache, dass die Zahl der zugelassen Kraftfahrzeuge in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen ist. Es gibt insgesamt also deutlich mehr Autos in Berlin als noch 1991, aber viel weniger Fahrten.
Paradox: Seit 1991 Mehr zugelassene Autos in Berlin, aber deutlich weniger Fahrten
Das gute Angebot an ÖPNV-Alternativen hat hier einen entscheidenden Einfluss auf diese Entwicklung. Gleichzeitig bedeutet dies aber auch, dass die Autos den Großteil ihrer Zeit öffentliche Verkehrsräume belegen, ohne tatsächlich gefahren zu werden. Sie stehen die meiste Zeit herum.
Vor dem Hintergrund der derzeit laufenden Debatten um den Stopp von Radverkehrsprojekten zugunsten vorhandener Autoparkplätze, die von der CDU-geführten Senatsverkehrsverwaltung veranlasst wurden, ist dies eine durchaus pikante Information.
Der neue Berliner Senat möchte das Mobilitätsgesetz modifizieren
Ungeachtet dieser Zahlen beabsichtigt der Senat jedoch, das derzeit gültige Mobilitätsgesetzt zu ändern – und zwar zugunsten der Autofahrerinnen und Autofahrer, obwohl deren Anteil am Verkehrsvolumen seit Jahren stetig abnimmt.
Die Zahl der Fahrradfahrten jedoch nimmt in Berlin langfristig gesehen zu. Allein zwischen 2015 und 2020 entwickelte sich der Anteil des Verkehrsmittels Fahrrad von 13 auf 18 Prozent. Während der Corona-Pandemie stieg die Fahrrad-Nutzung dann erneut signifikant an. Rund 21 Millionen Fahrradfahrten werden in Berlin jährlich zurückgelegt.
Berlin: Weniger Radwegprojekte trotz steigender Radfahrer-Zahlen?
Durch die steigende Zahl von E-Bikes ist die Attraktivität des zweirädrigen Verkehrsmittels noch einmal gestiegen, da das Fahrrad auf diese Weise zu einer attraktiven Alternative zum Auto geworden ist, vor allem in den wärmeren Monaten des Jahres. Gleichzeitig kann der Ausbau des Radwegenetzes mit den steigenden Radfahrerzahlen nicht mithalten.
Ganz im Gegenteil. Die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs, welches eines der Kernziele der rot-grün-roten Vorgängerregierung war und im Mobilitätsgesetzt festgeschrieben wurde, soll nun von der Koalition aus CDU und SPD wieder korrigiert werden.
CDU möchte keine Benachteiligung der Autofahrer im Mobilitätsgesetz
Die CDU möchte wichtige Eckpfeiler des ursprünglichen Gesetzesentwurfs streichen. So soll unter anderem das Ziel, den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren, erstmal wieder herausgenommen werden. Vor allem die Grünen wollten damit durchsetzen, dass der Autoverkehr in Berlin eingeschränkt werden kann, zu Gunsten des ÖPNV und des Radverkehrs.
Die CDU aber, die mittlerweile die Verkehrsverwaltung innehat, hatte diesen Ansatz bereits im Wahlkampf als “autofeindlich” bezeichnet. Auch der Absatz zur Parkraumbewirtschaftung soll ihrer Ansicht nach nicht weiter ausgeweitet werden.
Kai Wegner (CDU): “Es gibt in vielen Bereichen dieser Stadt einen Kurswechsel.”
Kai Wegner begründet das aktuelle Vorgehen gegenüber dem RBB deutlich: “Es gibt eine neue Koalition. Rot-grün-rot ist nicht mehr im Amt. Wir haben eine schwarz-rote Koalition und selbstverständlich gibt es in vielen Bereichen dieser Stadt einen Kurswechsel.”
Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) kündigte immerhin an, ihre Verkehrsverwaltung werde einen Leitfaden zur Ermittlung des Bedarfs an Liefer- und Ladeverkehrsflächen ausarbeiten. Die Prüfung der vorerst gestoppten Fahrradprojekte dauert derzeit noch an, mit offenem Ergebnis.
Wie der Tagesspiegel berichtete, könnten von der neuen Richtlinie der Verkehrsverwaltung auch die geplanten Radschnellverbindungen betroffen sein, die die Außenbezirke besser mit den Innenstadtquartieren verbinden sollen. Bestätigt wurde dies von der Senatsverkehrsverwaltung bislang aber nicht.
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Quellen: Center Nahverkehr Berlin, Der Tagesspiegel, RBB, Wikipedia, ADFC, BVG, S-Bahn Berlin GmbH, Deutsche Bahn
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Lt. Senat sind die Daten der Zähleibrichtungenn vieler Straßen verloren gegangen. Also kein Wunder, dass die Zahlen niedriger sind.