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Bauakademie-Wiederaufbau: Roter Ziegel als Baustoff ist gesetzt

Wiederaufbau der Bauakademie in Berlin-Mitte: Befürworter der historischen Rekonstruktion und des klimapositiven Bauens debattieren über die zukünftige Gestaltung des Gebäudes. Eine vorab durchgeführte Studie soll nun die Gestaltungsmöglichkeiten klären, bevor ein Wettbewerb ausgeschrieben wird. Der rote Ziegel als Baustoff soll aber gesetzt sein, eine radikal moderne Interpretation des historischen Bauwerks scheint vom Tisch.

Der Status Quo: Auf dem Schinkelplatz steht noch immer eine unfertige Interimslösung, Überbleibsel einer jahrelangen Zeltplanen-Konstruktion, die mittlerweile abgeräumt wurde. / © Foto: Florian Schuh für Bundesstiftung Bauakademie

© Foto Titelbild: Wikimedia Commons / Canva
Text: Björn Leffler

 

Unter dem Motto „So viel Schinkel wie möglich, so wenig Schinkel wie nötig“ hatte die TU Berlin, der Architekten -und Ingenieurverein zu Berlin-Brandenburg und die Baukammer Berlin im Februar 2022 zu einem Symposium in die Bertelsmann Repräsentanz Unter den Linden geladen.

Die Veranstaltung fand damals großen Anklang und hatte sich die Aufgabe gestellt, die bisherigen Diskussionen und Diskrepanzen um die Neugestaltung der Schinkelschen Bauakademie in Berlins Mitte zu kanalisieren.

SEIT ÜBER 30 JAHREN WIRD ÜBER DEN WIEDERAUFBAU DER BAUAKADEMIE GESTRITTEN

Denn immerhin wird seit über 30 Jahren um die Wiedererrichtung der Bauakademie am historischen Platz vis-a-vis des neu erbauten Humboldt-Forums gerungen. Der Bundestag hat das vieldiskutierte Projekt letztlich im November 2016 bewilligt und das Projekt mit einer klaren Vorgabe versehen, wie auch die Berliner Landesregierung.

Im aktuellen Koalitionsvertrag von SPD und CDU steht eindeutig: “Die Wiedererrichtung der historischen Fassade der Bauakademie ist durch ein geeignetes Verfahren sicherzustellen.” Doch schon im vergangenen Jahr wurde im Rahmen des Symposiums deutlich, dass die Meinungslage der beteiligten Experten nicht so eindeutig ist wie der politische Wille.

RAINER HAUBRICH KRITISIERT DIE BUNDESSTIFTUNG BAUAKADEMIE SCHARF

In einem Beitrag für die WELT kritisiert der Autor Rainer Haubrich im September 2023 die Bundesstiftung Bauakademie dafür, den klar geäußerten Willen von Bundestag und Berliner Landesregierung zur Rekonstruktion der historischen Fassaden zu ignorieren. Vor allem Gründungsdirektor Dr. Guido Spars wird von Haubrich hart angegangen.

Die neue Bauakademie soll nach Wunsch der Bundesstiftung höchste Anforderungen der Nachhaltigkeit erfüllen und ein “Ort der Innovationskraft” werden. Ambitionierte Ziele also für eines der meistbeachteten Bauprojekte im historischen Zentrum Berlins.

Konflikt zwischen Befürwortern und Gegnern einer historischen Rekonstruktion

Laut Haubrich verfolge das neunköpfige Team um Guido Spars ganz klar das Ziel, das Gebäude in einer zeitgenössischen Interpretation neu zu errichten, und nicht in der ursprünglich adressierten historischen Rekonstruktion der Außenfassaden.

Dies hatte eine Allianz der Berliner Bürgervereine auf den Plan gerufen. Die Gruppierung wehrte sich in einem offiziellen Statement gegen den Vorwurf einer Retorten- oder Disneyland-Architektur, die Kritiker einer historischen Rekonstruktion der Schinkelschen Bauakademie auch im Rahmen des Symposiums im Februar 2022 angeführt hatten.

Lösungsansatz? Bundesstiftung Bauakademie gibt Vorstudie in Auftrag

Nachdem von der Bundesstiftung Bauakademie und auch Guido Spars seitdem kaum eine öffentliche Äußerung zum bestehenden Konflikt zu vernehmen war, kommt nun offenbar Bewegung in die Sache, wie Der Tagesspiegel berichtet.

Denn die Bundesstiftung Bauakademie hat eine Vorstudie in Auftrag gegeben, um die gestalterischen Möglichkeiten zwischen der historischen Fassadenvorgabe und den modernen baulichen Anforderungen zu untersuchen.

Stiftung stellt hohe Nachhaltigkeits-Bedingungen an den Neubau

Die aktuellen Anforderungen umfassen zum einen bauliche Anpassungen im Einklang mit den heutigen Baurechtsvorschriften, insbesondere hinsichtlich Barrierefreiheit und Belichtungssituation im vierten Obergeschoss, sofern dort Arbeitsplätze vorgesehen sind.

Andererseits strebt die Bundesstiftung danach, durch Bau und Betrieb dazu beizutragen, das 1,5-Grad-Klimaziel einzuhalten, was bedeutet, dass ein festgelegtes CO²-Budget nicht überschritten werden darf. Die Kriterien für eine derart klimafreundliche Bauweise werden von den meisten Gebäuden heutzutage nicht erfüllt und dürften auch bei einer rekonstruierten Fassade anspruchsvoll sein.

Frankfurter Büro soll mehrere Fassaden-Varianten entwerfen

Das von der Bundesstiftung beauftragte Büro schneider + schumacher aus Frankfurt am Main wird drei bis fünf “Varianten der Abstraktion von der historischen Fassade” erstellen, einschließlich visueller Darstellungen, wie solche Abstraktionen aussehen könnten, erklärte Guido Spars, Gründungsdirektor der Bundesstiftung, gegenüber dem Tagesspiegel.

Die Vorstudie hat ausdrücklich nicht den Zweck, einen nachfolgenden Wettbewerb vorwegzunehmen, sondern soll lediglich dazu beitragen, die Wettbewerbsaufgabe genauer zu definieren, wie die Verantwortlichen der Stiftung betonen.

Guido Spars: “Roter Kasten” soll erkennbar sein, Ziegel sind gesetzt

Guido Spars kommentiert das geplante Vorgehen wie folgt: “Klar ist: Der rote Ziegel ist gesetzt, man soll den „roten Kasten“ wiedererkennen können. (…) Ästhetisch soll aber auch die Aufgabe unserer Institution erkennbar sein: die Transformation im Bauen, für die wir als Bundesstiftung Bauakademie stehen. Man könnte das vielleicht als eine Ästhetik der Transformationsaufgabe bezeichnen.

Mit dieser Herangehensweise scheint derzeit eine vollkommen abstrakte Interpretation in gänzlich neu- und andersartiger Architektursprache erst einmal vom Tisch zu sein. Offenbar war die öffentliche Kritik an der progressiv-avantgardistischen Herangehensweise der Stiftung doch zu deutlich, und auch vom Auftraggeber – dem Bund – wird die ursprüngliche Vorgabe für das Projekt noch einmal betont worden sein.

Die modernistischen Gestaltungsvarianten scheinen vorerst vom Tisch zu sein

Anders ist die eindeutige und doch recht plötzliche Hinwendung zum traditionellen Baustoff Ziegel und das recht deutliche Bekenntnis zur Sichtbarmachung der historischen Gebäudestruktur eigentlich nicht zu erklären. Denn noch im Herbst 2023 klangen die Ideen der Bundesstiftung Bauakademie deutlich unkonventioneller – und im Ergebnis völlig offen. Doch diese Herangehensweise scheint vorerst vom Tisch zu sein.

Die Vorabstudie wurde in Absprache mit der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Auftrag gegeben. Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt (parteilos, für SPD) erklärte gegenüber dem Tagesspiegel, dass das “Gebäude der Schinkelschen Bauakademie mit seiner äußeren Gestaltung in Form der Vor- und Rücksprünge der Fassaden, in der architektonischen Gliederung, Detaillierung, Materialität, Farbigkeit sowie des künstlerischen Bildprogramms” eine architektonische Ikone darstelle.

Bauakademie: Bis März sollen die Ergebnisse der Studie vorliegen

Die geplante Studie interpretiert Kahlfeldt wie folgt: “Die Vorstudie dient der Abstimmung eines gemeinsamen Verständnisses über den architektonischen Gestaltungsspielraum für den Realisierungswettbewerb und die Wiederherstellung der historischen Fassaden, welcher noch in diesem Jahr ausgelobt werden soll.

Die Ergebnisse der Studie sollen bis März 2024 vorliegen. Auf Grundlage dieser Ergebnisse soll anschließend der lange erwartete Wettbewerb für den Wiederaufbau der Bauakademie ausgelobt werden. Damit wäre ein nächster, wichtiger Schritt auf dem mühsamen Weg zur Neuerrichtung des bedeutsamen Bauwerks getan.

 

Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier: 

Die historische Bauakademie auf einem Gemälde von Eduard Gaertner, 1868 / © Foto: Wikimedia Commons

Perspektivische Ansicht der Bauakademie auf einer Zeichnung von Karl Friedrich Schinkel, 1833 / © Foto: Wikimedia Commons

© Open Street Map

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Quellen: DIE WELT, Bundesstiftung Bauakademie, Errichtungsstiftung Bauakademie, Teilnahme Symposium zum Wiederaufbau der Bauakademie, Wikipedia, Der Tagesspiegel

 

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1 Kommentar

  1. wern Februar 4, 2024

    Auch hier, bei CO2 kommt die 2 nach UNTEN. Es ist ein chemisches Symbol, kein Quadrat.

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