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Kontroverse: Welches Ziel verfolgt die Bundesstiftung Bauakademie?

Im November 2016 hatte der Bundestag die Wiedererrichtung der von Kar-Friedrich Schinkel bis 1836 errichteten und durch die DDR-Regierung 1962 abgerissenen Bauakademie bewilligt und dafür 62 Millionen Euro bereitgestellt. Statt einer historischen Rekonstruktion verfolgt die extra dafür gegründete Bundesstiftung Bauakademie offenbar das Ziel einer zeitgenössischen Interpretation, was nun für großen Unmut sorgt.

© Abbildung: Wikimedia Commons

© Foto Titelbild: Florian Schuh für Bundesstiftung Bauakademie
Text: Björn Leffler

 

Unter dem Motto „So viel Schinkel wie möglich, so wenig Schinkel wie nötig“ hatte die TU Berlin, der Architekten -und Ingenieurverein zu Berlin-Brandenburg und die Baukammer Berlin im Februar 2022 zu einem Symposium in die Bertelsmann Repräsentanz Unter den Linden geladen.

Die Veranstaltung fand damals großen Anklang und hatte sich die Aufgabe gestellt, die bisherigen Diskussionen und Diskrepanzen um die Neugestaltung der Schinkelschen Bauakademie in Berlins Mitte zu kanalisieren.

Seit über 30 Jahren wird über den Wiederaufbau der Bauakademie gestritten

Denn immerhin wird seit über 30 Jahren um die Wiedererrichtung der Bauakademie am historischen Platz vis-a-vis des neu erbauten Humboldt-Forums gerungen. Der Bundestag hat das vieldiskutierte Projekt letztlich im November 2016 bewilligt und das Projekt mit einer klaren Vorgabe versehen, wie auch die Berliner Landesregierung.

Im aktuellen Koalitionsvertrag von SPD und CDU steht eindeutig: “Die Wiedererrichtung der historischen Fassade der Bauakademie ist durch ein geeignetes Verfahren sicherzustellen.” Doch schon im vergangenen Jahr wurde im Rahmen des Symposiums deutlich, dass die Meinungslage der beteiligten Experten nicht so eindeutig ist wie der politische Wille.

Rainer Haubrich kritisiert die Bundesstiftung Bauakademie scharf

In einem aktuellen Beitrag für die WELT kritisiert der Autor Rainer Haubrich die Bundesstiftung Bauakademie dafür, den klar geäußerten Willen von Bundestag und Berliner Landesregierung zur Rekonstruktion der historischen Fassaden zu ignorieren. Vor allem Gründungsdirektor Dr. Guido Spars wird von Haubrich hart angegangen.

Die neue Bauakademie soll nach Wunsch der Bundesstiftung höchste Anforderungen der Nachhaltigkeit erfüllen und ein “Ort der Innovationskraft” werden. Ambitionierte Ziele also für eines der meistbeachteten Bauprojekte im historischen Zentrum Berlins.

Guido Spars: Bauakademie soll Plattform für Ideen und Innovation werden

Spars selbst äußerte sich ganz zu Beginn seiner Tätigkeit wie folgt zum Projekt: “Das wieder zu errichtende Gebäude der Bauakademie gibt uns die Chance, an diesem zentralen Ort zu zeigen, dass Nachhaltigkeit keine leere Formel ist, sondern gut gelingen kann, wenn man Form und Inhalt verbindet. Die Bundesstiftung Bauakademie wird einen Think Tank und eine Plattform für Ideen und Innovationen rund um das nachhaltige Planen und Bauen etablieren.”

Laut Haubrich verfolge das neunköpfige Team um Guido Spars ganz klar das Ziel, das Gebäude in einer zeitgenössischen Interpretation neu zu errichten, und nicht in der ursprünglich adressierten historischen Rekonstruktion der Außenfassaden.

Berliner Bürgervereine mit offenem Brief an Bauministerin Klara Geywitz

Dies hat nun auch eine Allianz der Berliner Bürgervereine auf den Plan gerufen, die sich in ähnlicher Zusammensetzung kürzlich bereits über die Pläne zur Freiraumgestaltung am Humboldt Forum kritisch geäußert hatten. Die Gruppe veröffentlichte am gestrigen Donnerstag eine entsprechende Pressemitteilung und versandte ein inhaltsgleiches Schreiben an Bundesbauministerin Klara Geywitz.

Teil dieser Allianz sind unter anderem die Baukammer Berlin, der Bildungsverein Bautechnik, der Verein Berliner Historische Mitte, die Errichtungsstiftung Bauakademie, das Forum Stadtbild, die Gesellschaft Historisches Berlin und die Planungsgruppe Stadtkern. Auch der Berliner Ortsverband des Vereins Stadtbild Deutschland ist involviert.

Bürgervereine: “Rekonstruktion ist keine langweilige Kopie”

Die Allianz wehrt sich in ihrer Mitteilung gegen den Vorwurf einer Retorten- oder Disneyland-Architektur, die Kritiker einer historischen Rekonstruktion der Schinkelschen Bauakademie auch im Rahmen des Symposiums im Februar 2022 angeführt hatten.

So heißt es in der Mitteilung wörtlich: “Eine authentisch rekonstruierte Bauakademie bei Berücksichtigung aktueller Vorschriften und nutzungsbedingter Anpassungen, die es auch in der Vergangenheit gab, ist keine langweilige „Kopie”, oder ein „Fake”, wie auch behauptet wird. Sie wäre im Gegenteil eine großartige Leistung, die das Wissen um den Bau dieses Gebäudes dokumentiert und jeder Generation vermittelt. Rekonstruktionen leisten also, wenn sie authentisch sind, einen Beitrag zur Bewahrung der Baukultur.

Forsa-Umfrage: Klare Mehrheit möchte historischen Wiederaufbau

Darüber hinaus macht die Allianz noch einmal auf eine Forsa-Umfrage zum Wiederaufbau aufmerksam: “Unterstützt wird das ferner durch ein Umfrageergebnis des Meinungsforschungsinstituts Forsa. Zwei Drittel der Befragten würden sowohl eine Rekonstruktion des Schinkelschen Gebäudes befürworten, als auch die Auffassung vertreten, dass dessen Rekonstruktion Bestandteil des Realisierungswettbewerbs sein muss.

Ganz offen fragt die Allianz daher kritisch, warum die federführende Bundesstiftung Bauakademie die politischen Rahmenbedingungen als auch den Mehrheitswillen der Bevölkerung – glaubt man jedenfalls der Umfrage aus dem vergangenen Jahr – offenbar nicht umzusetzen gewillt sei.

Welche Ziele verfolgt die Bundesstiftung Bauakademie?

Bislang ist die Ergebnislage der von Guido Spars geführten Bundesstiftung tatsächlich dürftig, ein möglicher Gestaltungswettbewerb scheint in weiter Ferne zu liegen. Vielmehr soll Spars laut WELT eine Aufstockung des Budgets und zusätzliches Personal gefordert haben.

Wann es konkrete Ergebnisse der extra für den geplanten Wiederaufbau gegründeten Bundesstiftung Bauakademie geben wird, ist derzeit offen. Und ob die Stiftung tatsächlich eine modern ausgerichtete Interpretation des historischen Bauwerks oder eine originalgetreue Rekonstruktion verfolgt – oder irgend etwas dazwischen – ist bislang auch noch nicht beantwortet worden.

Worauf wartet die Stiftung? Die Baukosten steigen mit jedem Tag

Je länger die Stiftung braucht, um Wettbewerb und Realisierung des Vorhabens auf den Weg zu bringen, umso wahrscheinlicher ist es, dass die für das Projekt freigegebenen 62 Millionen Euro nicht reichen werden – unabhängig davon, in welcher Form das Gebäude realisiert werden soll. Viele Experten und Beobachter des Prozesses fragen sich daher nicht ohne Grund, worauf die Stiftung eigentlich wartet.

Und das, obwohl in die Wahl Guido Spars als Gründungsdirektor viel Hoffnung gesetzt worden war. Denn der Weg zum Wiederaufbau der Bauakademie war auch vor September 2021 – als Spars ins Amt kam – bereits ein außerordentlich steiniger. Vor allem das Hickhack um die Besetzung des Gründungsdirektor-Postens hatte das Projekt in arge zeitliche und inhaltliche Bedrängnis gebracht.

Bauakademie: Die Zukunft des Projekts scheint derzeit mehr als offen

Nachdem die erste Wahl der Findungskommission, Florian Pronold, von Fachleuten und Architekten abgelehnt worden war und dieser letztlich von seinem Amt zurückgetreten war, wurde der Posten im März 2021 dann mit Guido Spars neu besetzt.

Die historische Bauakademie galt nach ihrer Fertigstellung in ihrer Konstruktionsweise als revolutionär für das 19. Jahrhundert. Es handelte sich dabei laut Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, “um das erste maßgebliche profane Rohziegelgebäude in Preußen”. Ob das Bauwerk in dieser Form eines Tages wieder am Schinkelplatz stehen wird, ist derzeit schwer zu sagen.

 

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Quellen: DIE WELT, Bundesstiftung Bauakademie, Errichtungsstiftung Bauakademie, Teilnahme Symposium zum Wiederaufbau der Bauakademie

 

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