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Berlins Bauwerke der Moderne, Teil 10 – Der Axel-Springer-Neubau

In unserer Artikelreihe widmen wir uns den bedeutenden Berliner Bauwerken der Nachwendezeit, die das Stadtbild der deutschen Hauptstadt bis heute prägen. Im zehnten Teil der Serie behandeln wir den Axel-Springer-Neubau, der auf dem einstigen Grenzverlauf zwischen Ost- und West-Berlin und auf dem Areal des historischen Zeitungsviertels errichtet wurde.

Koloss an der Grenze zwischen Kreuzberg und Mitte: Der Axel-Springer-Neubau, der nach Plänen des niederländischen Architekten Rem Koolhaas entstanden ist. / © Foto: Axel Springer SE

 

© Bilder: Axel Springer SE
Text: Annett Jäger

Der Axel-Springer-Neubau

Ganze vier Jahre nach Baustart eröffnete der Axel-Springer-Neubau in Berlin seine Pforten. Das kubusförmige Gebäude ergänzt seit 2020 den Campus des Axel-Springer-Konzerns und befindet sich direkt gegenüber des mehr als 50 Jahre zuvor erbauten, goldenen Verlagshochhauses des Medienunternehmens.

Das Gebäudeensemble befindet sich zwischen Axel-Springer-, Schützen-, Zimmer- und Jerusalemer Straße in der Berliner Friedrichstadt. Der dunkle Monolith – aufgrund seiner Fassadengestaltung auch als “schwarzer Diamant” bezeichnet – steht heute da, wo einst die Mauer Berlin teilte.

Die Geschichte des Axel Springer Komplexes

Obwohl bereits 2020 fertiggestellt und bereits teilweise bezogen, wurde im Beisein des Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner und des Architekten Rem Koolhaas der Axel Springer Neubau erst am 5. Oktober 2021 feierlich eröffnet.

Er beinhaltet als einer der ersten seiner Art den Gedanken des „Post-Covid-Büros“, welches Menschen trotz Pandemie und Home-Office-Option dazu anregen möchte, gemeinsam an einem Ort zu arbeiten.

Der Axel-Springer-Neubau erfüllt laut von Mathias Döpfner einen Traum des Gründers Axel Springer: Dieser wollte mit seinem Verlag in der Mitte des wiedervereinten Deutschlands stehen. So möchte man auch mit dem neuen Gebäude des Axel Springer Komplexes eine Brücke schlagen zwischen Ost und West.

© Foto: Axel Springer SE

Das historische Berliner Zeitungsviertel

Der Medienkonzern Axel Springer ist eines der größten europäischen  Verlagshäuser mit einer 76 Jahre währenden Erfolgsgeschichte. Der Axel-Springer-Neubau ist somit auch ein Zeichen des digitalen Wandels, der natürlich auch vor dem Verlagshaus Axel Springer nicht Halt gemacht hat.

Bereits 1966 zog der Verlag von Hamburg, wo er 1946 gegründet wurde, nach Berlin –  und zwar direkt an die Berliner Mauer in Kreuzberg. Seitdem steht hier der Hauptsitz des Medienkonzerns.

Am 6. Oktober 1966 weihte der Verlagschef das Verlagshaus mit seinen 19 Geschossen und einer Höhe von 75 Metern persönlich ein. Kritikern gegenüber bezeichnete er das Gebäude als einen “Schrei gegen den Wind” – stand es doch direkt neben der Mauer, unmittelbar an der Grenze zum Ostteil Berlins.

So beeindruckend wie die Geschichte des Verlages zeigt sich auch die des Grundstückes, auf dem der Axel-Springer-Neubau auf mehr als 10.000 Quadratmetern Platz gefunden hat.

Bevor aus dem Areal durch Krieg, Teilung und Mauerfall eine unwegsame Brache wurde, war es ein Teil des alten Zeitungsviertels von Berlin. Im Jahr 1927 waren hier 147 Redaktionen verschiedener Wochen- und Tageszeitungen ansässig. Durchsetzt wurde das Ganze von Modegeschäften und Kürschnereien. Das Berliner Zeitungsviertel war zu dieser Zeit eines der größten Zeitungsquartiere weltweit.

Der Zweite Weltkrieg ließ das florierende Viertel jedoch im Bombenregen untergehen. Nachdem die Häuser des neu bebauten Grundstückes eine Weile im Grenzstreifen der errichteten Berliner Mauer dahin vegetierten, riss man sie schließlich im Jahr 1967 ab.

Die Teilung Deutschlands und der Bau der Mauer ließen das einst so belebte Zeitungsviertel Berlins zu einem Todesstreifen werden. Damit mutierte das Viertel der Verlagshäuser nicht nur zu einem Ort, an dem Menschen aufgrund des Schießbefehls der DDR-Grenzsoldaten immer wieder den Tod fanden.

Zum Gedenken an die vielen jüdischen Opfer, die es während der vorherigen Zeit des Nationalsozialismus im Zeitungsviertel gegeben hatte, wurden 2020 auf den Gehwegen rund um das Axel-Springer-Areal 46 Stolpersteine verlegt – weitere 87 folgten im Zuge der Straßenarbeiten und im Laufe der Jahre kamen noch einige weitere hinzu.

Zwischen den Jahren 1994 und 2000 wurde der Axel Springer Komplex in Berlin mehrfach erweitert; einmal durch den in einem 90-Grad-Winkel angebauten, zweiten Flügel des Axel-Springer-Hochhauses und zum anderen durch die Axel Springer Passage, die ihren Platz auf dem Grundstück der ehemaligen Druckerei des Springer-Verlages fand.

© Foto: Axel Springer SE

Das Axel Springer Headquarter

2017 wurde feierlich der Grundstein für den Axel-Springer-Neubau in Berlin gelegt – nachdem 5.500 Lastwagen etwa 75.000 Kubikmeter Erde aus der Baugrube abtransportiert hatten.

Den Architekturwettbewerb – bei dem es zunächst drei Gewinner gab – konnte 2014 der renommierte niederländische Architekt Rem Koolhaas, Bürochef von OMA – Office of Metropolitan Architecture aus Rotterdam, für sich entscheiden. Im Jahr 2016 wurde mit den Bauarbeiten begonnen.

Umzusetzen war die Idee eines Headquarters, welches die Identität des Verlags Axel Springer verkörpern und zusätzlich den Lückenschluss zwischen traditionellen Geschäftsbereichen des Hauses und der Darstellung eines Unternehmens für moderne, digitale Medien vollziehen sollte.

Rund 300 Millionen Euro kostete der Axel Springer Neubau mit seinen 52.000 Quadratmetern Bürofläche und dem auf dem Dach befindlichen Garten- und Freizeitbereich für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Eigentümer ist der Verlag allerdings nicht, denn das Gebäude wurde noch lange vor seiner Fertigstellung an einen norwegischen Staatsfonds verkauft.

Axel-Springer-Neubau: Der “schwarze Diamant”

Wie ein architektonisches Ausrufezeichen in 3-D Optik erscheint der Axel-Springer-Neubau mit seiner Kubus-Form. In der Sonne glänzt die dunkle Fassade – bestehend aus goldeloxierten Aluminiumelementen und grau getönten Glasflächen, die durch die gespiegelte Trapezform an die Grundstücksform des Zeitungsviertels von Berlin erinnern soll.

Das gesamte Areal inklusvie des Axel-Springer-Neubaus stellt mittlerweile ein Bauensemble dar, welches die Entwicklung des Verlagshauses über ein Jahrhundert hinweg zusammenzufassen scheint.

Mittig überragt das Springer-Hochhaus als ehemals klare Ansage an den sozialistischen Osten die Umgebung. Gegenüber dem rechtsseitig davon gelegenen, kolossalen und denkmalgeschützten Mosse-Haus als ehemaligem Sitz der Tagesblätter von Rudolph Mosse ruht nun der Axel-Springer-Neubau.

Der gesamte Bau erhebt sich kohlrabenschwarz mit einer regelrechten Wucht, sodass ihn Karsten Rongstedt, ein Mitarbeiter des Journalistenclubs im Springer-Hochhaus gegenüber,  als “schwarzer Diamant” betitelte.

Im Gegensatz dazu steht der Dachgarten mit seinen begrünten Flächen, Weinreben, Erdbeeren-, Tomaten-, Gemüse- und Kräuterbeeten, dessen Grünanlagen zu Spaziergängen einladen. Der Blick über die Stadt ist von hier aus einmalig und wird durch zwei bis in die späten Abendstunden geöffneten Dachgeschoss-Bars versüßt.

Um die auf den ersten Blick massive Erscheinung des Gebäudes etwas zu mildern, wurde es horizontal geteilt – durch einen Rücksprung, welcher eine Art Galerie in der Fassade entstehen lässt. Augenscheinlich lagert der obere Teil des Axel Springer Neubaus ausschließlich auf Rundpfeilern.

Die über weite Strecken als selbst tragendes Glasgitter ausgeformte Fassade hat einen Grund: Kosten sparen. Die schwarze Schraffierung der Glasfassade wiederum fand zum einen aus klimatischen Gründen statt – zum anderen soll sie als Referenz an Mies van der Rohes berühmten Entwurf eines Glashochhauses an der Friedrichstraße dienen.

Eine das Gebäude von Südwesten nach Nordosten teilende und symbolisch an den Grenzverlauf angelehnte Diagonale sorgt für die innere Aufteilung des Stahlbetonbaus in zwei Hälften. Sie bildet das Atrium –  45 Meter hoch und beidseitig flankiert von neun terrassenartigen, gestapelten Geschossen – einmalig in Europa.

Diese offenen Bereiche des Axel-Springer-Neubaus sollen im Gegensatz zu den geschlossenen Räumen für das konventionelle Arbeiten, nach der Idee des Architekten, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verlagshauses Raum für ein informelleres und experimentelleres Wirken dienen.

Über die Terrassen möchte OMA die Menschen zusammenführen und so gegen die Vereinzelung der Arbeitenden vorgehen. Diese Idee setzt sich im Mobiliar fort – runde Sitzgruppen, kleine Besprechungstische, Sofas und Teeküchen auf alle Ebenen machen das deutlich.

Architekt Koolhaas selbst bezeichnete die offene Struktur des Foyers als “Digital Valley” – digitales Tal, welches durchzogen wird von Stegen, Brücken und einem zweigeschossigen, futuristisch anmutenden „Rohr“ als Verbindungen zwischen den einzelnen Ebenen.

Obwohl der so geschaffene Raum gewaltig wirkt, hat er nichts Monumentales oder Einschüchterndes an sich. Ganz im Gegenteil – Mitarbeiter und Besucher werden eher zu Beobachtern und Flaneuren mit einer ganzen Reihe von Aussichtsmöglichkeiten.

Neben den offenen Bereichen auf allen Ebenen gibt es auch für das konventionelle Arbeiten abgeschlossene Räume. Hinzu kommen weitere Arbeitsplätze auf der 3.000 Quadratmeter großen Dachterrasse. In den überdeckten Bereichen sind die Sanitärräume zu finden.

Insgesamt arbeiten auf 52.000 Quadratmetern Bürofläche – dies ist in etwa die Größe von sieben Fußballfeldern – Teams mehrerer unterschiedlicher Redaktionen und Verlagsbereiche, wie beispielsweise WELT-Print und WELT Digital, WELT-Fernsehen (vormals N24), die Shopping- und Vergleichsplattform idealo, der Vermarkter Media Impact sowie verschiedene Bereiche von Axel Springer.

© Foto: Axel Springer SE

Das Internet nachgebaut

Je höher der Besucher im Inneren des Axel-Springer-Neubaus aufsteigt, desto häufiger findet er sich auf einem Plateau wieder, über dessen Geländer er die unter ihm liegenden Landschaften aus Sitzgruppen, Menschen und Arbeitsplätzen beobachten kann.

Die eigentliche Leistung des Axel-Springer-Neubau ist aber nicht die atemberaubende Fassade oder das in Europa einzigartige Atrium, sondern eher die Flexibilität des gesamten Gebäudes, in dem vom Prinzip her alles passieren kann. Es scheint, als hätte Rem Koolhaas mit diesem Gebäude das Internet nachgebaut.

 

Weitere Teile der Reihe könnt Ihr hier mit ENTWICKLUNGSSTADT PLUS lesen:

Serie: Berlins Bauwerke der Moderne, Teil 4 – Das Jüdische Museum

Serie: Berlins Bauwerke der Moderne, Teil 6 – Der Berliner Hauptbahnhof

Berlins Bauwerke der Moderne, Teil 7 – Sanierung der Staatsbibliothek

Berlins Bauwerke der Moderne, Teil 8 – Zoofenster & Upper West

Berlins Bauwerke der Moderne, Teil 9 – Das Regierungsviertel

Weitere Artikelreihen findet Ihr hier

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