Der Teilchenbeschleuniger Bessy II in Berlin-Adlershof kommt langsam in die Jahre. Die rege Nutzung von Forschern aus aller Welt und verlangt der Anlage viel ab. Jetzt wird ein Nachfolgemodell geplant, welches am gleichen Standort entstehen soll.
© Visualisierungen: Helmholtz Zentrum
Text: Stephanie Engler
Die bisherige Bessy II Anlage im Technologiepark Adlershof hilft vielen Wissenschaftlern bei der Erforschung essenzieller Materialien. So wurde dort etwa eine Solarzelle entwickelt, groß wie ein Daumennagel, welche einen Wirkungsgrad von fast 30 Prozent einer üblichen Solarzelle haben soll. Laut Bernd Rech, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums Berlin (HZB) für Materialien und Energie, sei dies ein “Weltrekord“.
Der Elektronenspeicherring ist für Forscher enorm wichtig, da er dabei hilft, Grundlagen für verschiedenste Anwendungen zu erforschen. Dazu gehört die Katalyse in chemischen Prozessen sowie grüner Wasserstoff, klimaschonendes Flugbenzin, Medizin und Solarzellen.
Ein Teilchenbeschleuniger erzeugt helle Röntgenblitze, die dabei helfen, Prozesse in Materialien analysieren zu können. Laut Rech könne also buchstäblich dabei zugesehen werden, “was wirklich passiert, wenn sich eine Batterie entlädt oder wie eine Solarzelle Licht in Strom umwandelt.“
Forscher aus aller Welt sind auf Bessy angewiesen
Bessy I und II und die geplante Nachfolgerin werden nicht nur von Physikern genutzt. Die Forschungsanlage ist für Chemiker, Mediziner, Archäologen und Vertreter anderer Disziplinen genauso wichtig.
Jedes Jahr arbeiten insgesamt 2.700 Forschungsteams aus rund 50 Ländern an und mit Bessy II. Damit sei die Anlage doppelt überbucht und kann dennoch flexibel agieren. Denn zu Beginn der Coronapandemie kamen Forscherinnen und Forscher recht kurzfristig, um die Virusstruktur von Covid-19 zu analysieren. Sie waren dank der Technologie und des zeitnahen Einsatzes schnell erfolgreich.
Bessy II kommt in die Jahre
Der jetzige Teilchenbeschleuniger löste die Vorgängeranlage vor ziemlich genau 20 Jahren ab. Jetzt beginnt auch die zweite Anlage zu altern. Denn im inneren Ring, dem sogenannten Synchrotron, wurden viele Maschinen von Anfang der 2000er Jahre verbaut. Manche davon geben immer öfter den Geist auf und müssen regelmäßig gewartet werden.
Derzeit ist die Anlage für mehrere Monate abgeschaltet, da die Spannungsversorgung saniert wird. Laut Antje Vollmer, Facility-Sprecherin und Nutzer-Koordinatorin von Bessy II, würde das nun aufgrund des Alters häufiger vorkommen.
Die neue Großforschungsanlage soll doppelt so groß werden
Ein Nachfolgegerät ist notwendig, um weiterhin konkurrenzfähig zu sein – besonderes international. Daher beginnt jetzt die Planung für Bessy III. Sie soll 50 Prozent größer sein als Bessy II und ebenfalls in Adlershof entstehen. Laut Rech und dem Technologiepark-Betreiber, der Landesfirma Wista, gehe es auch um den Standort im Technologiepark.
Zurzeit verhandeln beide über ein passendes Grundstück. Denn Bessy II abzureißen, sei keine Option, da dies eine jahrelange Pause bedeuten würde. Die Wissenschaftler könnten keine Messungen mehr durchführen, was ein großer Verlust für die Forschung wäre.
Zulieferer für Spezialgeräte sitzen schon auf dem Campus
Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Berliner Helmholtz Zentrum halten den Bau von Bessy III an einem anderen Standort als Adlershof ebenso für unpraktikabel. Der Teilchenbeschleuniger ist für den Forschungsstandort Berlin ausgesprochen wichtig.
Denn Bessy II wird von vielen Forschern der Institute am Campus benötigt. Besonders die sogenannten Beamlines, wo Licht aus dem Elektronenspeicherring herausgeschossen kommt, werden für Messungen und Experimente benötigt.
Ein weiterer Vorteil, am jetzigen Standort zu bauen, ist der Sitz vieler Zulieferer im Technologiepark Adlershof. Sie konstruieren die Spezialgeräte für Bessy und würden sich an einem Neubau entsprechend beteiligen. Bei einem anderen Standort seien die Wissenschaftler zudem gezwungen, ihre Experimente in umliegenden Laboren vor- und nachzubereiten sowie sensible Proben weit zu transportieren.
Knapp eine Milliarde Euro soll Bessy III kosten
Bessy III wurde bereits von der Helmholtz-Gesellschaft in ihre Road Map für künftige Großforschungsanlagen aufgenommen. Die Gesellschaft betreibt auch an Standorten in Hamburg und Dresden “beschleunigerbasierte Lichtquellen“.
Doch ohne die Unterstützung der Politik wird es keinen Neubau geben. Denn der Bund müsste den Großteil der Kosten tragen. Daher gibt es nun erste Gespräche zwischen Wissenschaftlern und Bundestagsabgeordneten. Nach dem üblichen Verteilerschlüssel für solche Investitionen würde sich das Land Berlin mit rund 100 Millionen Euro am Projekt beteiligen.
Ab 2035 könnte Bessy III genutzt werden
Das technische Konzept soll noch dieses Jahr vorgestellt werden. Sollten darauffolgend alle nötigen Planungsmittel bewilligt werden, könnte der Bau am Ende dieses Jahrzehnts beginnen. Doch erst 2035 wäre der neue Teilchenbeschleuniger dann tatsächlich einsatzbereit.
So lange muss Bessy II noch durchhalten und regelmäßig gewartet werden. Laut Rech müsse das Helmholtz Zentrum allein für die Instandhaltung jedes Jahr zwischen fünf und zehn Millionen Euro investieren. Denn schon jetzt wird die Anlage immer anfälliger.
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