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Neue Nutzungen im historischen Gewand: Berlins einstige Brauereien

Zahlreiche historische Brauereien gab es in Berlin, verteilt auf das gesamte Stadtgebiet. Heute werden die historischen Anlagen meist vollkommen anders genutzt und modern erweitert. Dabei entsteht häufig ein spannendes Wechselspiel aus historischer und moderner Architektur. Heutige Nutzungen reichen von Wohnungen über Gewerbe, Büros, Medizin, kulturelle und soziale Einrichtungen bis hin zu Bildungs- und Betreuungsstätten.

Berlins einstmals größte Privatbrauerei wird derzeit in einen Medizin- und Gewerbestandort transformiert. Das denkmalgeschützte Ensemble soll auf dem zukünftigen Bötzow Campus in Prenzlauer Berg mit neuen Gebäuden harmonieren, die derzeit im Bau sind. / © Visualisierung: DCA/Laborgh

© Visualisierung Titelbild: Jo Klein Architekten
© übrige Fotos / Visualisierungen: nach Kennzeichnung
Text: Björn Leffler

 

Über 30 historische Brauereien gab es in Berlin, die heute größtenteils nicht mehr betrieben werden, aus unterschiedlichen Gründen. Geblieben sind aber häufig historische Industrieareale, die längst anders genutzt werden – oder zukünftig anders genutzt werden sollen.

Wir haben acht Beispiele zusammengetragen, die zeigen, welche modernen Nutzungskonzepte in den häufig denkmalgeschützten Gebäuden und Ensembles untergebracht werden. Dabei entsteht nicht selten ein spannendes Wechselspiel aus historischer und moderner Architektur.

Bockbrauerei, Kreuzberg

© Visualisierungen: Bauwert AG / Tchoban Voss Architekten

Auf dem geschichtsträchtigen, 13.000 Quadratmeter großen Gelände der früheren Bockbrauerei in Kreuzberg realisiert die Bauwert AG nun nach sieben Jahren Planung ein neues Quartier mit Gewerbeflächen und Wohnungen.

Heute sind von der alten Brauerei nur noch das alte Schankhaus im Burgenstil aus gelbem und rotem Backstein und mehrere Kellergewölbe erhalten. Letztere stehen mittlerweile dank der Initiative Denkmalschutz für die Bockbrauerei unter Denkmalschutz.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts brauten Georg Leonhard Hopf und bis 1920 Schultheiß nach bayerischem Vorbild das in Berlin bis dahin unbekannte obergärige Bier. Im angrenzenden Gartenlokal wurde es sogar direkt ausgeschenkt.

Nun werden 220 Wohnungen und ausreichend Platz für Gewerbeflächen realisiert. Zudem sollen neue Büroflächen und eine Kita entstehen. Auf dem Areal soll also eine Mischnutzung umgesetzt werden.

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Patzenhofer Brauerei, Friedrichshain

© Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

An der Landsberger Allee in Berlin-Friedrichshain liegt das historische Areal der einstigen Patzenhofer Brauerei. Einen aktiven Brauereibetrieb gab es hier aber seit vielen Jahren nicht mehr. Das Gebäude wurde 1905 von Hermann Dernburg für die Aktien-Brauerei-Gesellschaft Friedrichshöhe entworfen.

In den 1920er-Jahren zählte der Industriebetrieb zu den bedeutendsten Brauereien in ganz Europa. Der Name des Areals geht auf den Münchener Brauersohn Georg Patzenhofer (1815–1873) zurück, der in diesem Areal mehrere Brauereien betrieb und am Standort Landsberger Allee bereits ab 1886 einen Produktionsbetrieb eröffnete, der anschließend mehrfach baulich erweitert wurde.

Das Gebäude wurde nach der Fusion der Brauerei mit der Schultheiss-Brauerei 1920 durch die Allianz Versicherung übernommen und nach dem Zweiten Weltkrieg erneut umgebaut. Während der DDR-Zeit saßen hier auch der Deutsche Verlag der Wissenschaften, ein Fachbuchverlag, das Rechenzentrum des Außenhandels der DDR sowie der Außenhandelsbetrieb des VEB Schwermaschinenbau-Kombinat „Ernst Thälmann“.

Nach dem Mauerfall wurde dem  Gelände erneut eine vollkommen neue Nutzung zuteil. Nach mehreren Besetzungen in den 1990er Jahren wurde das Gelände ab Mitte der 2000er Jahre durch Künstlerinnen und Künstler genutzt, die das gesamte Areal als Werkstatt- und Ausstellungsraum nutzten. Auch ein Café, einen Biergarten und einen Club gab es.

Aus dem Dornröschenschlaf soll das Gelände nun durch die neuen Eigentümer geholt werden, welche die historische Brauerei im Jahr 2017 erwarben. Das Unternehmen mit dem Namen Patzenhofer GmbH plant eine umfassende Sanierung, Modernisierung und auch bauliche Erweiterung des spannenden aber nicht einfachen Brauereikomplexes.

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Kulturbrauerei, Prenzlauer Berg

© Foto: pixabay

Die Kulturbrauerei ist eines der bekanntesten historischen Industrie-Architekturdenkmäler Berlins. Auf dem 25.000 Quadratmeter großen Areal aus dem 19. Jahrhundert befinden sich über 20 Gebäude auf sechs Höfen. Wo früher die Schultheiß-Brauerei (1853-1967) ihr Bier braute, ist nach der Wende ein multikulturelles Zentrum entstanden, das sich zu einer der größten alternativen Kultureinrichtungen Berlins entwickelt hat.

Bei der Sanierung des Bauensembles wurde auf die Pflege und Bewahrung des von Franz Heinrich Schwechten entworfenen Areals geachtet und die Fassaden weitgehend erhalten. Historische und moderne Architektur wurden miteinander verbunden. Die Nutzung der einzelnen Gebäude lässt sich noch heute an den Originalbeschriftungen der Häuser nachvollziehen.

Mehrere große Hauptstadtmedien berichteten im Spätsommer 2021 darüber, dass das Areal der Kulturbrauerei möglicherweise vor dem Verkauf stehe – und damit vielleicht vor einer Umwälzung der Mieterschaft und der Nutzungsstruktur.

Schnell wurde das Schreckensszenario publik, aus dem Standort könnte ein vorwiegend als Bürokomplex genutztes Ensemble und die zahlreichen Kulturschaffenden demzufolge aus der Kulturbrauerei verdrängt werden. Der Bezirk Pankow hat jedoch ein entsprechendes “Rettungskonzept” erarbeitet.

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Schultheiss Brauerei, Moabit

© Foto: Wikimedia Commons

Das heutige “Schultheiss Quartier” ist ein revitalisiertes Einkaufszentrum auf dem Areal der ehemaligen Schultheiss-Brauerei im Berliner Ortsteil Moabit.

Das “Schultheiss Quartier” ist eines der Projekte der HGHI Holding GmbH des privaten Investors Harald Huth. Die historischen, denkmalgeschützten Gebäudeteile der alten Brauerei auf dem Grundstück zwischen Turm-, Strom- und Perleberger Straße wurden im Zuge des Projekts saniert und um mehrere moderne Neubauten ergänzt.

Die Bauarbeiten fingen im Herbst 2015 an und wurden im Sommer 2018 beendet. Bereits nach wenigen Jahren erfolgte jedoch bereits ein neuerlicher Umbau des Einkaufszentrums mit einer deutlichen Verkleinerung des Obergeschosses, um die Zahl leerstehender Verkaufsflächen zu verringern. So wurde die Verkaufsfläche reduziert, um mehr Platz für Büroflächen zu schaffen.

Bärenquellbrauerei, Niederschöneweide

Ein weiteres Objekt ist die ehemalige Bärenquell Brauerei, die sich direkt an der vielbefahrenen Schnellerstraße im Ortsteil Niederschöneweide im Bezirk Treptow-Köpenick befindet. Der Komplex entstand als “Brauerei Borussia”, die von Max Meinert und dem Braumeister Alex Kampshenkel 1882 gegründet worden war.

Im Gegensatz zu vielen anderen, historischen Berliner Brauereien wurde auf dem Gelände auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch bis Mitte der 1990er Jahre Bier gebraut, bis der Betrieb letztlich eingestellt wurde. Längst stand das Areal schon unter Denkmalschutz, lag in der Folge jedoch jahrzehntelang brach.

Bis 2013 fand ein Bebauungsplanverfahren für die Errichtung eines Baumarktes auf dem Gelände der Brauerei statt. Dabei sollten mehrere Gebäude, auch einige an der Straßenfront zur Schnellerstraße stehenden Häuser aus den Jahren 1882 bis 1902, aus dem Denkmalschutz entlassen und zugunsten eines Neubaus abgerissen werden.

Glücklicherweise wurden diese Pläne nicht verwirklicht. Nach einem erneuten Eigentümerwechsel waren die Planungen hinfällig. Seit 2020 finden auf dem Gelände unterschiedliche Veranstaltungen und Flohmärkte statt, auch ein Biergarten und ein Techno-Club befinden sich mittlerweile auf dem rege genutzten Gelände.

Die historischen Gebäude sollen in den kommenden Jahren saniert und baulich ergänzt werden. In den Backsteinhäusern sollen Büroflächen und größere Gastronomiebetriebe eingerichtet werden. Mit der Entwicklung ist die Berliner Firma HCM Home Center Management betraut worden.

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Königstadtbrauerei, Prenzlauer Berg

© Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

Eingerahmt von den Gebäuden der ehemaligen Königstadtbrauerei wird an der Saarbrücker Straße in Prenzlauer Berg derzeit ein Büro-Neubau nach Plänen des Architekturbüros Tchoban Voss errichtet.

Entwickelt wird das Projekt vom Unternehmen NDC Projektentwicklung GmbH. Mit der Umsetzung des Bauvorhabens ist im Sommer 2021 begonnen worden. In verschiedenen Bürotypen entstehen hier bis zu 400 Arbeitsplätze, ein Konferenzzentrum im Erdgeschoss mit zentralem Foyer und einem japanischem Garten.

Die “Brauerei Königstadt AG” wurde im Jahre 1849 als “Wagner‘s Bairisch-Bier-Brauerei” auf einem der ehemaligen, so genannten “Windmühlenberge” am (damaligen) Rande Berlins gegründet und durch “d‘Heureus & Busse” 1861 übernommen.

Die Brauerei Königstadt AG prosperierte ab 1871 und wurde zu einer der größten Brauereien Berlins. 1921 erfolgte die Übernahme der Brauerei durch die  “Kindl-Brauerei”. Tatsächlich wurde aber auf dem denkmalgeschützten Gelände, welches heute einer Mischnutzung unterliegt, seit rund 100 Jahren kein Bier mehr gebraut. Mehrere Medienfirmen, Gastronomie und auch ein Jugendclub befinden sich heute auf dem Areal.

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Böhmisches Brauhaus, Friedrichshain

© Foto: Wikimedia Commons

Ein neues Wohnquartier des Unternehmens Pandion AG entsteht auf einem historisch hochinteressanten Areal. Die ehemalige Brauerei wurde 1868 auf einem Areal zwischen Landsberger Allee und Frieden-, Mathias- und Pufendorfstraße gegründet. Das Gebäudeensemble wurde nach einem Entwurf des Ratsbaumeisters Rohmer errichtet, dessen architektonische Handschrift sich auch bei weiteren Berliner Brauereigebäuden wiederfindet.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Brauerei dann schwer zerstört. Was blieb, war lediglich die Alte Mälzerei, die heute unter dem Namen “Forum Friedrichshain” vermarktet wird und Büro- sowie Gewerbeflächen beheimatet.

Auf dem 19.000 Quadratmeter großen Areal entstehen im Rahmen des derzeit laufenden Bauprojekts in insgesamt vier Bauabschnitten 400 Eigentumswohnungen sowie 30 öffentlich geförderte Mietwohnungen.

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Kindl Brauerei, Neukölln

© Foto: Wikimedia Commons

Das Areal der ehemaligen Berliner Kindl-Brauerei mit dem bekannten Sudhaus befindet sich an der Werbellinstraße 50. Es wurde zwischen 1926 und 1930 erbaut. Der Entwurf stammt von den Architekten Hans Claus und Richard Schepke, Bauherr war die Berliner Kindl-Brauerei AG.

Das heute noch gut erhaltene Sudwerk wurde nach der Demontage bis 1953 von der Firma Ziemann neu errichtet. Es besteht aus zwei Sudstraßen mit jeweils drei Gefäßen. Das Eichvolumen der Kochpfannen beträgt 705 Hektoliter.

Seit der Stilllegung des Standortes im Jahr 2005 wird das Sudhaus für kulturelle Veranstaltungen genutzt. Auf Initiative von Armin Paul findet in der gesamten Brauerei jährlich eine Kunstmesse statt. Unter dem alten Sudhaus befindet sich seit Oktober 2009 die Privatbrauerei Am Rollberg.

Zudem ist in den vergangenen Jahren das sogenannte „Eine-Welt-Zentrum“ der Berlin Global Village gGmbH in einem ehemaligen Verwaltungsgebäude der Kindl-Brauerei und einem daneben liegenden Neubau zwischen Rollbergstraße und Werbellinstraße entstanden.

Mit dem Zentrum “Berlin Global Village” ist ein in Berlin-Neukölln bislang einmaliger Ort der Vielfalt, der Begegnungen, Kooperationen, des offenen Dialogs und des Engagements entstanden. Die im September 2022 fertiggestellten Räumlichkeiten sollen den zivilgesellschaftlichen Organisationen und Initiativen hervorragende Arbeitsbedingungen bieten.

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Bötzow Brauerei, Prenzlauer Berg

© Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

Die historische Brauerei Julius Bötzow war für viele Jahre die größte Privatbrauerei Berlins. Sie bestand von 1864 bis 1945. Im Biergarten der Brauerei fanden bis zu 6.000 Gäste Platz.

Wenngleich auch einige Teile des Areals nach dem Kriegsende 1945 als Brauerei, Lagerhallen für die VEB Fischwirtschaft sowie als Spirituosen- und Tabaklager genutzt wurden, blieb das Gelände des Biergartens lange Zeit überwiegend Brachfläche.

1952 wurde mit dem Bau eines Kindergartens begonnen, viel mehr passierte auf dem Areal jedoch nicht. Die erhaltenen, historischen Bauten wurden Ende der 1970er Jahre dann unter Denkmalschutz gestellt. Der ehemalige Kindergarten hingegen wurde mittlerweile wieder abgerissen, das Gebäude war stark baufällig.

Nach 1990 wechselte das Gelände mehrfach den Eigentümer, auch die Nutzungsideen variierten im Laufe der Jahre, ohne aber dass tatsächlich ein Projekt realisiert wurde. Ende 2010 erwarb der Unternehmer Hans Georg Näder das insgesamt 24.000 Quadratmeter große Brauereigelände.

Im Mai 2014 stellte Näder dann den „Masterplan 2019“ für das Areal vor, den der englische Architekt David Chipperfield entworfen hatte, der in Berlin unter anderem auch die James Simon Galerie auf der Museumsinsel konzipiert hat. Die Pläne Chipperfields orientieren sich an der früheren Struktur und Gestaltung des Brauereigeländes, große Freiflächen sollen demnach erhalten bleiben.

Entstehen soll auf dem Gelände ein Medizin-Campus, der vorwiegend vom Prothesenhersteller Ottobock genutzt werden soll. Neben Büro- und Therapieflächen sowie hochmodernen Produktionsbereichen soll es auf dem zukünftigen Campus viele öffentliche Bereiche wie Cafés, Restaurants und frei zugängliche Stadtplätze geben. Zudem werden auf dem Areal Wohnungen entstehen.

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Quellen: Jo Klein Architekten, ottobock GmbH, Wikipedia, HGHI Holding GmbH, Pandion AG, David Chipperfield, Architektur Urbanistik Berlin, Berlin Bauboom, berlin.de, Berlin Global Village

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