Die Pläne der Bundesregierung für eine umfassende Krankenhausreform könnten in Berlin die Schließung kleiner, innenstadtnaher Kliniken mit sich bringen. Wie eine sinnvolle Weiternutzung dieser Standorte aussehen könnte, zeigen zwei Projekte in Tempelhof und Prenzlauer Berg.

Das Klinikum Am Urban ist das einzige Krankenhaus im Berliner Ortsteil Kreuzberg und wird vom landeseigenen Krankenhausbetreiber Vivantes betrieben. Der Krankenhausstandort würde auch nach der geplanten Krankenhausreform erhalten bleiben. / © Foto: depositphotos.com

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Text: Björn Leffler

 

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) treibt derzeit die Pläne für eine umfassende, bundesweite Krankenhausreform voran. Damit verfolgt er das Ziel, die Qualität und Effizienz der Krankenhausversorgung in Deutschland maßgeblich zu verbessern.

Finanzierung, Organisation und Leistungsspektrum der Krankenhäuser in Deutschland sollen nach diesen Plänen grundlegend reformiert werden. Eine beauftragte Expertenkommission legte im Dezember 2022 ausführliche Vorschläge für eine solche Reform der deutschen Gesundheitsversorgung vor.

Krankenhausreform: Abkehr vom Fallpauschalen-Prinzip

Die Kommission regte darin Änderungen bei der Abrechnung von medizinischen Leistungen mit einer Abkehr vom Fallpauschalen-Prinzip und eine stärkere Spezialisierung der Krankenhäuser an. Die Bundesländer müssen der Reform allerdings noch im Bundesrat zustimmen.

Verschiedene „Level“ von Krankenhäusern sollen zukünftig deutlich machen, ob eine Klinik vor allem für die medizinische Grundversorgung verantwortlich ist oder auch komplizierte Behandlungen übernimmt.

Spezialisierung von Krankenhäusern und Standort-Konsolidierungen

Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen genauer definierte Leistungsgruppen der Kliniken sein – also etwa „Kardiologie“ statt grobe Bezeichnungen wie „innere Medizin“. Die Leistungsgruppen sollen einheitliche Qualitätsvorgaben etwa bei der Ausstattung, bei Personal und Behandlungserfahrungen absichern.

Die geplante Reform wird von Fachkreisen seit Jahren gefordert, denn Gesundheitsexperten und Politiker betonen immer wieder, dass es in Deutschland zu viele Krankenhäuser und Krankenhausbetten gebe. So erwirtschaften mittlerweile knapp 40 Prozent aller Häuser in Deutschland Verluste.

Bestimmte medizinische Leistungen sollen nur in großen Zentren angeboten werden

Lauterbachs Team schlägt schlägt nun vor, kleinere Krankenhäuser zu spezialisieren und bestimmte medizinische Leistungen nur in größeren Zentren anzubieten, um eine bessere Versorgung und Ressourcennutzung sicherzustellen.

Einhergehend wird es bei einer solchen Reform auch Schließungen kleinerer Krankenhäuser geben, die nur geringe Bettenzahlen oder keine gesonderten Spezialisierungen anbieten können. Was im ländlichen Raum für große Diskussionen sorgt, ist innerhalb des Berliner Stadtgebietes aufgrund der hohen Krankenhausdichte kein gravierendes Problem.

Hohe  VersorgungsDichte: In Berlin gibt es heute knapp 23.000 Krankenhausbetten

In Berlin gibt es heute – je nach Definition – 96 Krankenhäuser mit einer Kapazität von fast 23.000 Betten. Diese Zahl wird sich in den kommenden Jahren aller Voraussicht nach reduzieren. Von Schließungen oder zumindest von inhaltlichen Neuausrichtungen werden vor allem jene Standorte betroffen sein, die innenstadtnah und in der Nähe anderer, größerer Klinikstandorte liegen.

Ein Versorgungsengpass ist aufgrund der hohen Zahl an Kliniken in Berlin daher nicht zu erwarten. Viel eher können durch die Reform Standorte und Immobilien in eine völlig neue Nutzung überführt werden. So können heutige Krankenhäuser beispielsweise in Trainings- oder Ausbildungszentren umgewandelt werden.

Wenckebach-Klinikum in Tempelhof: Verlegung von Stationen läuft

Wie so etwas konkret aussehen kann, zeigt derzeit das Beispiel Wenckebach-Klinikum in Berlin-Tempelhof. Mit dem Auguste-Viktoria-Klinikum und dem Wenckebach-Krankenhaus betreibt der landeseigene Klinik-Konzern Vivantes zwei große Klinik-Standorte, die nur wenige Kilometer voneinander entfernt im Bezirk Tempelhof-Schöneberg liegen.

Das Auguste-Viktoria-Klinikum ist am Grazer Damm in Schöneberg angesiedelt, das Wenckebach-Klinikum liegt an der Albrechtstraße in Alt-Tempelhof. Vivantes realisiert derzeit eine bauliche Erweiterung des Auguste-Viktoria-Klinikums und setzt parallel die schrittweise Verlegung des Klinikbetriebs aus dem Standort Wenckebach-Klinikum um.

Wenckebach-Klinikum: Großer Sanierungsbedarf und Denkmalschutz

Das Gebäude und der Zustand der Klinik stehen beispielhaft für viele Berliner Krankenhäuser. Denn der Klinikkomplex ist denkmalgeschützt und stark sanierungsbedürftig. Vivantes veranschlagt als Träger rund 150 Millionen Euro für die Sanierung.

Dabei muss die Substanz der historischen Gebäude wiederhergestellt werden, um das Gelände in seiner heutigen Form überhaupt erhalten zu können. In den vergangenen Jahrzehnten wurden Investitionen in den Bau zu lang vernachlässigt.

Neuausrichtung: Auf dem Klinikgelände in Tempelhof soll ein Pflegecampus entstehen

Auf dem Areal soll nun ein Berliner Bildungscampus für Gesundheitsberufe (BBG) realisiert werden. Dieser soll in den nun freigewordenen Flächen (rund 30.000 Quadratmeter) eingerichtet werden. Damit steht steht dringend benötigter Raum für bis zu 3.700 Ausbildungsplätze und ein Wohnheim zur Verfügung.

Das Modell, auf dem Gelände des Wenckebach-Klinikums einen Pflegecampus einzurichten, könnte Vorbildcharakter für weitere Klinikstandorte in Berlin haben. Darüber hinaus können aber genauso gut Flächen für Schulen, Vereine, soziale Träger, Büros oder auch Wohnungen umgesetzt werden.

Krankenhaus Prenzlauer Berg: Büros und auch Wohnungen sollen entstehen

Ein entsprechendes Projekt gibt es derzeit in Prenzlauer Berg. Allerdings ist das dortige Klinikgelände bereits seit mehreren Jahren ungenutzt. Das 2019 von Vivantes geschlossene Krankenhaus, welches seitdem weitgehend unzugänglich ist und direkt neben dem Planetarium an der Prenzlauer Allee liegt, wurde Ende des Jahres 2020 vom Land Berlin erworben.

Nach Plänen des Bezirksamts soll auf dem Areal ein neuer Standort für die Bezirksverwaltung entstehen. Aus den ehemaligen Klinikgebäuden sollen also vorwiegend Büroflächen werden. Der Standort für den Bezirk soll auf der südlichen Fläche unmittelbar an der Fröbelstraße eingerichtet werden.

Reformpläne: Noch ist offen, welche Kliniken geschlossen werden könnten

Da der Campus aber sehr weitläufig ist und zahlreiche Gebäude umfasst, wird derzeit geprüft, ob noch weitere Nutzungen auf dem Gelände möglich sind. In der Mitte der Fläche sollen womöglich Mietwohnungen entstehen.

Welche Berliner Kliniken möglicherweise von Schließungen oder Zusammenlegungen durch die Krankenhausreform betroffen sind, ist derzeit aber noch völlig offen. Bislang gibt es hier keine verbindlichen Informationen. Grundsätzlich jedoch scheint die geplante Reform zumindest für das Berliner Stadtgebiet eher Chancen als Risiken zu bergen.

 

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Quellen: Charité Berlin, Vivantes, Bundesgesundheitsministerium, Deutschlandfunk, Ärzteblatt, berlin.de, Berliner Woche

 

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