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50 Jahre Kampf gegen Autobahnbau: Jubiläum der Initiative Westtangente

Die “Bürgerinitiative Westtangente” feierte in dieser Woche ihr 50-jähriges Jubiläum. In den 1970er und 1980er Jahren stemmte sie sich erfolgreich gegen den vom Berliner Senat geplanten Weiterbau der Stadtautobahn nördlich des Autobahnkreuzes Schöneberg. Die Initiative ist bis heute aktiv, denn umstrittene Verkehrsprojekte gibt es auch weiterhin zur Genüge. 

Ende der 1950er Jahre begann der Ausbau der Berliner Stadtautobahn. Die vom Berliner Senat geplante Westtangente wurde jedoch nie verwirklicht. 1991 wurden die Pläne endgültig fallen gelassen. / © Foto: depositphotos.com

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Text: Björn Leffler

 

In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im Westteil Berlins die Planung einer autogerechten Stadt vorangetrieben. Anstatt die im Krieg schwer zerstörten Quartiere wieder aufzubauen, forcierte der Senat ab Mitte der 1950er Jahre den Bau der Berliner Stadtautobahn.

Und diese führt heute mitten durch dicht bebaute Stadtareale in Charlotttenburg, Schöneberg, Wilmersdorf oder Tempelhof. Aus einstmals kleinteiligen und einladenden Stadtplätzen wie dem Innsbrucker Platz, dem Heidelberger Platz oder dem Breitenbachplatz wurden große Verkehrsareale, die heute vor allem darauf ausgelegt sind, große Automassen schnell und komfortabel hindurchzuführen.

West-Berlin nach dem Krieg: Auf den Autoverkehr ausgerichtete Neuplanung

Die nahezu vollständig auf den Autoverkehr ausgerichtete Neuplanung der Westhälfte Berlins ging zurück auf den sogenannten „Kollektivplan“ des Architekten Hans Scharoun, der 1945 und 1946 als Stadtbaurat eine völlig neue Stadt konzipieren wollte – ohne auf die historischen Strukturen des alten Berlins große Rücksicht nehmen zu wollen.

Die Berliner Stadtautobahn in ihrer heutigen Form jedoch ist ein unvollendetes Bauwerk, denn die Planungen zum Bau der Autobahnstrecke durch die Berliner Bezirke gingen eigentlich noch viel weiter.

Die Berliner Stadtautobahn ist ein unvollendetes Bauwerk

Denn nach den ursprünglichen Planungen des Berliner Flächennutzungsplans aus dem Jahr 1965 sollte die damals geplante Bundesautobahn 106 die sogenannte „Südtangente“ bilden und von Schöneberg über Kreuzberg und Alt-Treptow nach Köpenick geführt werden.

Die Verkehrsplanung sah also in dieser Zeit noch eine perspektivische Wiedervereinigung beider Stadthälften vor. Doch sowohl die “Südtangente”, die den Bau eines Autobahnkreuzes am Oranienplatz in Kreuzberg vorsah, als auch die geplante “Westtangente” wurden letztlich nicht realisiert.

Die heutige A 103 ist Teil der ursprünglich geplanten “Westtangente”

Die fertiggestellte Bundesautobahn A 103, die den Berliner Stadtring (A 100) vom Kreuz Schöneberg bis zum Steglitzer Kreisel verbindet, wurde 1968 mit dem Abschnitt von der Schloßstraße bis zur Saarstraße eröffnet und 1978 mit dem Abschnitt bis zum Sachsendamm erweitert.

Die A 103 ist jedoch lediglich ein Teil der ursprünglich geplanten “Westtangente”. Diese sollte als Umfahrung im Berliner Süden den Verkehr von Zehlendorf durch Steglitz, Schöneberg und Tiergarten bis zum Wedding im Norden leiten, um die Geschwindigkeit der Verkehrsflüsse zu erhöhen.

Planungen für “Westtangente” stießen von Beginn an auf Widerstand

Von Beginn an stießen die Planungen für die “Westtangente” jedoch auf starken Bürgerprotest. Im Jahr 1974 gründete sich die bis heute aktive „Bürgerinitiative Westtangente“, nachdem die Verkehrsplaner aufgrund der Proteste von Kreuzberger und Neuköllner Bürgern von der priorisierten Realisierung der A 106 abgerückt waren.

In den 1990er Jahren entschied der damalige Berliner Senat schließlich, das Planvorhaben zu beenden. Bereits errichtete innerstädtische Autobahnteilstücke wurden zu reinen Zubringern herabgestuft, darunter das passende Ende der A 105, das ursprünglich den nördlichen Teil der “Westtangente” bilden sollte.

Jubiläum: 50 Jahre “Bürgerinitiative Westtangente”

Am gestrigen Mittwoch feierte die Initiative ihr 50-jähriges Bestehen. Die Initiative hatte mit ihrem jahrzehntelangen Widerstand gegen das Bauprojekt “Westtangente” entscheidenden Anteil daran, dass der Berliner Senat schließlich 1991 die Pläne für die noch nicht gebauten Teile der Autobahn nördlich des Autobahnkreuzes Schöneberg fallen ließ.

Die Bürgerinitiative ist allerdings auch nach diesem Erfolg bis heute aktiv geblieben. Seit fünf Jahrzehnten setzt sich die Bürgerinitiative für “Abrüstung im Verkehrsbereich” ein, nicht nur im Kampf gegen die “Westtangente”. Nach der Wende entwickelte sie ein Straßenbahnkonzept für ganz Berlin mit, das nach wie vor in weiten Teilen nicht umgesetzt worden ist.

Initiative und “BUND” arbeiten gemeinsam an Verkehrskonzepten

Gemeinsam mit dem Naturschutzbund BUND setzte sie sich auch gegen die schließlich nicht verwirklichte Magnetschwebebahn-Verbindung von Berlin und Hamburg mit dem Transrapid ein.

Eine der langjährigen Forderungen war auch die Errichtung eines Grünzugs entlang der Schöneberger Bahntrassen. Errichtet wurde er schließlich nicht ganz den Vorstellungen der Initiative entsprechend unter anderem als Gleisdreieck-Park.

Weiterbau der A 100 und “TVO”: Es gibt weiterhin Konfliktthemen

Auch für die Übernahme der S-Bahn in West-Berlin durch die BVG und die 1985 erfolgte Wiedereröffnung der Wannseebahn als S1 setzte sich die Initiative vehement ein. Die Bürgergruppe will sich auch weiterhin in die Verkehrsplanungen des Berliner Senats einmischen und sieht noch immer großen Bedarf.

Große Themen stehen etwa beim geplanten Weiterbau der A 100 vom Treptower Park bis zur Storkower Straße oder dem Verkehrsprojekt “TVO” in der Köpenicker Wuhlheide an, bei dem durch den Bau einer Schnellstraße große Waldflächen gerodet werden sollen.

 

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Quellen: BUND, Wikipedia, Architektur Urbanistik Berlin, withberlinlove

 

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