Rund um die historische St. Hedwigs Kathedrale am Bebelplatz in Berlin-Mitte dominieren derzeit vor allem Baugerüste. Neben dem Umbau des katholischen Kirchengebäudes wird auch das Bernhard-Lichtenberg-Haus saniert und teilweise neu gebaut. Vor allem der umfassende Umbau des Innenraums der St. Hedwigs Kathedrale wird kontrovers diskutiert.
© Visualisierung St Hedwigs Kathedrale: Nightnurse Images, Zürich / Sichau & Walter Architekten
© Visualisierungen Bernhard-Lichtenberg-Haus: Max Dudler Architekten
© Foto St. Hedwigs Kathedrale: Wikimedia Commons
Text und Fotos Baustelle Französische Straße: Björn Leffler
Rund um die St. Hedwigs Kathedrale in Berlin-Mitte, direkt am historischen Bebelplatz, dominieren derzeit vor allem zahlreiche Bauzäune und Absperrungen. Grund sind zwei Bauvorhaben, die derzeit von der Katholischen Kirche umgesetzt werden.
Sowohl die Kathedrale wird im Innern neu gestaltet, auch das direkt benachbarte Bernhard-Lichtenberg-Haus wird saniert und teilweise neu gebaut. Wer derzeit von der Französischen Straße auf das Gebäudeensemble blickt, findet eine große Baulücke vor.
St. Hedwigs Kathedrale: Umstrittener Umbau des Innenraums läuft
Selten hat ein Kirchenbauprojekt in Berlin in den vergangenen Jahrzehnten so viel Wirbel verursacht wie der derzeitige Umbau der katholischen St. Hedwigs Kathedrale am Bebelplatz in Berlin-Mitte. Am ehesten wäre hier vielleicht noch die ebenfalls intensiv diskutierte, geplante Errichtung des “House of One” am Petriplatz zu nennen.
In Potsdam wird um die Wiedererrichtung der Garnisonkirche gleichermaßen unerbittlich gestritten, allerdings sind hier die Projektvorzeichen vollkommen andere, da es sich um einen kompletten Wiederaufbau eines nicht mehr vorhandenen Kirchengebäudes handelt.
Bedeutsamer Sakralbau: Die St. Hedwigs Kathedrale im Zentrum Berlins
Die St. Hedwigs Kathedrale jedoch, ebenso wie die Potsdamer Garnisonkirche im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, hat die Jahre der Zerstörung überlebt und wurde in den Jahrzehnten nach dem Krieg wieder aufgebaut.
Die St. Hedwigs Kathedrale ist die Bischofskirche des Erzbistums Berlin und die Pfarrkirche der Domgemeinde St. Hedwig. Sie wurde in den Jahren 1747–1887 nach Plänen von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff im Stil des Friderizianischen Rokoko als Teil des sogenannten “Forum Fridericianum” am Anfang des Boulevards Unter den Linden erbaut.
Hans Schwippert erfand den Innenraum der St. Hedwigs Kathedrale spektakulär neu
Nach schweren Bombentreffern brannte die Kirche im Zweiten Weltkrieg aus, wurde anschließend jedoch von 1952 bis 1963 nach Plänen des westdeutschen Architekten Hans Schwippert im Stil der Nachkriegsmoderne wiederhergestellt. Allein dieser Umstand war bemerkenswert, da sich die Kirche auf Ost-Berliner Gebiet befand.
Bemerkenswert war vor allem jedoch das, was der aus Remscheid stammende Architekt im Inneren des Gotteshauses schuf. Er errichtete einen Kirchenraum, der die Besucherinnen und Besucher herausforderte und bereits damals zu Diskussionen anregte. Grund dafür war die außergewöhnliche Raumaufteilung.
St. Hedwigs Kathedrale: OBER- UND UNTERKIRCHE WURDEN ZU EINEM RAUM
Schwippert durchbrach den Boden in der Mitte mit einer runden Öffnung, wodurch Ober- und Unterkirche fast zu einem Raum wurden. Wer die Kirche betrat, blickte durch die großzügige Öffnung gleichzeitig auch in die Krypta. Dort wurzelte der Altar als Stele, die durch beide Räume ragte, als verbindendes Element zwischen Unter- und Oberkirche.
Als Schwippert den Raum baute, Anfang der 1960er Jahre, diskutierten Katholiken in aller Welt über notwendige Liturgie-Reformen. Das Zweite Vatikanische Konzil beschloss 1963 dann auch Änderungen in der Liturgie, die im neuen Innenraum der St. Hedwigs Kathedrale quasi schon vorweggenommen waren: Das Gottesdienstgeschehen rückte näher an die Gemeinde heran, die sich um den Altar versammeln sollte. Schnell galt der neu konzipierte Innenraum der St. Hedwigs Kathedrale als einzigartig.
KRITIK AM INNENRAUM WURDE IN DEN VERGANGENEN JAHREN IMMER LAUTER
In der Gemeinde jedoch mehrten sich seit Beginn der 2000er Jahre die Stimmen, die sich mit der Architektur des Innenraums unzufrieden zeigten. Der Prediger würde über die Öffnung hinweg predigen, zudem sei die Akustik nicht optimal. Die Gemeindemitglieder würden sich gegenseitig ansehen, anstatt zum Pfarrer zu schauen. Die Öffnung im Boden wurde als “Teilung” der Gemeinde wahrgenommen und führte zu Platzproblemen.
Im November 2013 schrieb das Erzbistum Berlin dann einen Architektenwettbewerb zur Neugestaltung des Innenraumes und des baulichen Umfelds aus. Insgesamt 169 Wettbewerbsbeiträge wurden eingereicht. Am 30. Juni 2014 entschied sich das Preisgericht für einen Entwurf des Architekturbüros Sichau & Walter Architekten. Der Kirchenbau wurde dann ab 2018 für die Öffentlichkeit geschlossen.
DER NEUE ENTWURF SIEHT EINE SCHLIESSUNG DER ÖFFNUNG IM INNENRAUM VOR
Der Entwurf sieht eine Schließung der Öffnung zur Unterkirche vor, durch die eine „Normalzentralität“ erreicht werden solle, die den liturgischen Anforderungen und der Tradition des Gebäudes nach Ansicht der damals verantwortlichen Jury gleichermaßen gerecht werde.
Der Altar soll sich also zukünftig nach dem Entwurf von Sichau & Walter geometrisch in der Mitte des Kirchenraums befinden. Die Gemeinde feiert im Kreis um den Altar Gottesdienst, die Bänke sollen in konzentrischen kreisen angeordnet werden.
BEGINN DES UMBAUS ab ENDE MAI 2020 – TROTZ ZAHLREICHER PROTESTE
Der Umbau am Gebäude begann Ende Mai 2020. Gegen den siegreichen Entwurf wurden zahlreiche, kritische Einwände formuliert. Mehrere Urheberrechtsklagen von Künstlern oder deren Rechtsnachfolgern gegen das Erzbistum Berlin wurden erhoben, im Juli 2020 allerdings vom Landgericht Berlin abgewiesen.
Neben mehreren offenen Briefen von Architektengruppen und öffentlichkeitswirksamen Aktionen der „Initiative Freunde der Hedwigskathedrale“ gab es auf dem Bebelplatz sogar eine Demonstration gegen den Umbau des Innenraums. Letztlich ohne Erfolg. Im Oktober 2020 wurde der Hochaltar abgebrochen und mit dem Neubau des Innenraums begonnen.
Umbau der St. Hedwigs Kathedrale soll 2023 abgeschlossen werden
Nach Angaben der St. Hedwigs Gemeinde soll der Umbau in diesem Jahr abgeschlossen werden. Zum 250. Jahrestag der Kirchweihe am 1. November 2023 soll um den neuen Altar wieder Gottesdienst gefeiert werden.
Deutlich weniger kontrovers wird ein direkt benachbartes Bauprojekt diskutiert, welches zwischen St. Hedwigs Kathedrale und Französischer Straße entsteht. Dort entsteht in den kommenden Jahren ein Neubau, der zukünftig vom katholischen Erzbistum genutzt werden soll.
Das Gebäude trägt den Namen Bernhard-Lichtenberg-Haus und erinnert damit an den Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg, der während der nationalsozialistischen Diktatur öffentlich für die Verfolgten eintrat. Er wird in der römisch-katholischen Kirche als Märtyrer und Seliger verehrt und wird in der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem zu den “Gerechten unter den Völkern” gezählt.
Bernhard-Lichtenberg-Haus: SANIERUNG EINES ALTBAUS UND BAU EINES NEUEN GEBÄUDES
Bei dem Projekt handelt es sich um die Sanierung eines bereits bestehenden Baus und den Neubau eines direkt angrenzenden Gebäudes. Das bisherige Bernhard-Lichtenberg-Haus setzte sich nämlich aus zwei Gebäuden zusammen: Einerseits aus dem denkmalgeschützten, neoklassizistischen Altbau von 1914, der im Inneren nur behutsam umgestaltet werden soll, und einem im rechten Winkel westlich anschließenden Trakt aus den 1970er-Jahren, der an der Hedwigskirchengasse zwischen der Französischen Straße und dem Bebelplatz lag und mittlerweile abgerissen wurde.
Das Gebäude aus den 1970er Jahren soll nun durch einen modernen Neubau ersetzt werden, der nach den Plänen des Architekturbüros Max Dudler entstehen wird. Das Büro hatte sich in einem europaweiten Wettbewerb im Januar 2020 mit seinem Entwurf durchgesetzt.
ÖFFENTLICHES CAFÉ, BUCHHANDLUNG, WOHNUNGEN UND SEMINARRÄUME ENTSTEHEN
Künftig soll das Bernhard-Lichtenberg-Haus wieder Wohnsitz des Erzbischofs werden. Zudem soll es als Forum genutzt werden, in dem sich Menschen begegnen und austauschen können. So soll gerade im touristisch geprägten Bezirk Mitte ein Ort jenseits der Menschenströme entstehen, der zum Austausch und Verweilen einladen soll.
Dafür soll im Erdgeschoss ein öffentliches Café, ein Schau- und Hörraum sowie eine kleine Buchhandlung einziehen. Im ersten Stock ist ein großer Vortragssaal geplant, eine Etage höher ein kleiner Saal und mehrere Seminarräume. In den beiden Obergeschossen darüber sind Wohnungen vorgesehen, unter anderem eben jene für den Erzbischof.
Architektonisch orientiert sich der von Max Dudler geplante Neubau am Altbau von 1914 und soll mit einer schlichten Sandsteinfassade verkleidet werden. Dudlers Neubau rückt vom Altbau leicht ab und wird die beiden Gebäude zukünftig mit einem schmalen Verbindungstrakt verbinden, der auf Straßenniveau als Durchgang ausgebildet werden soll.
60 MILLIONEN EURO KOSTEN, FERTIGSTELLUNG BIS 2024
Damit soll eine Öffnung zur Französischen Straße geschaffen werden, die dann auch der Kathedrale neue Präsenz verleihen soll. Ein zurückgezogener Platz zwischen der Kirche und dem winkelförmigen Baukomplex soll künftig als Außenraum für das Café dienen.
Die Fertigstellung des Projekts soll bis Juni 2024 erfolgen, zeitgleich mit der geplanten Wiedereröffnung der St. Hedwigs Kathedrale. In die Sanierung des Altbaus und den Bau des neuen Gebäudes werden insgesamt rund 60 Millionen Euro investiert.
Weitere Bilder zu beiden Projekten findet Ihr hier:
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Quellen: Sichau & Walter Architekten, Max Dudler Architekten, Architektur Urbanistik Berlin, Wikipedia
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