Unter dem Motto „So viel Schinkel wie möglich, so wenig Schinkel wie nötig“ hatte die TU Berlin, der Architekten -und Ingenieurverein zu Berlin-Brandenburg und die Baukammer Berlin zu einem Symposium in die Bertelsmann Repräsentanz Unter den Linden geladen. Befürworter und Gegner eines historischen Wiederaufbaus kamen dabei zu Wort.

Die Zukunft ist offen: In welcher Gestalt wird die historische Bauakademie des Baumeisters Karl Friedrich Schinkel im Zentrum Berlins wiedererrichtet? / © Foto: Florian Schuh für Bundesstiftung Bauakademie

© Visualisierung Titelbild: Wikimedia Commons 
Text: Wolfgang Leffler

 

Unter dem Motto „So viel Schinkel wie möglich, so wenig Schinkel wie nötig“ hatte die TU Berlin, der Architekten -und Ingenieurverein zu Berlin-Brandenburg und die Baukammer Berlin zu einem Symposium in die Bertelsmann Repräsentanz Unter den Linden geladen.

Die Veranstaltung fand großen Anklang und hatte sich die Aufgabe gestellt, die bisherigen Diskussionen und Diskrepanzen um die Neugestaltung der Schinkelschen Bauakademie in Berlins Mitte zu kanalisieren.

62 Millionen Euro hat der Bundestag für den Wiederaufbau zur Verfügung gestellt

Denn immerhin wird seit gut 32 Jahren um die Wiedererrichtung der Bauakademie am historischen Platz vis-a-vis des neu erbauten Humboldt-Forums gerungen.

Hans-Dieter-Nägelke, Leiter des Architekturmuseums der TU Berlin, der sich auch schon fast genauso lang mit dieser Thematik beschäftigt, referierte prägnant über das Für und Wider, diverse Anträge, taktische Spielereien und letztendlich mit der Aussicht auf eine “neue DNA” bei der Wiedererrichtung der Bauakademie.

Nicht unerwähnt bleiben dürfen dabei die vom Deutschen Parlament bereits 2016 in Aussicht gestellten 62 Mio. Euro zum Wiederaufbau der Bauakademie. Sieben Jahre später stellt sich nun aber noch immer die Frage, wie konkret das Gebäude aussehen und wie es inhaltlich angelegt sein soll.

Befürworter und Gegner eines historischen Wiederaufbaus im diskurs

Darüber gehen inzwischen die Meinungen auseinander, denn es gibt Befürworter und Gegner eines Wiederaufbaus der Schinkelschen Bauakademie nach historischem Vorbild.

Die Bundesstiftung Bauakademie steht nun vor der Aufgabe, ein Gebäude gleichen Namens zu errichten, in dem alles nur Erdenkliche hineingegepackt werden soll, was die Zukunft des Bauens ausmachen soll.

Bund deutscher Architekten fordert einen ergebnisoffenen Wettbewerb

Jutta Dahlmann, Architektin und Vorsitzende des BDA Berlin, sprach daher vom Zusammenhang von Form und Inhalt und forderte einen “ergebnisoffenen Wettbewerb“, der spätestens im Frühjahr 2023 ausgelobt werden sollte.

Gleichzeitig verwies Sie auf das aus ihrer Sicht gescheiterte Projekt Humboldt Forum und hinterfragte das am Freitagabend stattfindende Symposium hinsichtlich der Gestaltungshoheit des Berliner Senats zum Projekt Bauakademie. Abschließend bemängelte sie, dass bei den Rekonstruktionsbefürwortern eine solche Angst vor der “Weiterentwicklung Schinkels” bestehe.

Berliner Bauakademie: ein Offener Brief an die Bundesbauministerin

Im Verlauf der fast viereinhalb Stunden dauernden Veranstaltung sprach der Moderator des Abends, Rudolf Spindler, den Leiter des Bereichs Natural Building Lab der TU Berlin, Professorg Eike Roswag-Klinge, auf den offenen Brief des Thinktank Bauakademie an die Bundesbauministerin, Klara Geywitz, an, den Roswag-Klinge selbst mitunterzeichnet hat.

In diesem Offenen Brief, den über 30 Institutionen und Wissenschaftler verfasst und unterschrieben haben, wird die Empfehlung für einen zukunftsweisenden Neubau mit einer “Vorbildfunktion für Bauen in planetarischen Grenzen, also Klima- und Ressourcenangepasstes Bauen” ausgesprochen, gepaart mit der Frage, ob denn der “Nachbau einer 190 Jahre alten Fassade im Jahr 2023 der richtige Impuls sein kann“.

Bausektor ist derzeit größter Umweltverschmutzer

In seinem Vortrag, der sich mit der Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit im Bausektor beschäftigte, führte Roswag-Klinge dem Auditorium deutlich vor Augen, dass der Bausektor in Deutschland rund 40 Prozent CO²-Ausstoß verursache, 52 Prozent aller Abfälle produziere und etwa 90 Prozent der mineralischen, nicht nachwachsenden Rohstoffe verbrauche.

Die Konsequenz daraus sei seiner Ansicht nach, den “Ressourcenverbrauch um den Faktor zehn zu vermindern“, was bedeute, dass eigentlich nichts mehr abgerissen und kein Neubau mehr hochgezogen werden dürfe, denn “wir haben ein Überangebot an Gebäudefläche.

Die Verwendung gebrauchter Ziegelsteine wäre eine CO²-schonende Bauvariante

Selbst zersägtes Bauholz, welches momentan zu 95 Prozent der “thermischen Verwertung zugeführt wird (Verbrennung)“, könnte für weitere Jahrzehnte als Baustoff genutzt werden.

Die Schinkelsche Fassadengestaltung, sprich ein Mauerwerk aus gebrauchten Ziegelsteinen würde immerhin eine neuerliche CO²-belastung ausschließen. Ein Wiederaufbau nach Schinkels Muster wäre demnach also nicht auszuschließen und durchaus machbar.

Ein “Fiktiver Schinkel im 21. Jahrhundert”?

Wolfgang Sonne von der TU Dortmund stellte die kulturelle und ästhetische Seite des Gebäudes in den Vordergrund und unterstrich die bereits von Fritz Neumeyer, ehemaliger Lehrstuhlinhaber für Architekturtheorie an der TU Berlin, dazu getroffenen Schlussfolgerungen, dass Schinkel das “Neue befürwortete” im Sinne der Weiterführung des Historischen. Warum also nicht ein “Musterbau der Moderne“?

Schinkel hatte übrigens an der Fassade der 1836 fertig gestellten Bauakademie ein Terrakotta-Relief anbringen lassen, das den Schülern der Bauakademie die Baukunst der Griechen anschaulich vor Augen führte.

Peter Stephan von der TU Potsdam sprach von einem “fiktiven Schinkel im 21. Jahrhundert” und stellte den Unterschied zwischen “revolutionärer” und “evolutionärer” Moderne in den Mittelpunkt seiner Darlegungen.

Bislang gibt es noch kein konkretes Datum für einen Gestaltungswettbewerb

Da die Bundesstiftung Bauakademie noch kein konkretes Datum zum Realisierungswettbewerb nennen kann sowie zur inhaltlichen Ausgestaltung noch keine Aussagen getroffen hat und sich die momentan miteinander diskutierenden Gremien noch in der „Pro-und-Kontra-Phase” aufhalten, ist zu vermuten, dass letztendlich wohl die Politik die Entscheidung zur Ausgestaltung des Bauvorhabens Bauakademie treffen wird, was wiederum ein kritisches Licht auf die Entscheidungsunfähigkeit der derzeit handelnden Institutionen wirft.

Auch Berlins Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt war an diesem Abend anwesend und folgte den kontroversen Diskussionen, ohne jedoch einen eigenen Redeanteil zu haben. Es ist jedoch durchaus zu erwarten, dass sie dieses viel beachtete Projekt maßgeblich beeinflussen wird, soweit es ihr möglich ist.

 

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Quellen: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN, Wikipedia, Teilnahme Symposium zum Wiederaufbau der Bauakademie

 

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One Comment

  1. Sebastian 15. Februar 2023 at 16:31 - Reply

    Die Debatte um die Bauakademie ist inzwischen so verkopft, dass sie an den Wünschen und der Lebensrealität der Stadtbevölkerung vorbeigeht. Das Ergebnis, wenn es denn jemals eines wird, wird wohl weder eine Bauakademie sein, noch irgendetwas mit Schinkel zu tun haben. Zeit sich ehrlich zu machen und die Stiftung umzubenennen. Wenn an dieser Stelle erstmal der nächste generische Profanbau a la Europacity steht, wird sich eh bald niemand mehr daran erinnern, dass es einmal eine Schinkelsche Bauakademie gab.

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