Im Januar berichteten wir über den geplanten Bau eines Familien- und Bildungszentrums am Ostbahnhof in Friedrichshain. Das Gebäude, welches in Holzbauweise entstehen wird, wurde vom Stuttgarter Architekturbüro Wulf entworfen. Wir hatten die Gelegenheit, mit Professor Tobias Wulf in einem Interview zu diesem Projekt und zum Thema Holzbau zu sprechen.
© wulf architekten, Visualisierungen Aron Lorincz Ateliers
© Foto Prof. Tobias Wulf: Gnaudschun
Nördlich der Müncheberger Straße, direkt hinter dem einstigen Kaufhof-Gebäude am Ostbahnhof in Berlin-Friedrichshain, soll ein integriertes Haus für Familie und Bildung in Form eines ökologischen Modellprojekts entstehen. Mit dem Bau soll im kommenden Jahr begonnen werden. Bei einem vorausgegangenen Wettbewerb hatte die Jury das Büro Wulf Architekten aus Stuttgart zum Sieger gekürt.
Das zweigeschossige Gebäude mit einer Nutzfläche von 857 Quadratmetern wird insgesamt 30 Räume beherbergen. Hier sollen unter anderem Flächen für Seminare, Yoga-Angebote, für Volkshochschule sowie Erziehungs- und Familienberatung bereit stehen. Auch ein Familiencafé ist geplant.
Wir konnten mit Architekt Prof. Tobias Wulf, Geschäftsführer des Büros und Professor an der Professor an der HfT Stuttgart, zu diesem Projekt etwas ausführlicher sprechen.
ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN: Sehr geehrter Herr Prof. Wulf, vielen Dank erst einmal, dass Sie uns Ihre Zeit für ein kurzes Interview widmen. Zu Beginn würden wir gern wissen, auf welche Projekte sich Ihr Büro grundsätzlich fokussiert und welche Schwerpunkte Sie in Ihrer Arbeit setzen.
Antwort Prof. Tobias Wulf: Wir bearbeiten schwerpunktmäßig Projekte, die von öffentlichem Interesse sind in den Bereichen Kultur, Bildung und Forschung, sowie Gewerbe und Soziales. Ein Großteil der Projektaufträge erfolgt über Wettbewerbserfolge. Dabei geht es uns in erster Linie darum, einen Beitrag zur Baukultur zu leisten. Wir versuchen, einfache Lösungen für komplexe Aufgaben zu finden und kommen dabei immer wieder zu neuen und überraschenden Ergebnissen.
Was hat Sie am Projekt des Familien- und Bildungszentrums am Berliner Ostbahnhof gereizt?
Das Familien- und Bildungszentrum ist in dieser Kombination eine neuartige Bauaufgabe, für die es keine typologisch vorgedachten Konzepte gibt. Es ist ein kleines Projekt in einer großmaßstäblichen Umgebung. Die Herausforderung bestand in erster Linie darin, die unterschiedlichen Nutzungen in einem für jedermann verständlichen Baukörper, einem Archetypus, zu vereinen, der bei näherem Hinsehen aber keineswegs konventionell ist.
“Das relativ kleine Baugrundstück ist mit vielen großen Bäumen bestanden, von denen wir möglichst viele erhalten wollen.”
Welchen konzeptionellen Ansatz haben Sie beim Entwurf des Gebäudes gewählt? Was war Ihnen dabei besonders wichtig?
Die Konzeption ist von Nachhaltigkeit und Flexibilität geprägt. Ein regelmäßig strukturierter, zweigeschossiger Holzbau gibt ein Rahmengerüst für die Nutzungen vor, die sich innerhalb dieser Struktur zukünftig auch verändern können. Das Haus öffnet sich großzügig zum umgebenden Grünraum. Von allen Räumen kann man direkt ins Freie gelangen. Der Laubengang im Obergeschoss ersetzt teure, innere Brandschutzwände. Das Dach und die Fassaden sind konsequent begrünt und schaffen ein angenehmes Mikroklima.
Ein Modell des zweigeschossigen Holzbaus, wie es bis 2025 entstehen soll. / © wulf architekten
Wo lagen die größten Herausforderungen bei diesem Projekt?
Das relativ kleine Baugrundstück ist mit vielen großen Bäumen bestanden, von denen wir möglichst viele erhalten wollen. Trotz des Neubaus soll sich der parkartige Charakter des Areals nicht verändern. Im Inneren soll das integrativ wirken, also räumlich nicht zu sehr in die einzelnen Nutzbereiche getrennt sein, ohne deren individuelle Nutzbarkeit einzuschränken. Das Ganze ist mehr als die Summe der Teile.
Zum Schluss noch ein kleiner Ausblick: Gibt es weitere Projekte in Berlin, an denen Sie derzeit arbeiten oder um die Sie sich bewerben? Welches Thema würde Sie dabei besonders reizen?
In Berlin arbeiten wir gegenwärtig unter anderem an einem innovativen Laborgebäude für die Freie Universität Berlin auf dem Campus Düppel, für das wir vor drei Jahren den Wettbewerb gewonnen hatten. Außerdem haben wir an vielen, interessanten Wettbewerben in Berlin teilgenommen, wie zum Beispiel für die Komische Oper, diverse Bundesämter und Ministerien, das Museum M20, die Zentral- und Landesbibliothek und viele mehr. Gegenwärtig beteiligen wir uns auch an einigen Wettbewerben der Berliner Schulbauoffensive.
Sehr geehrter Herr Professor Wulf, wir danken Ihnen für das Gespräch!
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