In Berlin-Spandau soll in den historischen “Smuts Barracks”, einst von den britischen Alliierten genutzt, ein neuer Schulstandort realisiert werden. Aufgrund der hohen Anforderungen durch den Denkmalschutz und der notwendigen Erschließung des Geländes soll das Projekt rund 170 Millionen Euro kosten.

In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gelände auch als Festungs- und Kriegsverbrechergefängnis genutzt. / © Foto: Wikimedia Commons

© Fotos: Wikimedia Commons
Text: Björn Leffler

 

Was in Spandau in den kommenden Jahren realisiert werden soll, war auch im Bezirk Pankow für einige Zeit im Gespräch: die Unterbringung eines neuen Schulstandortes in einer historischen und denkmalgeschützten Anlage. Während es in Spandau ein altes Kasernengelände sein soll, war in Spandau der ehemalige Rundlokschuppen für ein solches Vorhaben favorisiert worden.

Da sich am Rande des Areals für das Bauvorhaben “Pankower Tor” auch der historische Pankower Rundlokschuppen befindet, über dessen Abriss viele Jahre spekuliert worden war, der nun aber erhalten und rekonstruiert werden soll, wollten die Stadtplaner zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und untersuchten eine mögliche Integration des Schulbaus in die altehrwürdigen Gebäude oder deren direktes Umfeld.

Pankow: Schule im historischen Rundlokschuppen kommt nicht

Ein schöner Gedanke, die bemerkenswerten, ehemaligen Bahnanlagen in eine sinnvolle Nutzung zu überführen. Doch leider lassen sich diese Planspiele nicht realisieren. Benötigt wird ein neues Gymnasium mit rund 800 Schulplätzen.

Bezirksstadträtin Rona Tietje (SPD) äußerte sich dazu im April 2023 gegenüber der Berliner Morgenpost und betonte, dass bei einer solchen Lösung hohe Kosten und eine enorm lange Bauzeit auf den Bezirk zukommen würden.

Lärmbelästigungen und Umweltschutz haben das Projekt erschwert

Es geht um einen dreistelligen Millionenbetrag und 20 Jahre für die Realisierung,” erklärte Tietje das Ergebnis einer Studie, die sich mit dem Thema eingehend befasst hat. Demnach sei bei einer solchen Umsetzung ein ganzer “Strauß von Problemen” zu erwarten.

So stellen nicht nur Lärmbelästigungen durch nahegelegene Bahn- und Autobahntrassen ein Problem dar, auch auf dem Gelände lebende Zauneidechsen müssten umgesiedelt werden. Zudem müssten mit Schadstoffen verseuchte Böden abgebaggert werden.

Spandau: Neue Schule soll in historische “Smuts Barracks” einziehen

Obwohl auch in Spandau mit einem dreistelligen Millionenbetrag kalkuliert wird, scheinen die Hürden für das Vorhaben in der Wilhelmstadt nicht so hoch zu sein, denn der Bezirk möchte das ambitionierte Vorhaben umsetzen.

Was konkret ist geplant? Der Bedarf an neuen Schulen im wachsenden Bezirk Spandau ist enorm hoch. Die Stadtplaner erwarten einen Höchststand der Schülerzahlen für das Ende der 2020er Jahre. Derzeit sind im Bezirk insgesamt sechs Projekte in Planung oder bereits im Bau.

Mehr Schüler: Neue Schulen in Spandau werden dringend benötigt

Nachdem ein neuer Schulstandort an der Goltzstraße kürzlich eröffnet hat, sind weitere Standorte in Staaken, auf der Insel Gartenfeld, auf dem Campus Siemensstadt Square, am Fehrbelliner Tor sowie in der Wasserstadt Haselhorst geplant.

Am BVG-Hof im Spandauer Ortsteil Wilhelmstadt soll ein weiteres Projekt realisiert werden, welches sich durch seinen Grundcharakter stark von den übrigen Projekten unterscheidet. Auf dem seit rund zwei Jahrzehnten ungenutzten Areal soll eine neue Gemeinschaftsschule mit Sporthalle eingerichtet werden.

Wilhelmstadt: Bis 1993 wurde das Gelände von den Briten genutzt

Bis in die 1990er Jahre hinein befanden sich auf dem Gelände britische Panzer und Munitionsdepots. Der Bau der heute auf dem Gelände befindlichen Gebäude geht zurück auf das Ende des 19. Jahrhunderts, als in Spandau zahlreiche Kasernen und Wehrmanufakturen errichtet wurden.

Die Wilhelmstadt war zu diesem Zeitpunkt noch dünn besiedelt, so dass der vorhandene Platz für die Errichtung raumgreifender Gebäude genutzt wurde. Ein Teil des Kasernenareals wurde nach dem Zweiten Weltkrieg ab 1948 von den britischen Streitkräften besetzt und nach Feldmarschall Jan Christiaan Smuts “Smuts Barracks” benannt.

Im angrenzenden Garnisonsgefängnis wurden bis 1987 Nazi-Verbrecher inhaftiert

Die “Smuts Barracks” lagen direkt neben dem Garnisonsgefängnis, welches die Alliierten in ein Kriegsverbrechergefängnis umwandelten. Dort waren die vom Internationalen Militärgerichtshof im Nürnberger Prozess verurteilten Verbrecher des Nationalsozialismus inhaftiert. Nach dem Tod des letzten Insassen Rudolf Hess wurde das Gebäude im Jahr 1987 abgerissen.

Einige Jahre nach der Stationierung der britischen Streitkräfte wurden zahlreiche historische Gebäude der Kaserne abgebrochen und durch Neubauten ersetzt. Als letztes wurden 1985 die längs der Wilhelmstraße gelegenen Mannschaftshäuser beseitigt. Der Komplex bildete ehemals eine architektonisch geschlossene Anlage mit reich gestalteter Bauverzierung.

Heute sind nur noch Teile des historischen Geländes erhalten

Erhalten und unter Denkmalschutz stehen heute die ehemalige Wache, das von den Briten als “Education Center” bezeichnete ehemalige Offiziers- und Verwaltungshaus an der Wilhelmstraße, die ehemalige Kantine, die von den Briten als Garagen benutzten ehemaligen Stallungen und die im ehemaligen Wohnhaus des Kommandanten untergebrachte “Officers Mess”.

In diesen historischen Baubestand soll nach Wünschen des Bezirks Spandau ein neuer Schulstandort einziehen. Bevor jedoch tatsächlich mit dem Umbau des Geländes begonnen werden kann, sind noch einige Hürden zu nehmen.

Das Gelände muss zuerst vom Bund gekauft und erschlossen werden

So muss das riesige Gelände mit dem Munitionsdepot erst mal vom Bund gekauft und erschlossen werden, denn das Land Berlin ist heute nicht Grundstückseigentümer. Doch der Bedarf an zusätzlichen Schulkapazitäten im Bezirk Spandau ist offenbar so hoch, dass das aufwendige Projekt trotz der ungewöhnlichen Voraussetzungen angegangen werden soll.

Schulstadträtin Carola Brückner (SPD) äußerte sich gegenüber dem Tagesspiegel wie folgt: “Wir haben 2027/2028 einen Peak bei den Schülerzahlen, also einen Höhepunkt. Überall fehlen Plätze, überall sind bestehende Schulen jetzt bereits ausgelastet. (…) Die Wohnungsbauzahlen steigen und die Zahl der Flüchtlinge steigt auch. Deshalb werden wir das Land überzeugen, dass wir diesen Schulstandort dringend benötigen.

Auch ein Förderzentrum für geistige Entwicklung soll entstehen

Auch ein Förderzentrum mit dem Schwerpunkt „Geistige Entwicklung“ soll auf dem Gelände untergebracht werden. Der Berliner Senat muss die Pläne des Bezirks also unterstützen, sonst kann der Schulstandort in den “Smuts Barracks” nicht realisiert werden.

Grundsätzlich werden die Projektplaner einen langen Atem für das Vorhaben benötigen. Brückner rechnet mit einer Projektentwicklungszeit von mindestens sieben Jahren, Stand heute. Die Idee, das historische Gelände für einen Schulstandort zu nutzen, ist aber nicht neu. Bereits Brückners Vorgänger im Amt, Ex-Schulstadtrat Frank Bewig (CDU) hatte schon vor Jahren auf die Unterversorgung der Spandauer Wilhelmstadt hingewiesen.

“The Foundry”: Vergleichbares Projekt am Spandauer Havelufer

Ein ebenfalls seit Jahren leer stehendes, ehemals militärisch genutztes Gebäude am Spandauer Havelufer soll in den kommenden Jahren modernisiert werden. Vor mehr als 100 Jahren floss dort glühend heißer Stahl in Formen für Kanonenrohre, in der einstigen Geschützgießerei. Heute ist das Baudenkmal längst unter Denkmalschutz gestellt.

Bis zum ersten Weltkrieg wurde das Areal immer wieder umgebaut und erweitert, es entstand ein riesiges Gelände mit verschiedenen Rüstungsbetrieben. Aus der Zeit des Ersten Weltkrieges stammt auch das zweite, noch stehende Gebäude: eine riesige Werkhalle. Später spielte das Areal eine wichtige Rolle als Getreidelager für die Berliner Senatsreserven, mit dem Fall der Mauer ging jedoch auch diese Funktion verloren.

Die einstige Gießerei soll umgebaut und modernisiert werden

Dabei ist der Standort am Havelufer, unweit der beliebten Spandauer Altstadt, ausgesprochen attraktiv. Nun will das Kölner Immobilienunternehmen Bauwens, welches in Berlin auch das Büroprojekt “AERA” auf der Charlottenburger Mierendorffinsel entwickelt, den Dornröschenschlaf des Industriebauwerks beenden.

Bereits vor rund vier Jahren hatte das Unternehmen die 1871 und 1914 gebauten Fabrikhallen am Obermeierweg 18 gekauft, um diese für eine gewerbliche Nutzung zu revitalisieren, natürlich unter Berücksichtigung der vom Landesdenkmalamt aufgestellten Rahmenbedingungen.

Die historischen Gebäude sollen wieder aktiviert und der Standort in Teilen für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Das Projekt hat den wohlklingenden Namen “The Foundry” bekommen, was übersetzt aber auch einfach nur “Gießerei” bedeutet.

 

Weitere Bilder zum Projekt findet Ihr hier: 

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Quellen: Der Tagesspiegel, Wikipedia, berlin.de, Architektur Urbanistik Berlin, Landesdenkmalamt Berlin

 

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