entwicklungsstadt berlin

Jede Zeit baut ihre Stadt.

story

Berlin ist nicht nur Schauplatz großer Bauprojekte und historischer Wendepunkte, sondern auch die Heimat vieler kleiner Geschichten, Biografien und Persönlichkeiten. In unserer Rubrik “STORY” bieten wir Autorinnen und Autoren Raum für kleine und große Berlin-Geschichten – mal fiktiv, mal real. Immer jedoch mit einem ganz zentralen Thema: Was macht diese ungreifbare Stadt Berlin mit den Menschen, die in ihr leben? Und was machen die Menschen mit dieser Stadt? Viel spaß beim Lesen.

Briefe aus T.
Teil 7 – Zittern

Hallo Robert.
Du hattest mal geschrieben, dass es sehr schwer ist, im Auto Briefe zu schreiben. Du hattest recht. Trotzdem weiß ich im Augenblick nicht, was ich ansonsten tun sollte, um dieses Zittern in mir zu unterdrücken. Ich quäl mich jetzt durch diese Zeilen, es ist das Beste, was ich im Augenblick tun kann. Ich werde sie gleich noch bei Dir einwerfen. Ich war vorhin auf dem Friedhof, auf dem christlichen, und hab ein paar Blumen für einen gewissen Friedrich Meirich niedergelegt. Wer das ist – ich würde Dir das gern einmal in Ruhe erzählen.

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Briefe aus T.
Teil 6 – Hermann

Meine liebe Hanna.
Es ist lange her, dass ich mich hingesetzt habe, um der kleinen Hanna einen Brief zu schreiben. Wenn ich mich recht entsinne, warst Du 12 oder 13 Jahre alt und gerade auf Deiner ersten Klassenfahrt in Burg. Das ist sehr lange her, und aus der kleinen Hanna ist eine stattliche, selbstbewusste junge Frau geworden, die genau weiß was sie will und weiß was sie tut. Das war zumindest der Eindruck, den ich stets hatte. Aber ich habe gemerkt, dass Du irgendwann im Verlauf des letzten Jahres diese Sicherheit und Zielstrebigkeit verloren hast. Und das ist etwas, was nie hätte passieren sollen. Seit Du nach Berlin gezogen bist, hatte ich nicht oft die Gelegenheit, Dich zu sehen oder einmal in Ruhe mit Dir zu sprechen. Ich habe das Gefühl, dass Du mir aus dem Weg gehst, und ich habe das Gefühl, dass ich nicht unschuldig daran bin.

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Briefe aus T.
Teil 5 – Weissensee

Hey Hanna. Ich hab gar nicht viel Zeit, ich muss gleich los, ich wollte trotzdem kurz ein paar Zeilen schreiben. Als ich heute Morgen Deine Mail gelesen habe, war ich wirklich elektrisiert. Mir hatte der Abend bei Dir schon allein gereicht, um bis in die Nacht wach zu liegen, ich weiß gar nicht mehr, wann ich dann eingeschlafen bin. Aber dass Du danach noch Sherlock Holmes spielst… eigentlich hattest Du doch gesagt, dass Du die Sache lieber ruhen lassen willst. Dieser Brief, den Du gefunden hast – Du solltest wirklich ganz vorsichtig damit umgehen. Du weißt ja nicht, von wem der Brief ist.

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BRIEFE AUS T.
Teil 4 – Im Schnee

Hallo Robert.
Eigentlich gibt es nichts, was ich Dir nicht schon vorhin in aller Ausführlichkeit gesagt hätte. Aber ich muss Dir jetzt trotzdem sofort schreiben, Du bist der einzige, dem ich es im Augenblick sagen kann. Du hattest mich doch vorhin gefragt, warum sich meine Großeltern nie an eine der jüdischen Institutionen gewandt haben, um ihr Grundstück zurückzufordern. Als Du weg warst, saß ich noch ein bisschen mit meiner Mutter in der Küche. Sie hat mich ziemlich misstrauisch angesehen, weil wir in letzter Zeit so viel miteinander machen. Ihre Augen haben mich wirklich fast durchbohrt. Ich hab ihr versichert, dass das alles rein freundschaftlich ist. Ich weiß nicht, ob sie mir das wirklich geglaubt hat. Man kann ihr kaum was vormachen.

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BRIEFE AUS T.
Teil 3 – JÜDISCH

Hi Hanna,
Du wunderst Dich wahrscheinlich, warum ich Dir jetzt nochmal maile, Du bist grad’ mal eine Stunde weg. Ich fand es übrigens sehr schön heute, aber ich glaube, das brauche ich Dir nicht nochmal schriftlich zu geben. Wir hatten auch echt Glück mit dem Wetter und ich fand’s auch sehr angenehm, den Marktplatz so leer und nebelig zu erleben, das hatte echt was ganz eigenes. Ich wollte aber eigentlich die ganze Zeit was ganz anderes ansprechen, aber so richtig weiß ich nicht, wie ich’s anstellen soll. Und persönlich hab’ ich mich nicht getraut. Ich versuch’s jetzt einfach schriftlich, und wenn Du findest, dass ich feige bin, dann antworte einfach nicht drauf und erwähn’ es einfach nicht mehr.

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BRIEFE AUS T.
Teil 2 – Hildegard

Hallo Robert.
Ein richtiger, echter Brief, wow. Ich glaube, ich habe den letzten Brief vor über einem Jahr oder so bekommen, von meiner Schwester zum Geburtstag. Das ist richtig was Besonderes geworden, finde ich.
So richtig gefreut habe ich mich eigentlich nicht, als ihn mir meine Mutter ins Zimmer gereicht hat. Wenn Du mich direkt angesprochen hättest, hätte ich ganz sicher mit Dir gesprochen. Als ich Dich gestern an der Tankstelle gesehen habe, hast Du wirklich angestrengt versucht, überall hinzusehen, nur nicht zu mir.
Aber gut, dann ein Antwortbrief. Warum nicht.

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Briefe aus  T.
Teil 1 – Schweigen

Eigentlich war mir klar, dass Du nicht kommen würdest. Aber ich bin trotzdem hingefahren. Es hat schon auf der Fahrt dorthin ein bisschen geregnet, so wie am Freitag. Na ja nicht ganz so stark wie am Freitag, aber es erinnerte mich daran, wie wir das Prasseln des Regens auf die Autoscheibe schweigend von drinnen beobachtet haben. Ich weiß, dass Du nicht gern schweigst, aber ich habe diesen Moment sehr genossen. Du warst vermutlich froh, als es dann langsam aufgehört hat, zu regnen, aber ich finde Du bist eigentlich eine sehr angenehme Schweigerin. Das hat Dir vermutlich nur noch niemand gesagt.

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Eine Geschichte vom Mehringplatz
Teil 1 – Der Buchladen

Es ist ein toller Buchladen. Nicht sofort zu erkennen, wenn man den zweiten Hof betritt. Flankiert wird er von einem dezenten Café, nicht ganz so touristenumsäumt wie die Cafés im ersten Hof. Ich sitze da gerne. Oft komme ich mir dann vor, als wäre ich in eine alte schwarz-weiß Fotographie gefallen, was wohl an der elegant farblosen Gestaltung im zweiten der neun Hackeschen Höfe liegt. Selbst die Bücher im Schaufenster des kleinen Buchladens sind zumeist mit schwarz-weißen Titeln versehen.”

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Eine Geschichte vom Mehringplatz
Teil 2 – Die Bank

War es hier, Peter? War es an dieser Stelle? War es diese Bank? Nein, ganz sicher nicht. Obwohl sie ihr ein klassisches Aussehen gegeben haben. Und dutzendfach überstrichen scheinen die Holzlatten und Metallstreben auch zu sein. Aber es ist nicht diese Bank. Nicht unsere Bank, auf der wir immer gelegen hatten. Oft skizziertest Du. Den Platz. Seine strenge Geometrie. Am Brunnen sitzende Menschen. Streunende Hunde. Den Engel. Weißt du, ich weiß gar nicht warum, aber heute sitzen die Menschen kaum mehr an dem Brunnen. Liegt es vielleicht daran, dass er immer trocken ist? Sitzen Menschen nicht gerne an trockenen Brunnen?

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Eine Geschichte vom Mehringplatz
Teil 3 – das Haus

Dieser seichte Wind, das leichte, hintergründige Rauschen der Bäume, in sattes grün getaucht. Das wird sich nie ändern, immerhin. Es kommt immer wieder. Eine der wenigen Konstanten, die einem bleiben. Oder, würdest du mir jetzt auch wieder widersprechen? Nicht, dass du denkst, mir wäre diese Zeit zu schnelllebig. Die Gesellschaft zu brutal oder die Zukunft zu unsicher. Nein, zu dieser Fraktion gehöre ich nicht. Dieses Gerede, weißt du, ich kann es kaum mit anhören. Bernhard fing letztens davon an, bei der Skatrunde. Kennst du ihn noch? Sicher kennst du ihn
noch.

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Eine Geschichte vom Mehringplatz
Teil 4 – der Kiosk

Du musst es flüstern, Peter. Flüstern.
Berlin. Berlin. Immer wieder leise: Berlin.

Weißt du noch, als es nichts mehr war? Nicht mehr als ein Flüstern? Nicht mehr als ein verschwommener Schatten seiner selbst, ein zerbrochener, schwach pulsierender Krug, der einst golden geglänzt hatte. Ich erkannte es kaum wieder, Peter. Und musste mich so oft fragen, wo ich war und welches Gebäude, welche Kirche hier einmal gestanden hatte. Ich fand mich nicht zurecht.

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Eine Geschichte vom Mehringplatz
Teil 5 – der Engel

Würdest du ihn heute erkennen? So verbaut und verändert wie er sich mittlerweile präsentiert? Wahrscheinlich würde dich wie damals der mittig emporragende Engel daran erinnern, was dieser Platz einmal gewesen war. Wie er für uns gewesen war.

Dein Blick war ungläubig. Fassungslos. Zum ersten Mal seit unserem Wiedersehen schienst du eine Art Emotion zu zeigen. Du hattest doch schon so viel Zerbombtes gesehen. Aber als er vor dir lag, schien es dir erst klar zu werden.

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