Ob die Einrichtung von “Kiezblocks” zu einer insgesamten Verkehrsberuhigung oder lediglich zur Verlagerung des Verkehrsaufkommens in Nebenstraßen führt, wird immer wieder emotional diskutiert. Das Deutsche Institut für Urbanistik hat nun eine Studie veröffentlicht, die aufzeigt, dass das Verkehrsaufkommen im Umfeld von verkehrsberuhigten Zonen insgesamt abnimmt – und dass der Verkehrskollaps ausbleibt.

Verkehrsberuhigter Bereich: Die Fußgängerzone am Hackeschen Markt in Berlin-Mitte. / © Foto: depositphotos.com

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Text: Björn Leffler

 

Die Aufregung war groß, als die von der neuen Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) geführte Verkehrsverwaltung überraschend ankündigte, sämtliche Radwegprojekte zu stoppen, bei denen Parkplätze oder Fahrspuren zugunsten eines neuen Fahrradweges wegfallen könnten.

Vor allem die Bezirke kritisierten das Vorgehen und die Art der Kommunikation. Mittlerweile ist etwas klarer geworden, welche Verfahrensweise die Verkehrsverwaltung verfolgt und welche Radwegprojekte von der Entscheidung betroffen sind – und welche nicht.

Berlin: 16 Radwege können gebaut werden, andere Projekte liegen auf Eis

Nach Überprüfung der geplanten Radwegprojekte steht nun fest, dass 16 Radwege wie geplant gebaut werden können, mit zum Teil kleineren Änderungen. Drei Projekte allerdings müssen neu geplant werden und werden vorerst nicht umgesetzt.

Bei den Projekten, die neu geplant werden müssen und derzeit auf Eis liegen, handelt es sich um Radwegprojekte in der Stubenrauchstraße (Neukölln), in der Roedernallee (Reinickendorf) sowie in Blankenfelder Chaussee (Pankow).

Polarisierung im täglichen Verkehr: Autofahrer gegen Fahrradfahrer

Das Thema hat in den vergangenen Wochen die Menschen in Berlin polarisiert und erneut gezeigt, dass sich die Fraktionen der Autofahrenden und Radfahrer auch weiterhin oft unversöhnlich gegenüberstehen – was auch im täglichen Verkehrsbild zu beobachten ist.

Während die einen dem Autoverkehr unbedingt Vorrang einräumen wollen, setzen die anderen auf die Schaffung von Infrastrukturen für Fußgänger und Fahrradfahrer. Das prominenteste Beispiel dieser Auseinandersetzung ist wohl zweifelsohne die Friedrichstraße in Berlin-Mitte.

In vielen Berliner Quartieren werden verkehrsarme “Kiezblocks” eingerichtet

Es ist aber nicht das einzige Beispiel in Berlin. In vielen Quartieren der Hauptstadt werden oder wurden sogenannte “Kiezblocks” eingerichtet, um vor allem den Durchgangsverkehr in diesen Bereichen zu reduzieren.

Solche Projekte werden etwa im Arnimkiez in Prenzlauer Berg, in der nördlichen Luisenstadt in Mitte oder am Boxhagener Platz in Friedrichshain realisiert. Oft wird von Kritikern aber argumentiert, dass der Verkehr durch die Maßnahmen nicht abnimmt, sondern das benachbarte Straßennetz nur zusätzlich belastet.

Studie: Kiezblocks führen nicht zum Verkehrskollaps in angrenzenden Straßen

Mit dieser These hat sich das Deutsche Institut für Urbanistik (“Difu”) intensiv befasst. So hat das Difu empirisch belegte Befunde aus zahlreichen nationalen und internationalen Projekten ausgewertet und seine Analyse nun als Difu Policy Paper „Verkehrsberuhigung: Entlastung statt Kollaps“ veröffentlicht.

Die Difu-Analyse zeigt, dass die durch Verkehrsberuhigung befürchteten Auswirkungen in der Regel nicht eintreten“, so Projektleiterin Uta Bauer vom Deutschen Institut für Urbanistik. Die Analysen sind im Rahmen des von der Europäischen Union und dem Bundesforschungsministerium geförderten Forschungsprojekts „TuneOurBlock“ entstanden.

“Traffic Evaporation”: Verkehrsberuhigte Zonen führen zu weniger Verkehr

Im Zuge der Datenauswertung zeigt sich: Wer Straßen für den Pkw-Verkehr (aus)baut, erntet Verkehr, wer Straßen in verkehrsberuhigte Zonen umbaut, erntet Lebensqualität und zugleich Mobilität. Fast alle Erhebungen bestätigen das Phänomen der „traffic evaporation“, für das es bisher im Deutschen keinen treffenden Fachbegriff gibt.

Der Begriff “traffic evaporation” (frei übersetzt “Verkehrsverdunstung” oder “Verkehrsverdampfung”) besagt, dass das Verkehrsaufkommen nicht wie Flüssigkeit eins zu eins an anderer Stelle abfließt, sondern sich insgesamt – im Anschluss an die Intervention und Straßenumgestaltung – verringert.

Im Umfeld von “Kiezblocks” wird mehr Fahrrad gefahren und zu Fuß gegangen

Die Größenordnung der Verringerung liegt der Erhebung zufolge in den analysierten Verkehrsberuhigungsprojekten in der Fläche zwischen 15 und 28 Prozent, bei Innenstädten zwischen 25 und 69 Prozent und im Umfeld einzelner umgestalteter Straßen zwischen 4 und 52 Prozent. Die Zahlen variieren je nach Projekt und Bezugsrahmen.

Und obwohl die Messungen natürlich auch Verlagerungseffekte in angrenzende Straßen zeigen, so fallen diese meist moderat aus. Der befürchtete Verkehrskollaps bleibt daher fast immer aus. Dies liegt vor allem daran, dass im Umfeld der verkehrsberuhigten Straßen nachweislich mehr zu Fuß gegangen oder Fahrrad gefahren wird. Sind weniger Autos unterwegs, so wird der verbleibende Verkehr flüssiger und führt damit sogar zu einem Gewinn für alle Verkehrsteilnehmer.

“Autoverkehr zähmen bringt mehr Lebensqualität und mehr Mobilität”

Die Untersuchung zeigt, dass Maßnahmen, die den Autoverkehr in den Kommunen zähmen, im erwünschtem Sinne wirken: Mehr Lebensqualität und zugleich Mobilität. Daher gilt es, diese Ergebnisse auch in Kommunalpolitik und -verwaltung stärker zu berücksichtigen. Insbesondere in der Modellierung von Verkehrsberuhigungsmaßnahmen sollten die beschriebenen Effekte berücksichtigt werden“, so Uta Bauer.

Das 1973 gegründete und in Berlin ansässige Deutsche Institut für Urbanistik ist als größtes Stadtforschungsinstitut im deutschsprachigen Raum die Forschungs-, Fortbildungs- und Informationseinrichtung für Städte, Kommunalverbände und Planungsgemeinschaften.

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Quellen: Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH, Der Tagesspiegel, Berliner Morgenpost, B.Z.

 

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