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Jede Zeit baut ihre Stadt.

Artikelreihe: Die Geschichte der Friedrichstraße, Teil 1: Ursprung

Die über drei Kilometer lange Friedrichstraße, die in Nord-Süd-Richtung durch die Stadtteile Mitte und Kreuzberg verläuft, beschäftigt seit einigen Jahren wieder vermehrt die Gemüter der Hauptstädter. Grund genug für uns, um im Rahmen einer mehrteiligen Reihe auf die bewegte Geschichte der jahrhundertealten Handels- und Ausgehstraße im Herzen Berlins zu schauen.

Die historische Friedrichstraße vor mehr als über einem Jahrhundert, mit Blickrichtung nach Norden. Eine Fotografie aus dem Jahr 1900. / © Foto: Wikimedia Commons

© Fotos: Wikimedia Commons
Text: Wolfgang Leffler

DIE GESCHICHTE DER FRIEDRICHSTRASSE

Teil 1 – URSPRUNG IM 17. JAHRHUNDERT

 

Wenn man sich mit der Geschichte der Friedrichstraße von den Anfängen bis heute beschäftigt, darf man die Kohärenz zum Bau der Dorotheenstadt und Friedrichstadt, die historisch betrachtet zum etwa gleichen Zeitraum entstanden, nicht außer Acht lassen.

Angesiedelt in der heutigen Mitte Berlins, den Ortsteilen Mitte und Kreuzberg, verläuft die Friedrichstraße auf einer Gesamtlänge von 3,3 Kilometern durch die historische Mitte Berlins und verbindet als klassische Nord-Süd Achse die Stadtquartiere zwischen Oranienburger Tor in Mitte und Halleschem Tor in Kreuzberg mit dem pulsierenden Zentrum der Hauptstadt.

Mit einer Breite von 15 bis 17 Metern ist sie im Vergleich zu anderen Magistralen der Stadt eine verhältnismäßig schmale Straße, hat aber aufgrund ihrer Historie und den über die Jahrhunderte hinweg stattgefundenen Veränderungen eine herausragende Stellung im Berliner Stadtbild, was die jüngsten Ereignisse zur Neu- bzw. Umgestaltung hin zu einer attraktiven Einkaufs- und Geschäftsstraße untermauern.

Kurfürst Friedrich III von Brandenburg erweiterte den Stadtkern

 Zwischen 1674 und 1688 wurden die Friedrich- und Dorotheenstadt, noch während des Festungsbaus, nördlich und südlich der heutigen Behrenstrasse angelegt, denn das Gemeinwesen Berlins wuchs über diese einengenden Schutzbegrenzungen hinaus.

Damit verlagerte sich der ursprüngliche Kern Berlins von Osten nach Westen, hauptsächlich des in zentrale Position rückenden Standortes des Kurfürstlichen Schlosses geschuldet.

In unmittelbarer Nähe also des heutigen Boulevards Unter den Linden, der ursprünglich ein mit Linden und Nussbäumen bepflanzter Reitweg zwischen Schloss und Tiergarten war, befand sich das neue Zentrum der stetig wachsenden Stadt.

Es war Kurfürst Friedrich III von Brandenburg der zwischen 1688 und 1701 und von 1701 bis 1713 als Friedrich Wilhelm I, König von Preußen, regierte, der den Ausbau Berlins aufgrund des starken Bevölkerungszuwachses vehement vorantrieb.

Andreas Schlüter – Baumeister des Königs

 Neben einer repräsentativen Gestaltung der Stadt, bei der Andreas Schlüter als Architekt und Bildhauer des Königs bleibende Verdienste erwarb, legte Kurfürst Friedrich III seinen Schwerpunkt auf eine planmäßige und großzügige Erweiterung Berlins.

Auf diesem neuen Areal der Stadt also, wo sich früher Felder, Wiesen und Äcker befanden und am Ufer der Spree Schiffe gebaut wurden –  daher der Name Schiffbauerdamm – und Weiden verarbeitet wurden – daher der Name Weidendammer Brücke – verkaufte Friedrich III kurfürstliche Äcker an Bauwillige, denen mit der Gewährung von nicht unerheblichen Vergünstigungen der Kauf schmackhaft gemacht wurde.

Damit legte Friedrich III den Grundstein für die Bebauung der Berliner Vorstadt, wo neben dem bereits existierenden Stadtkern Berlins (Cölln und Berlin) drei weitere neue Städte (Friedrichswerder, Dorotheenstadt und Friedrichstadt) hinzukamen, die eine eigene Verwaltung erhielten und somit kommunal selbständig wurden.

Übrigens ließ Kurfürst Friedrich III bereits kurz nach seinem Regierungsantritt 1688 das fünfte Gemeinwesen seines Residenzbereiches nach ihm benennen (Friedrichstadt), dass sich südlich der damaligen Lindenallee bis zur heutigen Leipziger Straße und Jerusalemer Straße ausdehnte.

Die Dorotheenstadt wiederum, zunächst als Neustadt benannt, wurde bereits 1674 gegründet und erhielt 1681 den Namen der Kurfürstin Dorothea, der zweiten Ehefrau Friedrichs III, Dorothea Sophie von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg.

Die Verbindung zwischen Dorotheenstadt und Friedrichstadt erfolgte über die Marschallbrücke und Weidendammer Brücke, jetzt begrenzt durch die Ebertstraße im Westen, die Spree im Norden und den Kupfergraben im Nordosten.

Barocke Baukunst: Neubau der Quartiere nach italienischem Vorbild

Mit dem Bau der neuen Quartiere wurden die Architekten Nering und der aus den Niederlanden stammende Smits beauftragt, die die Errichtung der Gesamtanlage der Friedrichstadt leiteten. Für den Aufbau der Dorotheenstadt war Baumeister Joachim Ernst Blesendorf verantwortlich.

Die architektonische Anlage der Quartiere war gekennzeichnet durch ein regelrechtes Netz aus Straßen, hauptsächlich der Friedrichstadt, deren Vorbild man in Rom fand, mit der Piazza del Popolo und der Straßenbündelung der Via di Ripetta, dem Corso und der Via del Babuino.

Diese strenge barocke Straßenplanung verlieh den Quartieren mit dem rechtwinkligen Straßennetz eine dementsprechende Gliederung und Regelmäßigkeit und somit auch eine gewisse Großzügigkeit.

Staatliche Bauförderung und Ansiedlung der Hugenotten

Als Resultat der staatlich geförderten Baulust der Bürger waren in der Friedrichstadt bis 1695 bereits 300 Häuser fertig gestellt. In diese Gegend waren in großer Anzahl Hugenotten gezogen, die durch ihre handwerklichen Fähigkeiten das Ansehen des Königshauses als auch der Stadt Berlin stärkten.

Für die Hugenotten, die unter dem “Sonnenkönig” Ludwig XIV. in Frankreich eine Unterdrückung unerhörten Ausmaßes zu erleiden hatten, öffnete Kurfürst Friedrich III von Brandenburg – selbst reformierter Konfession – die Grenzen und schuf mit dem Edikt von Potsdam 1685 die Voraussetzungen für die Verfolgten, sich in Berlin und Brandenburg anzusiedeln.

Im Edikt von Potsdam sicherte Friedrich Wilhelm den Hugenotten die Gründung eigener Kirchengemeinden, eigener Schulen und eigener Gerichtsbarkeiten zu. Bereits um 1700 hatte die französische Kolonie einen Anteil an der Berliner Bevölkerung von 20 Prozent erreicht.

Dieser Bevölkerungszuwachs nach dem verheerenden 30-jährigen Krieg war für Berlin und Brandenburg, speziell für die Neuansiedlungen in der Friedrichstadt und Dorotheenstadt, von enormer Wichtigkeit, waren doch die Hugenotten nicht nur wegen ihrer Glaubenszugehörigkeit, sondern auch wegen ihrer gewerblichen, kaufmännischen und kulturellen Fähigkeiten ein enormer Zugewinn für die damalige Region Berlin und Brandenburg.

Friedrichstadt: Weiterer Ausbau unter “Soldatenkönig” Friedrich Wilhelm I

 Nach dem Tod von Friedrich III, folgte sein Sohn Friedrich Wilhelm I auf seinen Thron als preußischer König (1713 bis 1740) und setzte den Ausbau der Friedrichstadt und der Friedrichstraße mit Strenge und teils unter Einsatz militärischer Gewalt fort, die er südlich bis zum Halleschen Tor und nördlich bis hinter die Wilhelmstraße erweitern ließ.

So entstanden In den Jahren 1725 bis 1737 weitere etwa 1.000 Neubauten. Diese Gebäude wurden in der Mehrzahl ein- und zweistöckig gebaut, unterlagen allerdings den städtebaulichen Vorschriften des Barock und waren in einer stringenten Regelmäßigkeit so angeordnet, dass jeweils die Längsseite des Gebäudes der Straße zugekehrt war, aber niemals mit der Giebelseite.

Der Grund für diese Anordnung der Gebäude lag an der Höhe der Bauzuschüsse, die sich nach der Frontlänge des Gebäudes an der Straße orientierte.

In diesem Prozess der Erschließung und Neubebauung der Quartiere wurden kurzerhand alte und unansehnliche Gebäude abgerissen, was den König zu dem lakonischen Ausspruch bewog, dass “man bauen solle, denn immerhin habe man Geld!

Die „zwielichtigste“ Straße in diesem Neubaugebiet war allerdings die heute so prominente Friedrichstraße, denn sie war einfach nur die große „Querstraße“, wie man sie damals nannte. Der Aufstieg der schlichten “Querstraße” zu einer der wichtigsten Straßen Berlins sollte in den kommenden Jahrzehnten erfolgen.

Fortsetzung folgt.

 

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Artikelreihe: Berlins historisches Zentrum, Teil 1: Gründung

Serie – Berlins Luftschlösser, Teil 2: Der Neubau der Gedächtniskirche

Serie: Berlins Bauwerke der Moderne, Teil 3 – Der Pariser Platz

Vergessene Baukunst: Die Geschichte jüdischer Architekten in Berlin

Wiederaufbau der Altstadt? Die „Stiftung Mitte Berlin“ im Interview

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1 Kommentar

  1. Wilhelmy Februar 13, 2024

    Sehr geehrte Damen und Herren, vielleicht haben Sie einen Tipp. Ein Plakat von 1911 weißt auf die “Hochscule für Zuschneidekunst” in der Friedrichstr. 61 hin. Außer diesem Plakat ist so gut wie nichts zu finden über diese Hochschule. Wo gibt es Rechercheansätze?
    Mit freundlichen Grüßen
    Gudrun Wilhelmy

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