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Die Geschichte der Friedrichstraße, Teil 3: 19. Jahrhundert

Die über drei Kilometer lange Friedrichstraße, die in Nord-Süd-Richtung durch die Stadtteile Mitte und Kreuzberg verläuft, beschäftigt seit einigen Jahren wieder vermehrt die Gemüter der Hauptstädter. Grund genug für uns, um im Rahmen einer mehrteiligen Reihe auf die bewegte Geschichte der Friedrichstraße zu schauen. Im dritten Teil widmen wir uns der Entwicklung der Straße im 19. Jahrhundert.

Straßenbild der Friedrichstraße mit der historischen Kaisergalerie. Die Fotografie stammt aus dem Jahr 1875. / © Foto: Wikimedia Commons

© Fotos: Wikimedia Commons
Text: Wolfgang Leffler

DIE GESCHICHTE DER FRIEDRICHSTRASSE

Teil 3 – Entwicklung im 19. jahrhundert

Zum ersten und zweiten Teil Der Reihe gelangt Ihr hier

 

Nach dem Tod Friedrich Wilhelm II im Jahr 1797, dem Großen König, übernahm sein Sohn Friedrich Wilhelm III die Staatsgeschäfte und steuerte zum Jubiläum der von seinem Vater initiierten Realschule in der Kochstraße 66, dem späterem Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, 60.000 Taler zum Schulneubau bei, der in den Jahren 1804 bis 1805 direkt an der Ecke Friedrichstraße / Kochstraße errichtet wurde.

Aber wie sah eigentlich die Friedrichstraße an der Schnittstelle des 18. zum 19. Jahrhundert aus? Im März 1799 erschien ein von einem preußischen Offizier erstelltes erstes Berliner Adressbuch, in dem die Straßen aufgelistet und dementsprechend nummeriert wurden. Zusätzlich wurden zur Nummerierung die Namen und Besitzer sowie deren Berufe angegeben, auch die Anzahl der Etagen der einzelnen Häuser wurden mit aufgeführt.

Ende des 18. Jahrhunderts standen in der Friedrichstraße 233 Gebäude

So standen in der Friedrichstraße insgesamt 125 Gebäude als Zwei-, 75 Häuser als Drei- und 10 Häuser als Viergeschosser. Die Anzahl der eingeschossigen Häuser lag bei 23. Von den zehn Viergeschossigen Gebäuden standen fünf auf der Westseite der Friedrichstraße zwischen Behrenstraße und Unter den Linden, ein sechster Viergeschosser befand sich nördlich der Kreuzung Unter den Linden.

Das zehnte viergeschossige Gebäude war das mit der größten Anzahl an Fensterachsen: es war die Kaserne des ersten Artillerie-Regiments, angesiedelt zwischen der Ziegelstraße und der damaligen Kirchhofsstraße, der heutigen Johannisstraße. In diesem Abschnitt der Friedrichstraße, also zwischen Weidendammer Brücke und Oranienburger Tor, lagen damals die meisten der eingeschossigen Gebäude (acht).

Nummer 1: Am Halleschen Tor begann die Nummerierung der Friedrichstraße

Die erste Neuauflage der zwei Jahre vorher erschienenen Nummerierung zur Friedrichstraße erschien 1801, diesmal nach dem Pariser Vorbild. Demnach begann das Haus Nr.1 am Halleschen Tor, im Bereich des Oranienburger Tors sprang die fortlaufende Nummerierung von der östlichen auf die westliche Seite der Friedrichstraße über und lief dann bis zur Hausnummer 251 zum Halleschen Tor zurück.

Zahlreiche Militärs zogen mit Beginn des 19. Jahrhunderts in das Areal der Friedrichstraße. So wohnte der preußische Reiterführer und Husarengeneral von Ziethen von 1761 bis 1786 in der Kochstraße 62. Friedrich Wilhelm II besuchte ihn dort desöfteren „hoch zu Ross“.

Zunehmende Präsenz des Militärs mit Kavallerie, Husaren und Kasernen

Die Bedeutung der Friedrichstraße als Militärstandort in der königlichen Residenzstadt nahm also zu, was sich auch an der Einwohnerzahl, die dem Militärstand zuzurechnen war, abzulesen war. So wurde 1730 das 3. Husarenregiment mit fünf Schwadronen – von insgesamt zehn – in der Friedrichstadt angesiedelt.

Die Hauptwache des Regiments lag am Halleschen Tor, so dass der Führer des Husarenregiments, von Ziethen, nicht sehr weit weg von seinem Regiment wohnte. In der Friedrichstraße 2 und 3 waren die Husarenställe und in der Hausnummer das Husarenlazarett untergebracht.

Anfang des 19. Jahrhunderts: Das Militär prägte das Bild der Friedrichstraße

Von der Lindenstraße ging die Husarenstraße ab, wo sich ein weiterer großer Kasernenkomplex befand. Die weiter oben erwähnten fünf Reiterschwadrone hatten im Jahr 1784 (Frauen und Kinder inklusive) eine Stärke von 1.694 Personen. Berlin hatte 1816 bereits eine Einwohnerzahl von 200.000 erreicht, davon waren ca. 16.000 Militärs, was relativ gesehen einen hohen Anteil an der Gesamtbevölkerung darstellte.

Bis zur Heeresreform in den Jahren 1816/1817 wohnten „beweibte verheiratete Soldaten“ mit den ihnen unterstellten Militärangehörigen in den speziell dafür gebauten Kasernen. Wiederum die „unbeweibten Militärs“ wurden auf Erlass des Königs in Bürgerhäusern einquartiert, ganz unabhängig davon, welchem Stand die Hausbesitzer angehörten.

Davon waren natürlich auch die Häuser in der Friedrichstraße betroffen. Hausbesitzer mussten also für die Militärsangehörigen ein Zimmer zur Straße hin bewerkstelligen. Nach dem Ende der Befreiungskriege und den danach durchgeführten Heeresreformen waren allerdings nur noch unverheiratete Soldaten in den Kasernen untergebracht, in denen dann entsprechend eingerichtete Großküchen die Versorgung übernahmen.

Ausweitung der Militär-Präsenz nach der Revolution von 1848

Nach der bürgerlichen Revolution 1848 ließ König Friedrich-Wilhelm IV vor dem Halleschen Tor, in Höhe des Mehringdamms 20-30, eine weitere Kaserne, die des 1.Garde-Dragoner-Regiments erbauen. Im Norden der Friedrichstraße, also noch innerhalb der damaligen Stadtgrenze, standen zwei ältere Kasernen: Zum einen in einem viergeschossigen Gebäude das 1. Artillerie-Regiments in der Friedrichstraße 107. Dort steht heute der neue Friedrichstadtpalast.

Zum zweiten war in einem dreigeschossigen Gebäude der „Exerzier- und Pferdestall für die reitende Artillerie“ untergebracht, heute unweit des Oranienburger Tors 118/119. Hier wurde später noch die Kaserne der „reitenden Garde-Artillerie“ hinzugefügt.

Auch angesehene zivilPersonen ließen sich in der Friedrichstraße nieder

Die Friedrichstraße war aber – neben der bereits beschriebenen Militärpräsenz – auch ein Ort, an dem sich zahlreiche zivile Personen niederließen. Wilhelm von Humboldt etwa bezog eine Wohnung in der Dorotheenstadt, im Eckhaus Unter den Linden 26 / Friedrichstraße, da ihm im Jahre 1809 vom preußischen Innenministerium die Leitung des Kultus- und Unterrichtswesens angetragen worden war. Noch im selben Jahr übrigens gründete er die erste Berliner Universität.

Rahel von Varnhagen, eine damals bekannte Förderin von Kunst und Literatur, in deren Salons angesehene Künstler verkehrten, zog nach ihrer Rückkehr 1819 aus Karlsruhe in die Französische Straße 20 / Ecke Friedrichstraße, fühlte sich allerdings nach der Rückkehr in die alte Heimat überhaupt nicht wohl, was sich später aber noch ändern sollte. Die Veränderungen während ihrer Abwesenheit in der preußischen Metropole behagten ihr anfangs ganz und gar nicht. Vor einigen Jahren wurde nach ihr ein von der Friedrichstraße abzweigender Radweg benannt.

Humboldt, Heine, E.T.A. Hoffmann: Berühmte Bewohner der einstigen Friedrichstraße

Auch Heinrich Heine zog es 1829 nach Berlin, wo er sich in der Friedrichstraße 47 niederließ. Er beschrieb 1822 in seinen Fortsetzungen des „Linden-Bummels“ die Friedrichstraße als eine „Idee der Unendlichkeit“, allerdings sollte man nicht zu lange verweilen, denn es bestehe ein „fataler Zugwind zwischen dem Halleschen und Oranienburger Tor“.

Weitere aus dieser Zeit bekannten Persönlichkeiten wählten ihre Wohnungen in der Friedrichstraße. So zum Beispiel E.T.A. Hoffmann, der bekannte Dichter, der im Berliner Kammergericht arbeitete. Er wohnte in der Friedrichstraße 179. Ein weiterer Schriftsteller und Botaniker, Adalbert von Chamisso, wohnte von 1819 bis zu seinem Lebensende 1838 in der Friedrichstraße 235. Dessen Wohnhaus wurde später aufgrund des Neubaus der Friedrich-Wilhelm-Passage abgerissen.

Theodor Fontane verlobte sich auf der Weidendammer Brücke

 In der Aufzählung berühmter Persönlichkeiten mit Bezug zur Friedrichstraße darf natürlich Theodor Fontane nicht fehlen, dessen Familie im Zuge des Edikts von Potsdam Frankreich den Rücken gekehrt hatte und dem Ruf des Großen Kurfürsten gefolgt war, um in Berlin-Brandenburg eine neue Heimat zu finden.

Nach der Absolvierung seines Militärdienstes in Berlin nahm er wieder seinen ursprünglichen Beruf als Apotheker auf und arbeitete in der „Polnischen Apotheke“ an der Ecke Friedrichstraße / Mittelstraße. In Berlin fand Fontane auch seine große Liebe, Fräulein Emilie Kummer, mit der er sich auf der Weidendammer Brücke verlobte und mit ihr bis zu seinem Lebensende zusammenblieb.

Die alte Weidendammer Brücke, die bis 1895 an der Friedrichstrasse stand, beschrieb er übrigens als eine für „damalige Verhältnisse imposante Konstruktion“, da sie als erste Brücke dieser Art mit freistehenden, eisernen Pfeilern die weitgespannten Bögen trug und die bisher üblichen, massiven Steinpfeiler ablöste.

Ab 1895 wurde die Weidendammer Brücke abgerissen und neu gebaut

Diese ursprünglich 55 Meter lange und 10,5 Meter breite Brücke fiel dann allerdings dem Bau der neuen Brücke zum Opfer, die zwischen 1895-97 nach dem Entwurf von Otto Stahn gebaut wurde. Die Reste der von Theodor Fontane anschaulich beschriebenen Brückenkonstruktion sind übrigens heute noch in Eberswalde in der Nähe von Berlin zu besichtigen.

Nach dem Abriss 1895 wurden die verbliebenen Brückenteile dorthin transportiert. Angemerkt sei noch, dass auch Bettina Brentano und Achim von Arnim sich in der Nähe der Weidendammer Brücke an einem winterlichen Spaziergang am Schiffbauer Damm verlobten. Das schien ausgangs des 19. Jahrhunderts in Berlin schwer in Mode zu sein.

Fortsetzung folgt.

Zum ersten und zweiten Teil Der Reihe gelangt Ihr hier

 

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Artikelreihe: Berlins historisches Zentrum, Teil 1: Gründung

Serie – Berlins Luftschlösser, Teil 2: Der Neubau der Gedächtniskirche

Serie: Berlins Bauwerke der Moderne, Teil 3 – Der Pariser Platz

Vergessene Baukunst: Die Geschichte jüdischer Architekten in Berlin

Wiederaufbau der Altstadt? Die „Stiftung Mitte Berlin“ im Interview

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