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Kai Wegner will Volksabstimmung zu Tempelhofer Feld und A100-Weiterbau

Der designierte Bürgermeister Berlins, CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner, möchte die Berliner über eine mögliche Randbebauung des Tempelhofer Feldes und den Weiterbau der A100 abstimmen lassen. Problematisch ist jedoch, dass eine „von oben“ initiierte Volksabstimmung in der Berliner Verfassung nicht vorgesehen ist. Nichtsdestotrotz gibt es mit Tobias Nöfer einen prominenten Befürworter für eine Bebauung des Tempelhofer Feldes.

CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner würde gern die Ränder des Tempelhofer Felds bebauen und darüber die Berliner Bevölkerung abstimmen lassen. Das Vorhaben birgt allerdings Tücken. / © Foto: depositphotos.com

Text: Björn Leffler
© Visualisierung Titelbild: BLR Projektplan mit Dorte Mandrup (beispielhafte Abbildung)
© Fotos: depositphotos.com / ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

 

Noch ist der CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner, der mit seiner Partei als klarer Gewinner aus der Wiederholungswahl im Februar hervorgegangen ist, gar nicht im angestrebten Amt des Berliner Bürgermeisters. Trotzdem werden bereits jetzt Pläne Wegners publik, nach denen er umstrittene Projekte wie den Weiterbau der A100 und auch eine Randbebauung des Tempelhofer Feldes forcieren will.

Wegner möchte dies, nach eigenem Bekunden, aber nicht gegen den Willen der Berliner Bevölkerung durchsetzen. Immerhin gibt es beim Tempelhofer Feld einen bis heute gültigen Volksentscheid, der eine Bebauung des Feldes – und sei es auch nur am Rande des riesigen Areals – verbietet.

Umfragen: Mehrheit der Berliner für eine TeilBebauung des Tempelhofer Feldes

In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder mal Befragungen und Abstimmungen zum Thema Bebauung des Tempelhofer Feldes gegeben, bei denen sich eine Mehrheit für eine Teilbebauung des Feldes ausgesprochen hatte. Ein neuer Volksentscheid hingegen war bislang nicht anvisiert worden.

Einen solchen würde nun gern Kai Wegner auf den Weg bringen, allerdings nicht initiiert durch die Berliner Bevölkerung, sondern durch die Regierungskoalition selbst. Eine Volksbefragung „von oben“ sozusagen. Und genau da liegt das Problem in Wegners Gedankenspielen: ein solches Instrument ist in der Berliner Landesverfassung gar nicht vorgesehen.

Von der Regierung initiierte abstimmungen sind bislang gesetzlich nicht vorgesehen

Dabei hatte es ähnliche Ideen in Berlin bereits vor einigen Jahren gegeben, dem Vorbild des Freistaats Bayern folgend. Die dortige Staatsregierung hatte das Landeswahlgesetz 2016 geändert und die Volksbefragung über „Vorhaben des Staates von landesweiter Bedeutung“ als nicht bindendes Instrument der Meinungsbildung eingeführt.

Die CSU wollte in Bayern mit dem neuen Abstimmungsinstrument vor allem die kontrovers diskutierte dritte Startbahn des Münchener Flughafens mit basisdemokratischer Legitimation ausstatten. SPD und Grüne im bayerischen Landtag zogen gegen die Pläne vor den Landesverfassungsgerichtshof, welcher 2016 auch zugunsten der Kläger entschied.

Zur Änderung des Wahlgesetzes wäre eine Verfassungsänderung nötig

Um das Wahlgesetz zu ändern, sei in Bayern eine Verfassungsänderung nötig, und das ist auch in Berlin so. Eine Volksabstimmung, organisiert von der amtierenden Regierung, ist in der Berliner Verfassung nicht vorgesehen, obwohl das Resultat wie oben erwähnt nicht bindend wäre.

Die nötige Zweidrittel-Mehrheit für eine Verfassungsänderung hat die künftige schwarzrote Regierungskoalition jedoch nicht. Grüne und Linke haben zudem schnell signalisiert, dass sie für ein solches Vorhaben nicht zu haben wären.

Was verspricht sich Kai Wegner von der Idee der Volksabstimmungen?

So ist fraglich, was Wegner sich von einem solchen Votum verspricht. Denn wenn sich eine Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner im Rahmen einer solchen Befragung für die Bebauung des Tempelhofer Feldes entschiede, müsste dennoch ein neuer Volksentscheid initiiert werden, und zwar von den Bürgerinnen und Bürgern selbst – ein äußerst unwahrscheinliches Szenario.

Und auch beim A100-Projekt hätte Wegners Volksbefragung wohl wenig Auswirkungen auf die tatsächliche Umsetzung des Projekts. Denn selbst wenn eine Mehrheit der Teilnehmer gegen den Weiterbau stimmen würde, wäre das Votum nicht bindend. Und das von der FDP geführte Bundesverkehrsministerium hat bereits unmissverständlich klar gemacht, dass das Projekt auch gegen die Widerstände des Berliner Senats umgesetzt werden soll.

Wegner scheint mit seinen Vorschlägen untermauern zu wollen, dass er in Berlin keine Großrojekte ohne die Zustimmung der Berliner Bevölkerung umsetzen möchte. Ein ehrenhafter Ansatz, der vorerst aber an der Berliner Verfassungskonstitution scheitern dürfte.

Tobias Nöfer unterstützt Konzept einer Randbebauung des Tempelhofer Feldes

Ungeachtet dessen hat der Architekten und Ingenieurverband Berlin-Brandenburg (AIV) das Thema Tempelhofer Feld bereits aufgenommen. Architekt Tobias Nöfer, Vorsitzender im AIV, äußerte sich kürzlich in einem Interview mit dem RBB-Sender Inforadio zu einer möglichen Randbebauung des ehemaligen Flugfeldes.

Nöfer betonte dabei, dass von einer sinnvollen Bebauung am Rande des Feldes mindestens sechs unterschiedliche, angrenzende Quartiere profitieren könnten. Dabei machte Nöfer deutlich, dass es nicht nur um den Bau von Wohnungen, sondern auch um die Errichtung dringend benötigter Sport-, Schul- und weiterer Bildungsangebote gehen sollte.

Nöfer: Im Südwesten des Feldes wäre eine Wohnbebauung sinnvoll

Im Südwesten des Feldes sei laut Nöfer vor allem der sehr gut an ÖPNV und Autobahn angeschlossene Tempelhofer Damm für eine umliegende Wohnbebauung geeignet. Aber auch das Flughafengebäude selbst sei laut Nöfer ein ungenutzter Solitär, mit dem die Berliner Regierungen der vergangenen Jahrzehnte einfach nichts anzufangen wussten.

Derzeit läuft eine langwierige Sanierung des Gebäudes, Nutzungsvorschläge hat es in den vergangenen Jahren viele gegeben. Zuletzt wurde die Idee aufgebracht, das riesige Gebäude als Standort für die noch immer nicht realisierte Zentral- und Landesbibliothek zu nutzen. Andere Vorschläge, wie etwa der des Büros BLR Projektplan (siehe Titelbild) oder Konzepte von Alliierten- und Technikmuseum sehen im historischen Gebäude eher eine Luftfahrt- und Technik-orientierte Nutzung.

Großprojekte: Die Zeit für die neue schwarzrote Regierungskoalition drängt

Platz wäre in den sieben gigantischen Hangars sicherlich für beide Ansätze, wenn sie denn finanzierbar sind. Unabhängig von diesen Planspielen verhandeln SPD und CDU in dieser Woche bereits über die Bildung einer schwarzroten Regierung unter Führung von Kai Wegner.

In welcher Form die Themen A100 und Tempelhofer Feld in den zukünftigen Koalitionsvertrag einfließen werden, ist derzeit noch Spekulation. Da die neue Regierung aber nur drei Jahre Zeit hat, ihre Vorhaben auf den Weg zu bringen, wird sich beim Thema Tempelhofer Feld auf absehbare Zeit erst einmal nichts ändern. Der Weiterbau der A100 hingegen wird aller Voraussicht nach voranschreiten.

 

Weitere Bilder zum Thema findet Ihr hier: 

Über den geplanten Weiterbau der A100 vom Treptower Park bis zur Storkower Straße möchte Kai Wegner ebenfalls abstimmen lassen. Das Votum wäre allerdings rechtlich nicht bindend. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT BERLIN

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Quellen: CDU Berlin, inforadio, Berliner Morgenpost

 

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