Die über drei Kilometer lange Friedrichstraße, die in Nord-Süd-Richtung durch die Stadtteile Mitte und Kreuzberg verläuft, beschäftigt seit einigen Jahren wieder vermehrt die Gemüter der Hauptstädter. Grund genug für uns, um im Rahmen einer mehrteiligen Reihe auf die bewegte Geschichte der Friedrichstraße zu schauen. Im zweiten Teil widmen wir uns dem Ausbau der Straße im 18. Jahrhundert.
© Fotos: Wikimedia Commons
Text: Wolfgang Leffler
DIE GESCHICHTE DER FRIEDRICHSTRASSE
Teil 2 – Ausbau im 18. jahrhundert
Zum ersten Teil unserer Reihe gelangt Ihr hier
Mit dem Ausbau der Prachtstraße Unter den Linden, den die zweite Ehefrau des Großen Kurfürsten, Dorothea, maßgeblich mit forcierte, wuchs also auch die Bedeutung der Friedrichstraße. Bloß hieß sie damals noch nicht so.
Sie war zwar die wichtigste Straße der Dorotheenstadt und trug somit auch den Namen „Querstraße“, die sich von der Weidendammer Brücke bis zur Behrenstraße hinzog. Zur Freude der Berlinerinnen und Berliner, die schon damals eine deftige Küche bevorzugten, aber zum großen Ärger König Friedrich I, bewegten sich noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts Hausschweine in der Querstraße.
Die heutige Friedrichstraße hieß früher schlicht und ergreifend “Querstraße”
Damit einher gehend befanden sich Stallungen auf den Höfen mit Fäkalienkanälen, die dementsprechend Unrat aus den Häusern und erheblichen Gestank erzeugten. Nach dem Tod seiner zweiten Gemahlin Dorothea im Jahre 1689 berief der König dann eine Kommission zum Bau des neuen Stadtteils ein und benannte die Querstraße kurzerhand nach seinem Namen – Friedrichstraße – ebenso wie den neuen Stadtteil: Friedrichstadt!
Nach der Umbenennung der Querstraße in Friedrichstraße erfolgte durch weiteren Zukauf von Grund und Boden die Verlängerung der Friedrichstraße in Richtung Süden.
Bereits Ende des 18. Jahrhunderts stach die Friedrichstraße heraus
Bereits zum Ende des 18.Jahrhunderts äußerte sich der Publizist August Friedrich Julius Knüppeln durchaus positiv über die Friedrichstraße, als die „Größte“ (der Straßen), da diese vom Halleschen- zum Oranienburger Tor verlaufe und einen besonderen Blick bzw. eine besondere Perspektive zuließe, ganz speziell bei an Wintertagen angezündeten Laternen.
Aber zu dieser Zeit, als sich die Berliner Bevölkerung längst an den Namen Friedrichstraße gewöhnt hatte, präsentierte sich der nördliche Teil, jenseits der Spree, noch sehr ländlich und provinziell. Um dort hinzugelangen, musste man eine hölzerne Brücke – Vorläuferin der heutigen Weidendammer Brücke – passieren, um dann in einer märkischen Landschaft zu landen!
Wo später der Friedrichstadtpalast stand, war zuvor ein Artillerieregiment
Dieser Teil der Friedrichstraße hieß damals „Dammstraße“, die sich von der Spree bis zum Oranienburger Tor erstreckte. Und so wurden neben Feldern und Gärten die Kasernen des Zweiten Königlichen Artillerieregiments erbaut mit einer Höhe von vier Stockwerken – übrigens an der Stelle, wo später der neue Friedrichstadtpalast stehen sollte.
Bis 1786 wurde dieses Straßenstück nördlich der Weidendammer Brücke Dammstraße genannt, danach Friedrichstraße. Nach dem Tod des ersten Preußenkönigs 1713 trieb sein Sohn, Friedrich Wilhelm I, auch bekannt als „Soldatenkönig“, den Ausbau der Friedrichstraße als auch der Friedrichstadt voran.
Friedrich Wilhelm I trieb ab 1713 den Ausbau der Friedrichstrasse voran
Neben den Kasernen für das zweite Husarenregiment siedelten sich Kontore und Manufakturen an. Aber auch Gewerbeansiedlungen prägten das Bild der Friedrichstraße. So hatte sich ein Salzschifffahrtsbüro nicht weit weg vom Oranienburger Tor angesiedelt und in der Ziegelstraße, eine kleine Querstraße der Friedrichstraße, produzierte eine Kalkbrennerei den zum damaligen Neuaufbau der Friedrichstadt benötigten Baustoff.
Beim weiteren Ausbau der Friedrichstraße witterten Bodenspekulanten ein gutes Geschäft, mussten wenige Zeit später allerdings feststellen, dass sie sich erheblich verkalkuliert hatten, denn der Baugrund in dieser Gegend war meist sumpfig, so dass große und mächtige Häuser vom Boden her nicht getragen wurden.
Sumpfiger Baugrund: Bodenspekulanten verkalkulieren sich
Einige dieser Bodenspekulanten hatten sich derart verhoben mit ihren Investitionen, dass Sie später ihr komplettes Vermögen verloren. Die Auswirkungen dieser Bodenbeschaffenheit sind übrigens noch bis in die Neuzeit des 20. Jahrhunderts zu spüren. Man denke nur an den Abriss des alten Friedrichstadtpalastes im Jahre 1985, der unter anderem wegen dieses Sumpfbodens erfolgte.
Beim weiteren Ausbau Berlins zur Residenzstadt wurden seitens des Hofstaates und der Landesregierung wichtige künstlerische und städtebauliche Impulse vorgegeben, die in wichtigen kommunalen Bereichen der Stadt zur Verbesserung des allgemeinen Zustands Berlins, der Straßen und der sanitären Verhältnisse führten.
Ausbau Berlins zur Residenzstadt und wirtschaftlicher Aufschwung
Unbedingt erwähnenswert ist dabei der Friedrich-Wilhelm-Kanal, der Berlin mit der Ostsee verband oder der Binnenhafen inmitten der Stadt, der mit seiner Größe eigentlich größere Handelsplätze in Europa in den Schatten stellte.
So führte der wirtschaftliche Aufschwung Berlins mit dem Ausbau der Manufakturen und hier im speziellen das Tuchgewerbe zu immer mehr Zuwanderung. Natürlich war dies aber auch das Ergebnis der vom Landesherrn eingeschlagenen Migrationspolitik, die in einen Zuwachs an ökonomischer und kultureller Vielfalt mündete.
Anfang des 18. Jahrhunderts siedelten sich die Böhmen in Berlin an
Neben den bereits Ende des 17. Jahrhunderts erfolgten Zuwanderungen der Hugenotten, die sich rund um die Friedrichstraße ansiedelten und infolge dessen bereits 1706 ein Straßenzug in der Friedrichstadt den Namen „Französische Straße“ erhielt, siedelte sich Anfang des 18. Jahrhunderts eine zweite größere Volksgruppe in der Nähe der Friedrichstraße an: die Böhmen.
Die Mehrzahl der Böhmen ließ sich um das Jahr 1732 in der Friedrichstadt nieder, wobei sie bereits 1727 beim König um Aufnahme in sein Staatsgebilde gebeten hatten. Der König wies ihnen daraufhin die Friedrichstadt als Ort ihrer neuen Heimat zu, konkret ein recht großes Areal zwischen Schützen – und Krausenstraße und unterstützte sie bei ihren Baumaßnahmen mit Geld und Material.
Spuren Böhmischer Kultur: Die Bethlehemkirche in Berlin-Mitte
Eine Spur zu diesen neuen Bürgern Berlins findet man heute noch in der Nähe der Friedrichstraße 200, einem Neubaublock, wo an der Straßengabelung Mauerstraße, Ecke Krausenstraße steinerne Markierungen im Boden auf den Grundriss der Böhmischen Kirche (oder auch Bethlehemkirche) hinweisen, deren Ruine nach dem Bau der Mauer abgerissen wurde.
Friedrich Wilhelm I hatte diesen Kirchenneubau für die böhmischen Zuwanderer gestiftet; die Bauausführung geschah zwischen 1735 und 1737. Zusammen mit der nördlich an der Mauerstraße stehenden Dreifaltigkeitskirche setzte die böhmische Kirche städtebaulich einen nicht zu übersehenden Akzent. Allerdings übertrafen die Türme am nahen Gendarmenmarkt später die beiden Kuppeln der beiden Sakralbauten.
Friedrich Wilhelm II – der Große König
Nach dem Tod Friedrich Wilhelm I im Jahre 1740 folgte sein Sohn Friedrich Wilhelm II, historisch auch “Friedrich der Große” genannt, auf den Thron als Preußenkönig.
Hatte Berlin um das Jahr 1700 noch eine Einwohnerzahl von etwa 28.000, stieg diese bis 1789 auf rund 150.000 an, was in der Stadtmitte zu vermehrten Bauaktivitäten führte. Dort wurden unter anderem mehrere neue Schulen errichtet. Eine Häufung gab es im Kreuzungsbereich Friedrichstraße, Ecke Kochstraße.
Dabei stiftete der Pastor der oben erwähnten Dreifaltigkeitskirche im Jahre 1747, nach den ersten beiden Schlesischen Kriegen, das Geld für den Bau eines Schulgebäudes, eine in der Kochstraße 66 angesiedelte Realschule, das spätere Friedrich-Wilhelm-Gymnasium mit dem Namenspatron des Königs Friedrich Wilhelm II.
Ende des 18. Jahrhunderts: Friedrichstrasse war Berlins länster Straßenzug
Aber man muss sich aufgrund dieses enormen Bevölkerungswachstums die Frage stellen, wer lebte eigentlich noch in der damaligen Friedrichstraße, dem längsten Straßenzug Berlins Neben natürlichen Privatpersonen, also Bürgern, finden wir Spuren einer sehr differenzierten Anzahl von Gewerbetreibenden, wie Holzhändlern, Kornmessern, Drechslern, Viehmästern, Lederhändlern, Sattlern oder Seilern, die auf ein sehr umtriebiges Manufakturwesen in der Friedrichstraße schließen lassen.
Dazu gehörten auch eine Tapetenfabrik und Wollfabrikanten. Ein Unternehmer aus Westfalen siedelte sich erst in Potsdam und nach 1764 in der Friedrichstraße mit seiner Manchestermanufaktur an, in Berlin damals eine der bekanntesten Gewebe-Fabrikationsstätten.
Die Friedrichstraße verlor ihre Bedeutung als Manufakturstandort
Ende des 18. und mit Beginn des 19.Jahrhunderts begann allerdings der Niedergang des Manufakturwesens in der Friedrichstraße, speziell der Standort Schiffbauerdamm verlor an Bedeutung. Nicht weit weg von der nördlichen Friedrichstraße, also vom Oranienburger Tor aus Richtung Norden, entstand ein neues, frühindustrielles Zentrum des Maschinenbaus.
Bekannt ist aus dieser historischen Epoche unter anderem die „Neue Berliner Eisengießerei“, in der August Borsig Ende der 30iger Jahre des 19. Jahrhunderts seine erste Dampfmaschine baute und wenig später dort auch sein Unternehmen begründete.
Industrialisierung: August Borsig baute in Berlin seine erste Lokomotive
In der Chausseestraße 13, dem sogenannten “Borsighaus”, entwickelte und baute er seine erste Lokomotive. Eine Tafel am Zugang zum Gebäude dokumentiert dies noch heute, ebenso ein am Eckhaus Chausseestraße 1 / Oranienburger Straße angebrachtes Metallschild.
Die Friedrichstraße unterlag in den Folgejahren weiteren Veränderungen, die auch im Zusammenhang mit der zunehmenden Militarisierung der Friedrichstadt zu sehen und zu bewerten sind. Diesem Thema werden wir uns im dritten Teil unserer Reihe widmen.
Fortsetzung folgt.
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Weitere Artikelreihen findet Ihr hier:
https://entwicklungsstadt.de/serie-berlins-luftschloesser-teil-2-der-neubau-der-gedaechtniskirche/
https://entwicklungsstadt.de/vergessene-baukunst-die-geschichte-juedischer-architekten-in-berlin/
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