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Serie – Berlins Luftschlösser, Teil 9: Der Berliner Münzturm

Eines der markantesten Berliner Bauprojekte der Vergangenheit, welches nie realisiert werden konnte und in seiner Tragweite einen historischen Bauskandal par excellence darstellte, war der Münzturm am Berliner Schloss. Bauherr des Turmbaus war Andreas Schlüter, der nach dem Einsturz des Gebäudes seine Anstellung als Hofbaumeister verlor.

Der alte Wachtturm an der Nordwestecke der damaligen kurfürstlichen Residenz in Berlin diente als Wasserturm und beherbergte gleichzeitig die Münzanstalt. / © Abbildung: Wikimedia Commons (Matthäus Merian, 1652)

© Abbildung: Wikimedia Commons (Matthäus Merian)
Text: Wolfgang Leffler

 

Eines der markantesten Berliner Bauprojekte der Vergangenheit, welches nie realisiert werden konnte und in seiner Tragweite damals einen Bauskandal par excellence darstellte, war der Münzturm am historischen Berliner Schloss.

Den Auftrag zum Bau dieses Turms hatte Andreas Schlüter vom Preußenherrscher Friedrich Wilhelm III., dem späteren ersten Preußenkönig Friedrich I., erhalten.

Junger Baumeister in Berlin: Andreas Schlüter

Der junge Andreas Schlüter, 1659 in Danzig geboren, war bis zum Umzug nach Berlin im königlichen Dienst des Polnischen Königs als Bildhauer und Bauplastiker an Projekten in Danzig und Warschau beteiligt. 1694 folgte er dem Ruf von Kurfürst Friedrich Wilhelm III, dem Nachfolger und Sohn des Großen Kurfürsten, der zum Ausbau der Doppelstadt Berlin / Coelln zu einer barocken und königlichen Residenz tüchtige Künstler und Handwerker benötigte.

Schlüter begann sein künstlerisches Schaffen als Holzschnitzer und Steinmetz und ihm eilte bereits zu Beginn seiner Karriere ein exzellenter Ruf voraus, speziell was seine bildhauerischen Fähigkeiten anbelangte.

Schlüter war vor allem für seine bildhauerischen Fähigkeiten berühmt

Friedrich Wilhelm III schickte Schlüter anfangs zu Studienzwecken nach Frankreich (Paris), in die Niederlande, nach Österreich (Wien) sowie nach Italien, wo er unter anderem zwei Jahre in Rom Werke von Michelangelo und Bernini studierte, die ihn am meisten beeindruckten und nachhaltig in seinem künstlerischen Stil beeinflussen sollten.

Zurück in Berlin wurde er vom Hof zuerst und vorrangig mit Arbeiten am Zeughaus beauftragt, wo er die Köpfe sterbender Krieger als Schlusssteine selbst modellierte, wobei es sich hierbei um die abgeschlagenen Köpfe besiegter Feinde handelte!

1699: Ernennung Andreas Schlüters zum Schlossbaudirektor am Berliner Hof

 1699 wurde Schlüter am Berliner Hof zum Schlossbaudirektor ernannt, was natürlich einen Kulminationspunkt in seiner bisherigen Laufbahn als Bildhauer und Architekt darstellte. Mit ausschlaggebend für die Ernennung zum Schlossbaudirektor war sicher die grandios gelungene  Ausführung des Reiterstandbilds des Großen Kurfürsten  mit den dazugehörigen Sklavenfiguren, das auf der Langen Brücke vor dem Stadtschloss der Hohenzollern aufgestellt wurde und wofür er von allen Seiten das höchste Lob bekam, ganz speziell natürlich vom Kurfürsten persönlich.

Friedrich Wilhelm III besaß Ehrgeiz und hatte bei seinem Regierungsantritt 1688 ein ganz klares Ziel: Er wollte der erste König Preußens werden und dafür mussten sowohl die Künste als auch die Wissenschaft auf königliches Niveau angehoben werden.

Friedrich Wilhelm III ließ Berlin umfassend umgestalten

Auf seine Anweisungen hin wurden das Schloss Charlottenburg (früher Lützelburg), das Zeughaus Unter den Linden und der Umbau des Renaissance-Schlosses in Berlins Mitte, nach dem Vorbild der Paläste in Italien, umgestaltet. Als Schlossbaudirektor stand Schlüter nun all diesen Projekten hauptverantwortlich vor und der König überhäufte ihn mit Aufträgen, denn der Herrscher wollte eine “richtige Königsstadt” für sein neues Preußen – und das so schnell wie möglich.

Dabei scheute der Herrscher keine Mühen und Kosten – vor allem für seine Bediensteten – was sich später als verheerend herausstellen sollte, denn es war ihm ein ganz besonderes Anliegen, den anderen Landesfürsten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zu imponieren. Der Preußenherrscher wollte mit dem Schloss als Mittelpunkte seiner Regierungsgeschäfte ein Forum schaffen, welches denen in Rom, Versailles und Wien in nichts nachstand. Im Gegenteil, es sollte noch größer und künstlerisch beeindruckender sein.

Folgenschwerer Auftrag für den Münzturm

Schlüter stand zu dieser Zeit im Zenit seines Schaffens. Nun wollte der Kurfürst, dass Schlüter die Alte Münze durch einen neuen, der neuen Königswürde entsprechenden Turmbau ersetzte. Der neue Münzturm sollte auf dem Areal der Alten Münze gebaut werden, auf einem Baugrund, der ein Gemisch aus Sand und Moorerde war, wo das Grundwasser der Spree „Blasen aus dem Boden“ trieb.

Schlüter kannte natürlich die Risiken und weigerte sich, trotz aller Zureden, den Turm auf der Alten Münze zu errichten. Daraufhin berief Friedrich I. eine Baukommission ein, die ein Bodengutachten erstellen ließ. Schlüter hatte im Vorfeld dem König in einer Unterredung vorgeschlagen, den neuen Turm in der Mitte der Hauptfassade und nicht an der Nordwestseite des Schlosses zu errichten, was dieser aufgrund der leeren Staatskassen dann ablehnte, denn immerhin würde man mit der Bebauung der Alten Münze fünfzig Prozent der Baukosten einsparen.

Turmbau auf der Alten Münze: Kritischer Standort aufgrund von leeren Stadtkassen

Den ersten Entwurf Schlüters für den neuen Schlossturm an anderer Stelle lehnte der König und die Baukommission aus Kostengründen daher ab. Für den Turm hatte der König Schlüter gewisse Prämissen vorgegeben. Es sollte ein an “Höhe und Pracht alles übertreffender Turm” entstehen, der ähnliche Bauwerke, wie das Straßburger Münster oder den Stephansdom in Wien, an Höhe und Gestaltung übertreffen sollte.

Schlüter wusste, dass mit dem Turmbau die Gnade des Königs ihm gegenüber auf dem Spiel stand. Außerdem gab es im königlichen Umfeld genügend Neider und Intriganten, die nur darauf warteten, Schlüter zu denunzieren und in schlechten Ruf geraten zu lassen.

Schlüter lenkte ein und errichtete den Münzturm auf dem gewünschten Baugrund

Unter diesem Druck und aus Gründen seiner Reputation, seines Stolzes und seiner Stellung am Hof – denn immerhin war Schlüter mittlerweile schon sieben Jahre in Berlin tätig – entschloss sich Schlüter, auch nach den Statements der Baukommission, den Bau des neuen Münzturms auf dem Areal der Alten Münze unter seiner Leitung anzunehmen.

Anzumerken sei in dem Zusammenhang noch, dass Schlüter selbst hohe Ansprüche an sich stellte, nachdem er die anderen Metropolen Europas bereist und schätzen gelernt hatte, seinen Beitrag zu leisten, um aus dem bescheidenen Berlin, dass er nach seiner Rückkehr von der Reise nach wie vor als ein auf Sand errichtetes Dorf empfand, eine echte Königsstadt zu machen.

Berlin: Neue Entwürfe für das Areal der Alten Münze

 Nun sollte also der alte Münzturm, der ehemals als Wasserturm errichtet worden war und in dem mittlerweile die Münzwerkstätten untergebracht waren, eine derartige Aufwertung erhalten, dass mit einer enormen Aufstockung auf fast 96 Meter alle bisher in der königlichen Residenz stehenden Bauwerke überragt und ein neues Wahrzeichen für die neue Königsstadt entstehen sollte.

Schlüter fertigte im Jahr 1701 mehrere, teilweise sehr kühne, Entwürfe für den Turm an mit einer, wie bereits erwähnt, ursprünglichen Höhe von 96 Metern. Teil des Turms sollte ein Speicher für die Wasserkünste des Schlossgartens und ganz oben, fast in der Spitze des Bauwerks, ein in den Niederlanden für 12.000 Gulden erworbenes Glockenspiel werden – ein Wunsch des Monarchen, der zudem zusätzlich eine Uhr als weiteren Schmuck forderte, damit das Geläut regelmäßig erklingen konnte. Die Melodie des Glockenspiels hatte Friedrich I. auf einer Reise durch die Niederlande gehört und sie gefiel ihm – es war ein Niederländisches Dankgebet.

Berliner Münzturm: Statische Probleme auf sumpfigen Baugrund

 Der Baugrund an der Spree war wie zäher Schlamm, der am Spaten kleben blieb, so dass sich Schlüter veranlasst sah, die Fundamente so zu erweitern und zu verstärken, dass sich die Last auf eine ungewöhnlich große Fläche verteilen konnte. Zusätzlich wurden die Grundmauern in Länge und Breite für einen sicheren Unterbau verstärkt. Aber Schlüter stellte fest, dass auch das nicht reichen würde und so beschloss er, den Münzturm auf ein Pfahlraster zu stellen, ähnlich der in der Lagunenstadt Venedig ausgeführten Fundamente für die dort errichteten Gebäude.

Schlüter führte dazu selbst in seinen schriftlichen Aufzeichnungen an, dass “viele und lange Pfähle in den Boden gerammt werden müssten“. Allerdings waren Schlüters Pfähle zu kurz, denn sie stießen   mit ihren gut drei Metern Länge nicht auf den stabilen Sandboden.

Schlüters aussichtsloser Kampf gegen den sumpfigen Berliner Baugrund

Das Problem des sumpfigen Berliner Baubodens ist insofern ein geologisches Problem und rührt aus der Periode der ausklingenden Eiszeit vor über 10.000 Jahren her. Schlüter hatte quasi auf einer Torflinse gebaut. Aber dieses Phänomen war auch den damaligen Bauleuten schon bekannt.

Verschwiegen werden soll auch nicht, dass Schlüter in der heißen Phase der Bauwerksgründung, in der die Pfähle in den sumpfig-morastigen Boden gerammt wurden, auf eine, aus seiner Sicht völlig unsinnige, mehrwöchige Dienstreise nach Süddeutschland geschickt wurde und in dieser Phase sein größter Rivale und Neider am Berliner Hof, Johann Friedrich von Eosander, die Bauleitung stellvertretend übernahm. Insgesamt wurden so an die 7.000 Pfähle in den Boden gerammt, die bei späteren Ausgrabungen in tadellosem Zustand vorgefunden wurden.

Eine Befragung der Bauleute ergab im Nachhinein, dass allerdings weit weniger Pfähle gerammt worden waren als von Schlüter geplant und in den Bauplänen angegeben waren. Außerdem hatte Eosander die Holzpfähle angeblich kürzer schneiden lassen als von Schlüter vorgegeben.

Baubeginn im Jahr 1702, erste Risse im Mauerwerk 1704

Im Jahr 1702 startete der Turmbau und Schlüter war davon überzeugt, mit den Pfahlgründungen als Raster und mit drei Meter langen Holzpfählen, der Verbreiterungen des Fundaments und der Verstärkung des Mauerwerks ein solides Tragwerk für den neuen Turm geschaffen zu haben.

Aber bereits 1704 waren Risse im Mauerwerk ersichtlich und Schlüter war bewusst, woher diese kamen, er hatte im Vorfeld des Neubaus in ausreichendem Maße auf Schwierigkeiten aufgrund dieses instabilen Baugrundes hingewiesen.

Instabiler Baugrund: Der Münzturm stand auf einem weichen Fundament

Historische Recherchen ergaben, dass Schlüter dementsprechende Untersuchungen durchführen ließ. Man hatte einen Bohrer in den Boden getrieben und festgestellt, dass überall weiches Erdreich vorkam, hat dann mit mehreren Pfahlgrößen und -längen experimentiert, ist aber nur bis zu einer Tiefe von drei Metern vorgedrungen.

Da der König den Turmneubau so schnell als möglich erledigt haben wollte und eine zügige Realisierung seines neuen Residenz-Turmes als Wahrzeichen des neuen Preußentums ohne Widerrede forderte, erhöhte das den Druck auf Schlüter, so dass die Zeit für weitere Untersuchungen derzeit nicht gegeben war.

Schlüter versuchte den Turmbau durch verschiedene Maßnahmen zu retten

Schlüter versuchte umgehend nach Feststellung der Risse im Mauerwerk gegenzusteuern, ließ Proportionen ändern, weitere seitliche Stützen installieren und die massiven oberirdischen Pfeiler ummanteln. Zusätzlich, um die Last auf die Fundamente zu reduzieren, löste er die drei oberen Geschosse des Turms in einer sog. Säulenrotunde auf.

Schlüters zweiter Entwurf aus dem Jahr 1705 sah als Unterbau ein weites hohes Gebäude vor, in dessen breiter muschelförmiger Nische, in drei sich nach oben verjüngenden Geschossen mit säulenartigen Abstützungen, eine Wasserkunst spielte zwischen Nereiden-Nymphen des Meeres und Begleiterinnen des Gottes Poseidon. Darüber erhob sich ein mächtiger Sockel, der das Wasser für die Wasserspiele bevorratete, welcher die Springbrunnen des Lustgartens speisen sollte.

1705: Schlüter entwirft einen veränderten Münzturm

Über diesem mit weißem Carrara-Marmor verblendeten, mit Wappenschildern, Figuren und einer Uhr mit Schlagwerk geziertem Sockel, schwebten in feiner Gliederung darüber luftige Säulen und Galerien von Gesims und Postamenten, wie ein steinernes Traumgebilde.

In der letzten Galerie hing das Glockenspiel; darüber ruhte als Abschluss und Turmhelm eine marmorne Vase mit einem auf dem Deckelknauf stehenden mythischen Frauenbild, das mit beiden Armen Brandenburgs Königskrone zu den Wolken hob. Das war die künstlerisch noch herausragendere Variante zum ersten Entwurf, die dann aber den sich folgenden Ereignissen beugen musste.

Der Turm neigt sich

Nach einem starken Regenguss stellte Schlüter bei einer Inspektion der obersten Plattform fest, dass sich Regenwasser staute und nicht ablief, auf die Seite zur Spree hin. Was das bedeutete war ihm klar – der Turm fing an sich zu neigen! Das konnte er nur aufhalten, indem er den Schwerpunkt des Baukörpers stabilisierte.

Zwei armdicke Eisenketten, die aus halber Höhe zu einem steinernen Widerlager in einem Schlosshof führten, sollten den Turm halten, wie die „Wanten im Sturm den Mast eines Segelschiffes“. Diese Maßnahme half nur kurzfristig, dann rissen auch sie.

1706: Der 70-Meter-Turm war bereits über zwei Meter aus dem Lot

Schlüter selbst lotete die Neigung des Turms aus und musste feststellen, dass der Turm bereits rund 2,30 Meter aus dem Lot war. Die Bauhöhe betrug im Jahr 1706 mittlerweile siebzig Meter und Schlüter musste nun den Gang nach Canossa antreten, um dem König reinen Wein zum akuten Bauzustand des Turms einzuschenken.

Daraufhin berief Friedrich I. erneut eine Baukommission ein, die dann zur Erkenntnis kam, dass der Baugrund wohl nicht ausreichend und tief genug erkundet worden wäre, die Holzpfähle aufgrund dieses Missstandes nicht tief genug in den Baugrund getrieben worden wären, also zu kurz seien.

Schlüter in Erklärungsnöten vor König und Baukommission

Man verlangte von Schlüter eine Erklärung. Dieser betonte und wiederholte darin das, was er bereits vor Baubeginn sowohl dem König als auch der ersten Baukommission immer wieder mitgeteilt hatte:  Die Ursache für das Absinken des Turmes ist, dass das Erdreich unter dem Fundament noch weiterhin sumpfig und morastig ist und auch die Pfähle und die verstärkten Fundamente und Mauerwerke den Druck der schweren Last des Baukörpers nicht standhalten.

Schlüter ließ nichts unversucht um den Turm noch zu retten. Als letzte Maßnahme wurden weitere zusätzliche Mauerpfeiler zur Abstützung eingezogen. Aber auch diese Aktion konnte die weitere Neigung des Baukörpers nicht aufhalten, so dass Schlüter sich im Juli 1706 mit der Baukommission darauf verständigte, den Turm bis auf eine Höhe von sechsunddreißig Meter abzutragen und den verbleibenden Teil als Aussichtsplattform zu gestalten.

Der Turm stürzt ein – Entlassung Schlüters als Hofbaumeister

Dazu kam es aber nicht mehr, denn der Turm stürzte vorher ein, noch ehe die königliche Bestätigung  zur reduzierten Turmausführung eintraf. Nun krochen wieder die Neider und Spötter zu Schlüters Turmneubau aus ihren Löchern, die bereits vorher in Berlin den Spruch vom „Turmbau zu Babel“ in die Welt hinausposaunt hatten, allen voran  Johann Friedrich von Eosander, der sich nun darüber freuen konnte, Schlüter in völligen Misskredit dem König gegenüber gebracht zu haben.

Schlüter wurde daraufhin 1706 als Hofbaumeister entlassen, blieb allerdings vorerst als Hofbildhauer im Amt. Völlig von der Bildfläche des königlichen Hofes und den dementsprechenden Personallisten verschwand Schlüter dann letztendlich im Jahr 1708. In Berlin hielt er sich mit Privataufträgen über Wasser. Sein letztes Bauprojekt in Berlin war das Landhaus (Villa Kameke) für den Geheimrat Ernst Bogislav von Kameke, dessen privater Lustgarten sich in der Dorotheenstadt befand und welches Schlüter in den Jahren 1711 bis 1712 errichtete.

Nach dem Tod von Friedrich Wilhelm I floh Schlüter nach St. Petersburg

1713 wurde Schlüter dann endgültig aus dem Dienst am preußischen Königshof in Berlin entlassen. Eine neuerliche Anstellung als Hofbaumeister bekam er aber bereits im selben Jahr in St. Petersburg, wo er unter dem russischen Zaren Peter dem Großen an der Neugestaltung der neuen russischen Hauptstadt an der Newa-Mündung mitwirkte, aber nur für kurze Zeit. Denn am 23. Juni 1714 traf aus St. Petersburg die Nachricht vom Tod Andreas Schlüters ein.

Schlussbemerkungen

Andreas Schlüter hatte in Berlin bereits nach seiner Berufung zum Direktor aller kurfürstlichen Bauten, übrigens per Dekret des Kurfürsten Friedrich Wilhelm III, einen schweren Stand. Der Berliner Adel bezeichnete ihn als Maurer und Steinmetz, anstatt als Bildhauer und Architekt.

Ohnehin intrigierte man doch zu gern gegen Schlüter, da er auch einer der Rektoren der neu gegründeten Akademie der Künste war. Übrigens übte er dieses Amt unentgeltlich aus.

Der schwedische Baron und Hauptmann von Eosander, Intendant der kurfürstlichen Feste, war bereits vorher für den Posten des Schlossbaudirektors in die engere Wahl gezogen worden und fand es grotesk, dass ein „bürgerlicher“ Maurermeister vom Kurfürsten für ein solch hohes Amt auserkoren wurde.

Eosander war nach der Entscheidung des Kurfürsten Schlüter somit direkt unterstellt, womit dem Intrigieren Eosanders gegen Schlüter Tür und Tor geöffnet war. Eosander verbreitete nach der Begutachtung der Schlossbaupläne, dass Schlüter fehlerhafte Berechnungen angestellt hätte. Schlüters angebliche mathematische Schwäche wurde seitens Eosander immer wieder ins Feld geführt, bewiesen ist sie hingegen nicht.

Schlüter bekam vom Kurfürsten auch den Auftrag zum Umbau des Schlosses Lützelburg, dem heutigen Schloss Charlottenburg, wo die Gemahlin des Kurfürsten, Sophie-Charlotte, residierte. Schlüter entwarf die Baupläne für die Neugestaltung, aber Sophie-Charlotte beauftragt letztendlich Eosander mit der Bauausführung, ein Affront gegen Schlüter.

Nachdem Schlüter dem Philosophen Leibniz seine Umbaupläne des Hohenzollernschlosses zeigte und das fertige Reiterstandbild des Großen Kurfürsten sah, war dieser so begeistert, dass er zu Sophie-Charlotte sagte: “Sie werden sehen, Schlüter wird der Michelangelo unseres Jahrhunderts“.

In einem sachkundigen Urteil aus dem Jahr 1711 wird ausgeführt, dass der von Schlüter entworfene Turmneubau eines der schönsten Kunstwerke der Welt geworden wäre, aber ein ausreichendes stabiles Fundament “an diesem bodenlosen und incorrigiblen Ort” hätte immense Kosten verursacht.

Fünf Jahre vorher, 1706, war dieses Bauwunder eingestürzt, der von Andreas Schlüter, Architektur-und Bildhauerstar jener Zeit kunstvoll entworfene und von 1702 an errichtete Münzturm, 96 Meter hoch, eines der Prestigeprojekte des frisch gekürten ersten Preußenkönigs, Friedrich I. Wir wissen heute, dass die Pfähle eine Länge von 11 Meter Länge hätten haben müssen, um auf die feste Schicht mit Sandboden zu stoßen.

In Anlehnung an die damalige Problematik wusste man beim Bau der U-Bahnlinie 5 in Berlin, dass man die Fundamente des Münzturms unterfahren würde, denn die alten Holzpfähle enden oberhalb des Tunnels. Beim Projektieren des U-Bahnhofs rechnete man also damit, dass durch die Vortriebs-, Bohr – oder Vereisungsarbeiten einzelne Holzpfähle unter der Schlossbrücke bzw. unter dem Kupfergraben berührt, gekappt oder anderweitig beeinflusst werden könnten.

Die Geschichte des Münzturms ist ein weiteres Indiz dafür, dass der Berliner Untergrund voller Tücken steckt; das haben auch die Bauunternehmen erfahren müssen, die am Alexanderplatz beim Anlegen der Fundamente für das geplante Covivio-Hochhaus mit dem Tunnel der U- Bahnlinie 2 in Berührung kamen.

 

Quellen: Wikipedia, berlingeschichte.de, Deutsches Architektur Forum, Der Münzturm (Alfons von Czibulka)

 

Weitere Teile der Reihe könnt Ihr hier sehen:

Serie: Berlins Luftschlösser, Teil 1: Die “Olympiahalle 2000” in Mitte

Serie – Berlins Luftschlösser, Teil 2: Der Neubau der Gedächtniskirche

Serie – Berlins Luftschlösser, Teil 4: Ein Riesenrad am Bahnhof Zoo

Serie – Berlins Luftschlösser, Teil 7: Das Projekt “Werkbundstadt”

Serie – Berlins Luftschlösser, Teil 8: Das Autobahnkreuz Oranienplatz

Eine Übersicht unserer Artikelreihen findet Ihr hier

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