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Verbot für reine Bürotürme in München: Vorbild für Berlin?

In München sollen zukünftig keine reinen Bürotürme mehr errichtet werden. Nach einer Hochhausstudie der dortigen Rathauskoalition sollen bezahlbare Wohnungen ein Pflichtbestandteil aller zukünftigen Hochhausprojekte werden. Taugt das Konzept auch als Vorbild für die Berliner Stadtentwicklungspolitik?

In München soll es künftig keine reinen Bürotürme mehr geben. In jedem Hochhausprojekt soll ein Pflichtanteil bezahlbarer Wohnungen enthalten sein. Ist das Konzept auch ein Vorbild für Berlin? / © Foto: depositphotos.com

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Text: Björn Leffler

 

Obwohl Berlin und München zwei sehr unterschiedliche Städte sind, sind sie sich in einer Sache sehr ähnlich, und zwar in der anhaltenden Diskussion über Sinn und Unsinn von neuen Hochhäusern. Wer in Berlin ein Hochhaus bauen möchte, ist noch immer an das durch die Vor-Vorgängerregierung verabschiedete Hochhausleitbild gebunden.

Vorbehalte gegen Hochhausbauten in Berlin gibt es nicht nur aufgrund des schwierigen Baugrunds, sondern weil die Traufhöhe des Baubestands in Berlin eine der wichtigsten, maßgeblichen Vorgaben für Neu- und Umbauprojekte darstellt. Jedes Gebäude, welches über diese Traufhöhe hinaus gehen soll, muss dies explizit begründen.

Berliner Hochhausleitbild: Strenge Vorgaben für neue Hochhausprojekte

Vor allem in Stadtteilen mit einem hohen Anteil von Gründerzeit-Häusern, wie etwa in Prenzlauer Berg oder der Spandauer Vorstadt in Mitte, sind Hochhausprojekte nur äußerst schwer durchzusetzen. Um ein einheitliches, berlinweit gültiges Hochhausprojekt hat der Berliner Senat daher viele Jahre gerungen.

Denn die Konflikte, welche zwischen Investoren, Bezirken und Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen immer wieder aufflammten, bedurften einer einheitlichen Regelung für Hochhausprojekte, auf die sich die Senatsverwaltung mittlerweile häufig bezieht.

Berlins Hochhausleitbild wurde von Katrin Lompscher und Regula Lüscher erarbeitet

Das dafür zugrunde liegende Hochhausleitbild wurde noch von der damaligen Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher und ihrer Senatsbaudirektorin, Regula Lüscher, erarbeitet und vom Berliner Abgeordnetenhaus im Februar 2020 ratifiziert.

Das Hochhausleitbild tritt im Übrigen nur dann in Kraft, wenn der vorgesehene Neubau die gebietsprägenden Bestandshöhen um mehr als 50 Prozent überragt und somit erhebliche Auswirkungen auf das Ortsbild und die umgebende Stadtstruktur hat.

Münchens Maßgabe: Höher als 100 Meter sollte ein neues Hochhaus nicht sein

Auch in München wird immer wieder darüber gestritten, wie und wo Hochhäuser überhaupt genehmigt werden sollten. Seit Jahrzehnten wird etwa diskutiert, wie hoch ein Hochhaus in Bayerns Landeshauptstadt überhaupt sein darf.

Maximal 100 Meter und damit etwa so hoch wie die Türme der Frauenkirche, das Wahrzeichen der Stadt, sollte ein Hochhaus in München sein – das war bislang die Maßgabe. Bisher gibt es zwei Hochhausstudien von 1977 und 1995, die sich dem Umgang mit Hochhäusern in München widmeten und einen zurückhaltenden Umgang empfahlen.

Neue Hochhausstudie in München empfiehlt: Keine Hochhäuser ohne Wohnungen

Die neue Hochhausstudie aus dem April 2023, vorgelegt von der grün-roten Rathauskoalition, stellt nun ganz besondere Anforderungen an zukünftige Hochhausprojekte – unabhängig von Ort oder Höhe des Projekts. Denn in München sollen zukünftig keine reinen Bürotürme mehr errichtet werden dürfen.

Damit soll auf die auch in München herrschende Wohnungsnot reagiert werden. Daher will der Münchner Stadtrat die Vorgaben für den Bau neuer Hochhäuser deutlich verschärfen. Neue Projekte sollen künftig “Nutzungen wie Wohnen und Arbeiten vereinen” und auf diesem Wege “dauerhaft bezahlbaren Wohnraum” sichern.

Geförderter und preisgedämpfter Wohnraum in Münchens Hochhäusern

Reine Bürotürme sind, folgt man den Vorgaben dieser Studie, zukünftig in München nicht mehr vorgesehen. Dafür soll geförderter und preisgedämpfter Wohnungsbau in den Türmen Platz finden. Die neue Hochhausstudie legt damit neue Qualitätskriterien fest und soll als Grundlage für die Planung künftiger Hochhausprojekte dienen.

Die Münchner Oppositionsparteien jedoch haben den Entwurf mit Entsetzen aufgenommen und fürchten eine Schädigung des Wirtschaftsstandorts München. Auch in Berlin wird für Stadtentwicklungsprojekte aber immer wieder die “Berliner Mischung” aus Wohnen, Arbeiten und Freizeit angestrebt.

Pflichtanteil von Wohnungen: Ein Vorbild auch für Berlin?

Diese “Berliner Mischung” jedoch bezieht sich vor allem auf das Thema der Quartiersentwicklung. Eine Vorgabe, in einzelnen oder mehreren Hochhäusern innerhalb eines Stadtgebiets einen Pflichtanteil bezahlbarer Wohnungen zu integrieren, gibt es bislang nicht.

Tatsächlich stellt sich aber die Frage, ob das “Münchner Modell” nicht auch für Berlin eine spannende Blaupause darstellen könnte? Während die Diskussion um vertikalen Wohnungsbau in Berlin seit vielen Jahren geführt wird, aber nicht so recht vom Fleck kommt, könnte ein verpflichtender Anteil an Wohnungen in zukünftigen Hochhausprojekten eine signifikante Zahl neuer Wohnungen in Berlin ermöglichen.

Rein gewerbliche Hochhausprojekte wie etwa das “Upper West” in Charlottenburg oder der geplante “Estrel Tower” in Neukölln könnten demnach in dieser Form nicht mehr umgesetzt werden, sondern müssten um Wohnraum ergänzt werden.

Die Berliner Wohnungsbaupolitik hätte vollkommen neue Möglichkeiten

Was für Investoren und Immobilienentwickler eher als Hindernis gesehen werden würde, würde der Wohnungsbaupolitik in der Hauptstadt neue Möglichkeiten eröffnen. Denn viele Wohnungsbauprojekte in Berlin werden, trotz knapper Flächen, noch immer mit Wohnhäusern zwischen drei und fünf Etagen umgesetzt.

Ob das Münchner Hochhauskonzept in der jetzigen Entwurfsfassung letztlich so umgesetzt wird, bleibt freilich erst einmal abzuwarten. Der inhaltliche Ansatz erscheint vor dem Hintergrund der Wohnungsnot in deutschen Großstädten aber ausgesprochen sinnvoll – nicht nur für Berlin.

 

Weitere Bilder zum Thema findet Ihr hier: 

Eine der bekanntesten Hochhaussilhouetten Berlins am Potsdamer Platz in Berlin-Mitte. / © Foto: depositphotos.com

Weitere Hochhausprojekte sind hier zu finden

Quellen: Süddeutsche Zeitung, Thomas Daily, Bayerischer Rundfunk

 

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3 Kommentare

  1. Jörg Barth Juni 28, 2023

    Der Anteil von bezahlbaren Wohnungen in Hochhäusern sollte, wenn dann an die Höhe des Gebäudes geknüpft werden, so sollten ab einer Höhe von 100M 30% der Bruttogeschossfläche an Wohnungen erreicht werden, unter 100M aber deutlich weniger. In Frankfurt/Main gilt glaube ich diese 30% Regel schon seit Jahren, ich weis aber jetzt nicht, ab welcher Gebäudehöhe. Von daher könnte man die auch für München vorgesehene Regelung durchaus auch auf Berlin übertragen, dafür aber andere behindernde Regelungen abschaffen.

  2. Dani Juli 18, 2023

    Kann Folgendes sein: “Die Banken und die Börse, die Versicherungen und die Technologiekonzerne gehören nach Berlin zurück- die Mini-Metropolen und Provisorien Frankfurt/M. u. München – den ländlich-anmutenden Wien-Abklatsch – braucht niemand mehr als Berlin-Ersatz- wann zieht man dort in F u. M endlich den Stecker und konzentriert, was aus Berlin kam und nach Berlin gehört, wieder in Berlin? Berlin sollte auch 300-m-+-Hochhäuser bauen- als reine Büro-, reine Wohn-, reine Hotel- und als gemischt-genutzte Hochhäuser? Berlin sollte sich an keiner anderen Stadt ein Beispiel nehmen (müssen)- vielmehr – wenn, dann – andere Städte an Berlin?!”?

  3. Dani Juli 18, 2023

    “Berlin weist eine (weitgehend wirtschafts-funktions-leere) Weltmetropolen-Hülle auf. Das kleine Frankfurt/M. u. das gewachsene Dorf München sind keine Weltmetropolen. F u. M weisen allerdings (wirtschaftliche) Weltmetropolenfunktionen auf. Wenn die (wirtschaftlichen) Weltmetropolenfunktionen – dazu gehört unentbehrlich auch ein Interkontinental-Drehkreuz-Flughafen – nach Berlin zurück-kehren, kann Dtl./ die EU/ die Welt eine “echte/umfassende Weltmetropole” zurück-gewinnen- dann zieht globales Talent eventuell nicht mehr nur nach London/UK bzw. NYC/USA, sondern bleibt in der/ kommt in die EU, nicht etwa (nur) nach Paris, sondern insbesondere nach Berlin- als dem (wieder-(auf)erstandenem) “New York Europas”?! Berlin ist Abriss und Neubau. Berlin ist Wandel. Berlin ist Freiheit. Und so sollte es auch bauen (lassen)?! Höher, dichter, schneller, extravagant(er), auch mal “Disney-Land”, Klein-Groß-, Alt-Neu-Kontraste, abwechslungsreich und spannend- (welt-)metropolenhaft (eben).”?

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