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Artikelreihe: Jüdische Architekten in Berlin, Teil 10: Konrad Wachsmann

Der Architekt Konrad Wachsmann ist besonders durch das Einsteinhaus in Caputh bei Potsdam bekannt. Die ausgiebige Beschäftigung mit der industriellen Vorfertigung im Bausektor verschaffte ihm als einer der ersten Architekten in diesem Themengebiet zusätzliches Ansehen.

Eines der bekanntesten Werke von Konrad Wachsmann: Das Einsteinhaus in Caputh bei Potsdam, errichtet 1929. / © Foto: Wikimedia Commons

© Fotos: Wikimedia Commons
Text: Henriette Schubert

Konrad Wachsmann

Geboren 1901 in Frankfurt (Oder) – Gestorben 1980 in Los Angeles

Herkunft: Geburt in Frankfurt (Oder)

Konrad Ludwig Wachsmann wurde als Kind einer jüdischen Familie am 16. Mai 1901 in Frankfurt (Oder) von seiner Mutter Else Wachsmann (geborene Bodenstein) geboren. Er wuchs zusammen mit seiner zwei Jahre älteren Schwester Charlotte Philippine auf. Nach der Schule blieb er in seiner Heimatstadt und begann eine Tischler-Lehre in der Werkstatt Münnich. Nachdem er die Lehre erfolgreich abschlossen hatte, verschlug es ihn für das Studium bei Heinrich Tessenow von 1920 bis 1924 nach Berlin und Dresden. Im Anschluss begab er sich als Meisterschüler von Hans Poelzig an die Technische Hochschule Berlin. 

Nachdem ein Stellengesuch seinerseits an J.J.P. Oud abgesagt wurde, ging Wachsmann nach Paris. Hier suchte er den bekannten Architekten Le Corbusier auf. Dessen Angebot für die Stelle als unbezahlter Praktikant lehnte Wachsmann jedoch ab.

Stattdessen suchte er weiter und fand durch Vermittlung seines ehemaligen Lehrers Hans Poelzig ab 1926 eine Anstellung als Chefarchitekt des auf Holzbauten spezialisierten Unternehmens Christoph & Unmack AG in Niesky (Oberlausitz). Viele seiner ausgeführten Bauwerke entstanden in dieser Zeit. Neben Wohnhäusern, Erholungsheimen und Heilstätten entstanden so auch Bürogebäude und Wettbewerbsentwürfe. Bis 1929 arbeitete er als Chefarchitekt. Sein letzter Entwurf (für das Unternehmen)  des Bürogebäudes der BVG in Berlin brachte ihn schließlich wieder in die Hauptstadt zurück.

Konrad Wachsmanns Wirken in Berlin

Ab 1929 entschied sich Wachsmann für die Arbeit als freiberuflich arbeitender Architekt. Sein erstes Projekt aus dieser Zeit, das Wohnhaus „Haus Estrich“ für Dr. Estrich in Jüterbog, nimmt als einziger Massivbau in Wachsmanns Portfolio eine ganz besondere Stellung ein. Fast zur selben Zeit entstand überdies das Sommerhaus für Albert Einstein in Caputh bei Potsdam, welches den Höhepunkt von Wachsmanns Schaffen darstellt und als eines seiner bekanntesten Bauwerke gilt. 

Zusammen mit dem hölzernen Direktorenhaus in der Goethestraße in Niesky zählen diese Bauwerke zu den einzigen in Deutschland erhaltenen Bauten des Architekten. Während das Einsteinhaus in gut erhaltenem Zustand als Museum genutzt wird, stand das Direktorenhaus ab 1990, nach der Nutzung als FDJ-Kreisleitung in der DDR, leer. Die Stadt erwarb im Jahr 2005 das Gebäude und konnte es mit Unterstützung des Bundes und der Wüstenrot Stiftung ab Frühjahr 2010 vollständig sanieren.

Weitere Bekanntheit erlangte Wachsmann auch in dieser Zeit durch einige Wettbewerbsentwürfe. Sein in diesem Zusammenhang entstandener Entwurf „60 billige zeitgemäße Eigenhäuser“ bekam neben dem dritten Preis auch eine lobende Anerkennung. Seine im Folgejahr entstandene Stahlrohrkonstruktion für die Firma Torkret wurde auf der Berliner Bauausstellung gezeigt.

Bis in die anfänglichen 1930er Jahre folgten weitere Entwürfe für Wohnhäuser, Apartments und Siedlungen. Die Auszeichnung mit dem Rom-Preis an der Preußischen Akademie der Künste im Jahr 1932 bescherte Wachsmann ein Stipendium, durch welches er in der Villa Massimo in Rom künstlerisch tätig werden durfte. 

Nach 1933: Emigration ohne Verluste seines beruflichen Werdegangs

Bedingt durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten sowie durch einen Streit mit Arno Breker verließ er die Villa jedoch nach nur einem Monat wieder. Auch den vorangegangenen Preis gab Wachsmann zurück. Später äußerte er sich zu diesem Handeln und beschrieb, dass das Vorgehen Goebbels‘ gegenüber Kultur und Volk ihm keine andere Wahl gelassen hatte. Er verlor die Identifikation mit seinem Heimatland und verblieb bis 1938 vorerst in Italien. Während seiner Reisen durch das Land wurden weitere Entwürfe des Architekten ausgeführt wie beispielsweise ein Landhaus bei Grottaferrata. 

1938 entschied Wachsmann sich zur Emigration nach Paris. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, meldete sich Wachsmann als Freiwilliger in der französischen Armee. Mithilfe von Einstein emigrierte er drei Jahre später in die USA. Hier begann für Wachsmann eine intensive Zusammenarbeit mit dem bekannten Architekten Walter Gropius, in welcher unter anderem das Recreation Center in Key West (Florida) entstand. Gemeinsam realisierten sie zudem das „Packaged House System“. Hierbei handelt es sich um ein Fertigbausystem in Holzbauweise. Für die Fertigstellung eines solchen Hauses brauchte es weder viel Zeit noch ausgebildete Arbeitskräfte. Das System verschaffte Wachsmann auch internationale Bekanntheit. Die herausragende Technik konnte das Unternehmen dennoch nicht vor dem Misserfolg schützen.

Schon zu Beginn seiner Zeit in den USA entstand 1943 unter Wachsmanns Anleitung das „Deutsche Dorf“ auf dem Testgelände Dugway Proving Ground in Utah. Die für Amerika besonderen Bauformen wurden hier bezüglich der Auswirkungen verschiedener Spreng- und Brandbomben getestet. Es folgte gegen Ende des Zweiten Weltkrieges die Entwicklung der sogenannten „mobilar structure“ im Auftrag der Atlas Aircraft Corporation. Der transportable Flugzeughangar wurde jedoch nie gebaut.

Im Jahr 1947 erlangte Wachsmann die Staatsbürgerschaft der Vereinigten Staaten und widmete sich ab 1949 der Tätigkeit in Forschung und Lehre. Hierzu zog es ihn zunächst an das Institute of Design in Chicago, einige Jahre später wurde er 1956 zum Leiter der Architekturklasse der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst in Salzburg. Hier kam er mit zahlreichen österreichischen Architekten, darunter Hans Hollein, Ottokar Uhl und Gunther Wawrik, in Kontakt, die er mit seinen Ideen zum industriellen Bauen begeisterte.

Im Jahr 1964 wechselte Wachsmann an die University of Southern California nach Los Angeles, wo er insbesondere an einer Forschungsarbeit zu großen, freitragenden Hallen und Flugzeughangars arbeitete, die größtenteils von der US-amerikanischen Luftwaffe finanziert wurde. 

Parallel zur Forschung und Lehre, durch welche zahlreiche von Wachsmann verfasste Schriften entstanden, entwickelte und realisierte der Architekt auch weiterhin architektonische Entwürfe. Hierzu zählt das Doppelwohnhaus Marshall House in Los Angeles aus den Jahren 1947 bis 1949. Auch der Entwurf für die Stadthalle für California City aus dem Jahr 1966 geht auf Wachsmann zurück. Auf Wachsmanns Idee zur Neuordnung des Passagierhafens in Genua bis 1963 nahm der bekannte Architekt Renzo Piano 40 Jahre später noch Bezug. 

Sein ganzes Leben lang blieb Wachsmann auf der Suche nach dem „universellen Knotenpunkt“. In seiner Arbeit beachtete er stets die multifunktionale Verwendbarkeit der Einzelkomponenten seiner Konstruktion. Mit möglichst wenigen Teilen wollte er auf diesem Weg möglichst viele Konstruktionsmöglichkeiten anbieten. Obgleich seine Ideen bereits in die industrielle Fertigung gingen, wurden die technischen Ausarbeitungen seines Spätwerkes nie ausgeführt.

Konrad Wachsmann starb am 25. oder 26. November 1980 in Los Angeles, wurde aber in seiner Geburtsstadt Frankfurt (Oder) begraben. 

Nach seinem Tod erwarb die Stiftung Archiv der Akademie der Künste in Berlin seinen beruflichen Nachlass als Konrad-Wachsmann-Archiv. In den Folgejahren wurde auch das Konrad-Wachsmann-Oberstufenzentrum in seiner Heimatstadt nach ihm benannt. Im Jahr 2012 wurden hier zudem Stolpersteine für ihn sowie seine Mutter und Schwester verlegt. Die beiden Frauen wurden im Jahr 1942 deportiert und kamen im Ghetto in Riga ums Leben. Mit seiner Frau Judith hatte Wachsmann eine gemeinsame Tochter. 

Seit 2015 verleihen die Landesverbände des Bundes Deutscher Architekten Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zudem den Konrad-Wachsmann-Preis, der unter den Absolventen der entsprechenden Hochschulen ausgelobt wird.

 

Das Haus Dr. Estrich wurde 1929 bis 1930 in Jüterbog (Brandenburg) erstellt. Es wurde von Konrad Wachsmann entworfen und war als Wohnhaus mit Arztpraxis für Emmy und Georg Estrich konzipiert. / © Foto: Wikimedia Commons

Weitere Teile der Reihe findet Ihr hier: 

Vergessene Baukunst: Die Geschichte jüdischer Architekten in Berlin

Historisch und modern: Die bauliche Neuerfindung des Petriplatzes

Artikelreihe: Jüdische Architekten in Berlin, Teil 2: Erich Mendelsohn

Artikelreihe: Jüdische Architekten in Berlin, Teil 3: Alexander Klein

Artikelreihe: Jüdische Architekten in Berlin, Teil 4: Martin Punitzer

Artikelreihe: Jüdische Architekten in Berlin, Teil 5: Marie Frommer

Artikelreihe: Jüdische Architekten in Berlin, Teil 6: Erwin Gutkind

Artikelreihe: Jüdische Architekten in Berlin, Teil 7: Harry Rosenthal

Artikelreihe: Jüdische Architekten in Berlin, Teil 8: Alfons Anker

Artikelreihe: Jüdische Architekten in Berlin, Teil 9: Alfred Forbát

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